Spanische Regierung unter Druck

Gegen die Unterdrückung der Pressefreiheit, den Umgang mit dem Tankerunglück und die Haltung zum Irak-Krieg wird der Widerstand stärker - am Wochenende haben wieder Hunderttausende demonstriert

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Am Samstag demonstrierten weit über 100.000 Menschen für die Pressefreiheit und gegen die Schließung der einzig baskischsprachigen Tageszeitung "Egunkaria". Die größte Demonstration in der neueren baskischen Geschichte. Am Sonntag bekam Madrid Besuch aus Galicien. Etwa eine Million Menschen forderten drei Monate nach dem Tankerunglück den Rücktritt der Regierung, die den Unfall des Öltankers in die größte Umweltkatastrophe Spaniens verwandelte.

Es war ein Zufall, dass die Demonstration der Bürgerbewegung Nunca Mais (Nie Mehr) auf den 22. Jahrestag des sogenannten "Putsches" von 1981 fiel. Mehr als 200.000 Galicier hatten sich gestern nach Madrid aufgemacht und wurden von Hunderttausenden aus dem Rest des Landes unterstützt. Der Versuch der Konservativen in Madrid und Galicien, den Marsch zu behindern, gelang nicht.

Weil die Bahn nur wenige Sonderzüge zur Verfügung stellte, wurden Busse in Portugal gemietet. Auch der Versuch misslang, die Demonstration auf Nebenstraßen zu verweisen. Als letzen Versuch behauptet Madrid, an der Demonstration hätten nur 100.000 Menschen teilgenommen. Dabei spricht selbst die regierungsnahe Zeitung El Mundo von einer Menschenflut wie letzte Woche bei den Anti-Kriegsprotesten (Mehrere Millionen Menschen demonstrieren in Spanien gegen den Krieg). Werden sonst die Demonstrationen gegen die ETA von der Regierung unter Jose Maria Aznar um den Faktor 10 multipliziert, werden die Demonstrationen gegen sie auf ein Zehntel gekürzt.

Der Protest hat sich längst von der Ölpest gelöst, die die Atlantikküste von Portugal bis Frankreich mit schwarzem Gift überzieht (Großdemonstration und Generalstreik). Das autokratische Verhalten der Regierung treibt die Massen nun bis in die Hauptstadt. Eine Untersuchungskommission wurde hintertrieben und dem Untersuchungsrichter werden keine Dokumente zur Verfügung gestellt, dafür wird gegen Nunca Mais ermittelt. Die Demonstranten fordern den "Rücktritt" von Manuel Franga, des Regionalfürsten in Galicien und ehemaligen Franco-Ministers, und dessen politischen Zöglings Aznar: "Nie mehr Lügen der Propagandamaschinerie, nie mehr Inkompetenz und Überheblichkeit, nie mehr Drohungen und Verunglimpfungen."

Auch Tausende Basken und Vertreter der baskischen Autonomieregierung waren nach Madrid gereist. Dabei hatten sie erst am Vortag in San Sebastian mit weit über 100.000 Menschen gegen den erneuten Anschlag auf die Pressefreiheit demonstriert. Am vergangenen Donnerstag war die einzige baskischsprachige Tageszeitung geschlossen worden (Baskische Zeitung und Website geschlossen). Der Protest übertraf alle Erwartungen und wurde von allen baskischen Parteien und Gewerkschaften getragen. Die Sozialisten (PSOE) kritisierten den vierten Angriff auf die Meinungsfreiheit in nur fünf Jahren nicht, nur vereinzelte baskische Sozialisten, wie Gema Zabaleta demonstrierten für die Meinungsfreiheit.

Der Richter Juan del Olmo hat bis heute der Zeitung oder den Anwälten der zehn verhafteten Journalisten keinen Verbotsbeschluss zukommen lassen. Ein Einspruch war deshalb bisher nicht möglich. Die Journalisten befinden sich in "Kontaktsperre" nach dem Anti-Terror Gesetz. Erst heute werden sie einem Richter vorgeführt. In Kontaktsperre wurde auch bereits Geständnisse unter Folter beschafft (Isolationshaft ermöglicht Menschenrechtsverstöße)

Aznar fällt mitsamt seiner Partei auch wegen seiner Haltung zum Irak-Krieg und seiner Vasallentreue zu Bush in der Popularität nach einer aktuellen Umfrage immer weiter ab. 30 Prozent halten die Politik der Regierung noch für gut, fast 33 für schlecht. Von Aznar haben mittlerweile 40 Prozent eine schlechte Meinung, bei der letzten Umfrage waren es noch 30 Prozent. Im Augenblick würden, seit 1996 wieder das erste Mal, die PSOE mehr Menschen wählen als die konservative Regierungspartei. 85 Prozent der Spanier lehnen einen Krieg gegen den Irak ab. Im Januar waren es noch 74 Prozent.