Spannung und Wut steigen in Katalonien

Seite 2: Das Versagen der Europäischen Union

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Politisch richtet der Blick nun auf eine internationale Vermittlung, die auch Hunko erhofft und fordert. Sie wird immer breiter verlangt. Dass die EU diese Rolle nach dem bisherigen Verhalten von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker übernehmen kann, hält er für fraglich. Der hat sich ziemlich unklug hinter die nach dem Völkerrecht unhaltbare Position Spaniens gestellt. "Unter der spanischen Verfassung war die gestrige Abstimmung nicht legal", ließ der EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Montag einen Sprecher erklären. Dies seien "Zeiten für Einheit und Stabilität" und nicht die von "Gespaltenheit und Zersplitterung". Wohin solch eine Haltung führt, hat der Brexit gezeigt.

Unter dem öffentlichen Druck hat die EU den Konflikt mit Katalonien nun auf die Agenda gesetzt und ruft ebenfalls zum Dialog auf. Man hofft in Brüssel, dass "sie sich zusammensetzen". Am Dienstag hat Juncker mit den Kommissaren über das Thema debattiert. Vizepräsident Jyrki Katainen erklärte auf einer Pressekonferenz, dass die Kommissare die Situation verfolgt hätten. Man habe "nicht besprochen, was gemacht werden könnte und sollte". Man kann das merkwürdigerweise erneut als Aufforderung lesen, sich endlich unabhängig zu erklären, weil es dann keine "interne Angelegenheit" von Spanien mehr ist. Spanien wurde erneut gewarnt: "Gewalt kann kein politisches Instrument sein." Heute wird über die Frage im Europaparlament debattiert.

Der Ruf nach Dialog schallt nun aus allen Ecken. Nachdem Spanien sieben Jahre lang nicht geredet hat, sieht es nun auch nicht danach aus, dass Rajoy diese Haltung aufgeben würde. Auch deshalb fordern die spanischen Linksparteien Podemos (Wir können es) und Vereinte Linke seinen Rücktritt. Die Sozialisten (PSOE) müssten endlich einen Misstrauensantrag stellen, damit ein Raum für den Dialog eröffnet werden kann.

Auch der PSOE-Chef Pedro Sánchez hat beim Treffen mit Rajoy am Montag einen "Dialog" mit Puigdemont und mit den Linksparteien gefordert. Reale Schritte unternimmt er aber nicht. Die PSOE will bisher nur die spanische Vizepräsidentin im Parlament offiziell "rügen" lassen. Soraya Sáenz de Santamaría sei als Ministerin für Katalonien für die Vorgänge verantwortlich, sagte die Sprecherin Margarita Robles. Was man damit erreichen will, ist wohl auch dem PSOE-Chef nicht klar.

Klar ist dagegen, dass die Zeit drängt, da sich das Zeitfenster schließt. Das katalanische Referendumsgesetz sieht eine Unabhängigkeitserklärung in 48 Stunden nach der Veröffentlichung der Abstimmungsergebnisse und einer Ja-Mehrheit vor. Erwartet wird dies am Mittwoch, doch hier hat Puigdemont noch etwas Spielraum, auch was die Anberaumung der Parlamentssitzung angeht, auf der die Unabhängigkeitserklärung beschlossen wird. Spätestens am Montag oder Dienstag kommender Woche ist die Zeit aber abgelaufen.

Spanische Regierung setzt weiter auf Macht und verweigert einen Dialog

Die spanischen Rechtsparteien gießen derweil aber weiter Öl ins Feuer. Die Ciudadanos, die Rajoy stützen (die gemeinsam aber keine Mehrheit haben), fordern vom Ministerpräsident die Aussetzung der katalanischen Autonomierechte. Dabei müsste Rivera klar sein, dass der von ihm angesprochene Artikel 155 der Verfassung nur unter Verfassungsbruch angewendet werden kann. Verfassungsrechtler haben immer wieder darauf hingewiesen, dass man es dabei mit einem "verfahrenstechnisch komplizierten und langwierigen" Vorgang zu tun hat.

Dass man in Madrid weiter auf Krawall gebürstet ist, machte der PP-Sprecher im Parlament Rafael Hernando deutlich. Er nannte den Streik heute von einem "politischen Nazi-Streik". Obwohl seine Partei Mittel zur Aufstandsbekämpfung einsetzen ließ, die auch tödlich sein können, warf er den linken katalanischen Linksparteien CUP und ERC vor, "Tote zu wollen". Er forderte von Puigdemont, die "Konfrontation" zu stoppen und sich nicht länger hinter "gewalttätigen Haufen" zu verstecken, so als hätten dessen Regierung oder die Katalanen brutale Gewalt eingesetzt.

Man fragt sich immer stärker, wen die Postfaschisten in Madrid damit beeindrucken wollen. Die Bilder sind mehr als klar, die auch die wohl unverdächtige britische BBC veröffentlicht hat. Es ist mehr als klar, wer Gewalt anordnet und anwendet. Es ist auch bekannt, dass die Parteigründer der PP noch mit den deutschen Nazis zusammengearbeitet haben und mit Bomben der Legion Condor katalanische, baskische und spanische Antifaschisten massakriert haben, die die gewählte Republik gegen den faschistischen Putsch verteidigt haben. Davon hat sich die PP bekanntlich nie distanziert. Es wäre jetzt an der Zeit, dass Merkel, die es zuletzt 2014 versäumte, sich bei der Bevölkerung von Guernica zu entschuldigen, klare Worte spricht.