Speed Matters VI

Celera hat geschlampt

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Das umstrittene, von Craig Venter geleitete Unternehmen Celera, das in einen Wettlauf mit dem Human Genome Project getreten ist und vor kurzem verkündet hatte, das Genom des ersten Menschen sequenziert zu haben, scheint einen Fehler begangen zu haben, der den Kritikern Recht zu geben scheint. Die haben, vornehmlich dem HPG angehörend, stets Celera vorgeworfen, dass die von diesem eingesetzte "Schrotschuss"-Methode nur ungenaue Ergebnisse liefere, und dass das Unternehmen mit dem Motto "Speed matters" Geschwindigkeit vor Genauigkeit setze.

Nach der Erfolgsmeldung von Celera, endgültig das mit öffentlichen Geldern finanzierte HGP bei der Sequenzierung des menschlichen Genoms überholt zu haben, ist wiederum viel Kritik am Auftreten und an der Arbeitsweise des Unternehmens laut geworden. Erst letzte Woche hatte Craig Venter noch einmal in einem Gespräch mit BBC verkündet (Human genome: A private vs public battle, dass man in einigen Wochen die Sequenzierung des menschlichen Genoms abgeschlossen haben werde und dass diese von hoher Qualität sei, und wieder kritisierte er das HGP, das für ihn zu unberechtigter Kritik greife, weil es die Milliarden von Dollar Steuergelder, die in das Projekt gesteckt wurden, rechtfertigen müsse. Wenn das HGP sage, ihre Sequenzierungsdaten seien genauer, dann würden sie schwindeln, denn diese seien noch ungeordnet. Und wieder betonte Venter, wie schnell man bei Celera gearbeitet und praktisch in einem Jahr mehr geleistet habe als das HGP in über 10 Jahren.

John Sulston, Direktor des Sanger Centre, drehte hingegen den Spieß um und sagte, es treffe nicht zu, dass Celera weiter als das HGP, da man schließlich schon drei Viertel des Genoms sequenziert habe: "Ich hasse es, dies auf eine solche Weise zu diskutieren, aber ich muss sagen, dass wir weiter sind als sie - und nicht umgekehrt." Man werde bald eine vollständige Sequenzierung in "begrenzter Qualität", was aber nicht heiße, dass dies in völlig ungeordnet sei, wie Venter behauptet. Da man die Daten im Gegensatz zu Celera schnell der Öffentlichkeit zugänglich mache, könnten Fehler auch schneller entdeckt werden, also ganz so, wie auch die Qualität von Open Source Software beurteilt wird.

Vor kurzem hatte Celera zusammen mit Wissenschaftlern von der University of California und dem Baylor College of Medicine das sequenzierte Genom der Fruchtfliege veröffentlicht. Für Celera war das Genom der Fruchtfliege ein Test für die Genauigkeit des eingesetzten Verfahrens, aber auch für die Sequenzierung des menschlichen Genoms. Überdies wurde die Veröffentlichung der Daten als Demonstration dafür präsentiert, dass Celera Daten nicht der Öffentlichkeit vorenthält, wie Kritiker dem Unternehmen vorwerfen. Das "vollständig", was allerdings nur heißt: großenteils sequenzierte Genom der Fruchtfliege wurde in Science und über die GenBank des National Center for Biotechnology Information veröffentlicht.

Wissenschaftler, die die Genbank betreuen, hatten allerdings vor kurzem festgestellt, dass in dem genetischen Code der Fruchtfliege irrtümlicherweise auch Stücke des menschlichen genetischen Codes enthalten waren. Sie befanden sich in den Fragmenten, die in das Genom der Fruchtfliege nicht eingeordnet werden konnten. Celera hat zwar wenige Tage, nachdem man von dem Irrtum erfahren hatte, die Daten korrigiert, doch natürlich ist dieser Fehler ein gefundenes Fressen für die Kritiker, die Celera vorwerfen, alles daran zu setzen, möglichst als erster und möglichst schnell das Genom des Menschen sequenzieren und sich damit interessante Gene sichern zu wollen.

Celera sagte dazu, dass beim Sequenzieren normalerweise auch fremde DNA auftauche, aber dass dies keine Auswirkungen für die wissenschaftlichen Forschungen habe. Steve Scherer vom Baylor College of Medicine, das am HGP beteiligt ist, meint hingegen, dass der Irrtum dennoch die Genauigkeit der Analyse in Frage stelle: "Natürlich können auch die Menschen, die am öffentlichen Projekt der Sequenzierung beteiligt sind, Fehler machen. Aber ich glaube nicht, dass die öffentliche Seite solche Ansprüche erhebt. Wenn das öffentliche Projekt diesen Fehler begangen hätte, dann wäre Celera über uns alle hergefallen."

Craig Venter hingegen behauptet, dass solche Fehler beim HGP immer wieder gemacht worden seien, ohne dass Celera lautstark darauf hingewiesen hätte. Für ihn wird die Sache aufgebauscht, weil es um politische Motive gehe: "Man hat immer wieder gesehen, dass Menschen diese unglaublich emotionalen Behauptungen machen. Wir versuchen, die Schnellstraße zu benutzen, die Dinge zu verändern und die Wissenschaft zu verbessern, aber wir verärgern dadurch offensichtlich einige." Unterstützung bekam Venter allerdings auch von David Lipman, dem Direktor des National Center for Biotechnology Information, der sagte, dass dies kein großer Fehler gewesen sei, aber auch von Gerald Rubin, dem Leiter des öffentlichen Fruchtfliegenprojekts, mit dem zusammen Celera das sequenzierte Genom veröffentlicht hatte, der dies als "absolut trivial" bezeichnete. Gleichwohl scheinen weitere Konflikte zwischen dem öffentlichen Projekt und Celera programmiert zu sein. Schließlich geht es nicht nur um die gegenseitigen Vorwürfe, ungenau zu arbeiten, sondern auch um die Frage, wann und wie die Daten des menschlichen Genoms veröffentlicht werden und wer sich womöglich am schnellsten Eigentumsrechte an interessanten Genen sichern kann.