Spanischer Sozialist versucht Flucht nach vorne
Vor der konstituierenden Parlamentssitzung holte sich Sánchez Ratschläge von der Linksfront in Portugal
Schon heute fällt für Pedro Sánchez bei der konstituierenden Sitzung des spanischen Parlaments eine Vorentscheidung. Der Test, ob dem Wahlverlierer eine kleine Chance bleibt, doch noch Regierungschef zu werden, wird die Wahl des Parlamentspräsidenten sein. Gegen die deutlich stärkere rechte Volkspartei (PP), der zweite große Wahlverlierer, will er den ehemaligen baskischen Regierungschef Patxi López zum Parlamentspräsidenten machen und dafür hat er einen Pakt mit den "Ciudadanos" (Bürger) geschlossen.
Dafür braucht er Stimmen verschiedenster Parteien, denn seine PSOE ist auf das historisch schlechteste Ergebnis der Parteigeschichte abgestürzt und landete bei den Wahlen am 20. Dezember mit 22% nur knapp vor der neuen Partei "Podemos" (Wir können es). Es entstand eine Patt-Situation bei den Wahlen. Weder können die Rechtsparteien gemeinsam regieren - und auch den Sozialdemokraten reichen die Stimmen von Podemos allein nicht, um Regierungschef zu werden oder einen Parlamentspräsidenten durchzusetzen.
Sánchez schielt deshalb nach Portugal, wo es ganz ähnlich aussah und sich gegen die Erwartungen vieler Beobachter, über alle historischen Gräben hinweg, im November eine Linksregierung gegen die stärkeren Konservativen bilden konnte. Denn die hatten keinen Partner gefunden, um eine Mehrheit zu erhalten. Der Spanier will irgendwie dem Beispiel des Sozialistenchefs António Costa folgen. Deshalb führte sein Weg nach den Wahlen bisher nicht zu Sigmar Gabriel nach Berlin, um sich über Erfahrungen der Sozialdemokraten mit einer großen Koalition zu unterhalten, sondern er besuchte vergangene Woche Portugal.
Dem Werben des konservativen Regierungschefs Mariano Rajoy, dem deutschen Beispiel zu folgen, schmetterte er immer klarer ein "Nein" entgegen, wie zuletzt im Interview mit dem Fernsehsender "Sexta". Das erstaunte viele, denn der Druck in diese Richtung wurde mit der überraschenden Regierungsbildung in Katalonien stärker, die nun den Weg in Richtung Unabhängigkeit forcieren will. Doch für diese Situation macht Sánchez Rajoy verantwortlich, der die "Konfrontation verschlimmert" habe, weshalb ein "politischer Wandel in Spanien dringender" wie je zuvor sei. Er verwies dabei auch auf "positive" Erfahrungen in Portugal. "In Spanien können wir etwas Ähnliches wie in Portugal machen, eine Allianz von progressiven Kräften."
Da er aber einen Pakt mit Basken und Katalanen ablehnt, die für die Unabhängigkeit eintreten, setzte er nun im Interview zum Eiertanz und zum Spagat an. Er definierte nicht, was progressiv für ihn bedeutet und sprach davon, seine PSOE teile mit Podemos und mit den "Ciudadanos" (Bürger) den "Weg des Wandels". Dass es sich bei den Bürgern aber um eine rechte Partei handelt, ist auch Sánchez klar. "Wir wollen uns mit Podemos und Ciudadanos verstehen, Brücken nach links und nach rechts bauen", sagte er. So versuchte er einen irgendwie gearteten "Wandel" mit "progressiv" gleichzusetzen.
Die "Bürger" vertreten aber eher noch neoliberalere Vorstellungen als die PP, sind fast noch ausländerfeindlicher als die Partei, aus der auch viele Kader wie der Parteichef Rivera kommen. Deshalb hätte ein Bündnis mit ihnen nichts mit dem Beispiel Portugal nichts zu tun. Dort regieren Sozialisten die Unterstützung des marxistischen Linksblock (BE) und der grün-kommunistischen CDU und beendeten die Austeritätspolitik, erhöhten Löhne und Renten und senkten Steuern, um die breite Bevölkerung von den harten Einschnitten der neoliberalen Politik der Konservativen zu entlasten, was Sánchez begrüßt hat. Das könnte er auch mit Podemos angehen, die auch in der Frage Kataloniens eine andere Politik als die Bürger vertreten.
Sánchez propagiert verzweifelt dieses unmögliche Bündnis, weil es um sein politisches Überleben geht, das nur als Regierungschef gesichert wäre. Diesen Posten könnte er nur erreichen, wenn er auf Podemos zugeht. Podemos-Chef Pablo Iglesias hatte am Dienstag Sánchez jeoch aufgefordert, zwischen neoliberaler Austeritätspolitik mit den Ciudadanos oder einen Bruch damit mit Podemos zu wählen. "Die PSOE muss sich zwischen einem Abkommen mit der PP und den Ciudadanos oder mit uns entscheiden", sagte er.
Podemos hat keinen wirklichen Anlass, sich auf Teufel komm raus auf einen Pakt mit der PSOE einzulassen. Sie kann bei Neuwahlen darauf hoffen, die zerstritten Sozialdemokraten zu überflügeln, um danach eine Regierungsbildung unter ihrer Führung zu versuchen. Nicht wenige Beobachter glauben, dass Iglesias genau deshalb nach den Wahlen das katalanische Selbstbestimmungsrecht ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt hat.