Spanische Verhältnisse nun auch in Griechenland?
- Spanische Verhältnisse nun auch in Griechenland?
- Wasser predigen und Prosecco trinken
- Kein Geld, keine Zukunft und eine Stinkwut im Bauch
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Kein Geld, keine Zukunft und eine Stinkwut im Bauch - Griechen protestieren friedlich auf den Plätzen der Großstädten gegen die Parteien
Spaniens Bürger wehren sich nicht nur gegen die eigene Regierung, sie haben auch ihre griechischen Leidensgenossen zum Mitmachen aufgefordert. "Psst, seid ruhig, sonst weckt Ihr die Griechen auf" stand auf einigen Spruchbändern. Die derart brüskierten Griechen reagierten, sie wachten auf und füllen seit Mittwoch die Plätze der Großstädte mit parteiübergreifenden Demonstrationen "wütender Bürger".
"Hätten die Spanier das Plakat nicht in eine blöde Kamera gehalten, dann wäre ich nun daheim und nicht hier", beklagte ein Einsatzpolizist sein Leid. Wie für alle urbanen Märchen gibt es auch für diese Legende eine logische Erklärung. Nicht die Spanier weckten die Griechen, vielmehr hatte eine Gruppe griechischer Studenten in Spanien auf diese Weise versucht, den Funken überspringen zu lassen.
Die Initiatoren des anfänglich von Griechen als hämische Ironie empfundenen Aufrufs erklärten, dass sie keineswegs ihre Landsleute als Schlafmützen bezeichnen wollten. Vielmehr hätten sie im Sinn gehabt, die Spanier auf humorvolle Weise auf die mögliche Streiksolidarität der Griechen hinzuweisen.
So oder so, das Unterfangen hatte offensichtlich Erfolg. Zahlreiche Plakate vom Mittwoch gaben als Antwort: "Wir sind aufgewacht!" Am Donnerstag stichelten die Hellenen selbst: "Franzosen wacht auf, 1968 ist schon lange verstaubt." Gerüchte, dass das Plakat von in Griechenland lebenden Franzosen stammt, haben sich bisher nicht bestätigt.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren erlebten nahezu alle größeren Städte des Landes friedliche Demonstrationen.
Eine Demo als Volksfest
Die zwei bisher in Athen stattgefundenen Protestaktionen hatten beinahe Volksfestcharakter. Ohne Tränengas, ohne vermummte Krawallmacher mit rechten oder linken Fahnen und ohne die üblichen zertrümmerten Schaufensterscheiben blieben auch die sonst für ihre Brutalität gefürchteten MAT-Einsatzpolizisten ruhig. Anders als sonst zeigten sich die Beamten sogar gesprächig und waren offensichtlich erfreut, die lange Standzeit am Platz mit Diskussionen aufzulockern. Im Unterschied zu den spanischen Aktivisten hatten die griechischen Organisatoren kein Alkoholverbot ausgesprochen. "Nehmt Euer Bier und kommt auf die Plätze in den Städten", geisterte als Aufruf durch das Internet.
Die Parolen der Demonstranten waren nicht unbedingt friedfertig. "Brennt das Parlament, das Bordell ab", skandierte die Menge im Chor. "Jeffrey go home", schallte es regelmäßig in Anspielung auf den Kosenamen und die amerikanische Abstammung des amtierenden Premiers Georgios Papandreou. "Bringt das geklaute Geld zurück", "Nehmt einen Hubschrauber, die IWF-Bande und haut ab!", waren weitere Parolen. In Anspielung auf die Zeit der Militärregierung und die Tatsache, dass die nunmehr herrschende Politikergeneration aus den wilden Achtundsechzigern stammt, wurde deren Motto "Brot, Freiheit, Schulbildung" ergänzt um "Die Militärdiktatur endete nicht 1973". Dazu kamen zahlreiche sexistische Flüche gegen Papandreou, Kanzlerin Angela Merkel und weitere Politiker.
Die Griechen empfinden das aktuelle, von der EU und dem Internationalen Währungsfond (IWF) verordnete "Sparprogramm" der Regierung wie eine Besatzung des Landes ohne Präsenz der Besatzungsmacht. Im Mai 2010 hatte Premier Papandreou ohne die verfassungsrechtlich erforderliche Zweidrittelmehrheit des Parlaments ein Memorandum mit dem IWF, der EU und der Europäischen Zentralbank abgeschlossen. In dem Memorandum stehen die Forderungen der Kreditgeber nach einschneidenden Strukturreformen und nach Verringerung der Staatsausgaben. Der IWF forderte gemeinsam mit der EU Griechenland zu umfangreichen Privatisierungen staatlicher Betriebe und zur Aufhebung protektionistischer Interessengruppenpolitik in freien Berufen auf. Gleichzeitig sollte der Staat die galoppierende Inflation eindämmen und für ein gesundes Wirtschaftsklima sorgen.
Der 110 Milliarden Euro Kredit machte für ernsthafte Euroretter nur in Verbindung mit solch harten Maßnahmen Sinn (Ein hellenisches Fass ohne Boden).
Operation gelungen, Patient tot
Um die Durchsetzung ihrer Ansprüche zu gewährleisten hat die IWF-EU-EZB Troika die Auszahlung der Kredite in Raten vereinbart. Regelmäßig wird der Fortschritt der griechischen Regierung mit intensiven Prüfungen vor Ort untersucht. Die Prüfer sind entsetzt, denn außer massiven Kürzungen von Löhnen und Renten, unverhältnismäßig hohen Verbrauchssteuererhöhungen und einer Halbierung des im internationalen Vergleich bereits vor der Krise niedrigen Bildungsetats auf 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts haben die Regierenden nichts zu Stande gebracht.
Zwar konnte diese Weise das rekordverdächtige Staatsdefizit in einer ebenso rekordverdächtigen Weise gesenkt werden, aber gleichzeitig wurde die Wirtschaft in eine rasante Abwärtsspirale geschickt. Das Memorandum gilt als gescheitert, ohne dass es je wirklich eingehalten wurde.