Spiel mit dem Feuer
Die israelischen Angriffe auf Syrien könnten die Situation in der Region kippen lassen
Israel hat Syrien erneut angegriffen und in der Nacht zum Sonntag Ziele in der Nähe von Damaskus bombardiert (Gezielte Militärschläge auf syrischem Terrain). Vier große Explosionen waren nach Zeugenberichten zu hören. Getroffen wurde nach anonymen israelischen Quellen ein Waffenlager, in dem sich Fateh-110-Raketen mit einer Reichweite von 300 km für die Hisbollah befunden haben sollen, zerstört wurden aber vermutlich auch Kasernen von Eliteeinheiten und, wie auch die syrische Regierung bestätigt, ein militärisches Forschungszentrum, das schon am Freitag bombardiert worden war und das mit der Entwicklung von chemischen Waffen in Verbindung gebracht wird. Zudem soll, wie ein Video zeigt, ein Hühnerstall getroffen worden sein. Genaues ist noch immer nicht bekannt.
Rätselraten herrscht, was die israelische Regierung mit den wiederholten Angriffen wirklich bezweckt (Bomben ins Blaue). Geht es wirklich nur darum, Waffenlieferungen an die Hisbollah zu verhindern? Oder will Israel nun doch in den syrischen Bürgerkrieg eingreifen? Will man die Rebellen, die man aber gleichzeitig fürchtet, sofern es sich um Islamisten handelt, stärken, nachdem sie in letzter Zeit starke Verluste erlitten hatten? Handelt es sich um Drohungen gegen den Iran? Will man die USA und andere westliche Staaten bewegen, auch militärisch zu intervenieren, nachdem für US-Präsident Obama der angeblich Einsatz chemischer Waffen, zuerst auch von israelischer Seite gemeldet, die angekündigte "rote Linie" nicht überschritten hat? Die US-Regierung stellt sich zwar hinter Israel, will aber offenbar nicht weiter in den Konflikt hineingezogen werden, was aber immer schwieriger wird.
Für das syrische Regime , so staatliche Medien, ist klar, dass Israel damit den Rebellen helfen wollte und mit den "Terroristen" eine Verschwörung gegen Syrien ausheckt. Der syrische Informationsminister Omran al-Zoabi erklärte, der Angriff eröffne alle Optionen. Vizeaußenminister Faisal Mekdad warnte, man werde "mit allen nur möglichen Mitteln" neue Angriffe verhindern, und sprach von einer "Kriegserklärung", die Israel mit den Angriffen gemacht habe. Israel und Syrien befinden sich allerdings formell sowieso noch im Krieg, aber die Situation ist nun aufgeheizt, auch wenn das syrische Regime kein Interesse an einer militärischen Auseinandersetzung mit Israel haben dürfte. Die beiden letzten Angriffe haben wie die früheren gezeigt, dass die syrische Luftabwehr für Israel kein Problem darzustellen zu scheint.
Viel wahrscheinlicher ist, was wohl auch in Israel vor allem gefürchtet wird, dass Syrien mit der Hilfe des iranischen Verbündeten, der die syrischen Streitkräfte gegen Israel stützen wollen, Hisbollah antreibt, Israel wieder mit Raketen unter Beschuss zu nehmen oder einen Angriff mit Drohnen zu führen, die die Hisbollah schon öfter Richtung Israel geschickt hatte. Dafür würde sprechen, dass angeblich Syrien seine Raktensysteme nach Israel ausrichtet und die Hisbollah, die immer stärker in Syrien involviert ist, mit neuen Waffen versorgen will. Aus diesem Grund wurden zwei Batterien des Luftabwehrsystems Iron Dome an der Nordgrenze stationiert und der nördliche Luftraum gesperrt.
Syriens Regierung hat sich in einem Brief an die Vereinten Nationen gewandt und sich über den Angriff beschwert, UN-Generalsektretär Ban Ki-moon ließ mitteilen, er sei sehr besorgt wegen der Angriffe, habe aber keine genauen Informationen. Israel forderte er auf, ohne das Land zu nennen, die "nationale Souveränität und territoriale Integrität" zu achten. Er rief alle Länder zur größtmöglichen Zurückhaltung auf.
Die Vereinten Nationen muss Israel auch dieses Mal nicht fürchten, aber es könnte durchaus sein, dass die Stimmung in der Region umkippt, was nicht nur Israel betreffen würde, sondern auch die Situation der syrischen Aufständischen, die sich bereits von Israel distanziert haben. Der Iran versucht, die Solidarität der anderen arabischen Staaten wegen des Angriffs gegen Israel zu mobilisieren, tatsächlich haben die Arabische Liga, Ägypten und der Libanon die Angriffe verurteilt, weil sie internationales Recht verletzen. Angeblich hat der im Irak einflussreiche schiitische Führer al-Sadr seine Anhänger aufgefordert, auf die israelische Angriffe zu antworten.
Viele Parteien spielen in der Region mit dem Feuer. Es braucht nicht viel, damit es wieder einmal ausbricht - und hochgerüstet sind viele Staaten in der Region.