Spielt Feinstaub eine Rolle bei der Entstehung von Autismus?
Nach einer Langzeitstudie von Kindern in Shanghai ist das Risiko für eine Autismuserkrankung bei hohen PM1-Werten um 86 Prozent erhöht
Vermutet wurde schon länger, dass es einen Zusammenhang zwischen Autismus und Luftverschmutzung geben könnte. 2012 hatten kalifornische Wissenschaftler eine Studie veröffentlicht, die einen Zusammenhang mit Luftverschmutzung durch den Verkehr nahelegte. Kinder mit autistischen Symptomen befanden sich im Vergleich zu gesunden Kindern bis zu dreimal häufiger während der Schwangerschaft und im ersten Lebensjahr an Wohnorten, die die höchste Luftverschmutzung durch Stickstoffdioxid und Feinstaub (PM 2,5 und PM 10) aufwiesen.
In einer jetzt in Enviromental International veröffentlichten Studie bestätigen Wissenschaftler diesen Zusammenhang, allerdings beschränkt auf Feinstaub. Die Wissenschaftler von der School of Public Health and Preventive Medicine an der Monash University untersuchten in einer ersten Langzeitstudie 124 Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung und 1240 gesunde Kinder als Kontrollgruppe in Shanghai. Die Kinder wurden erstmals im Alter von der Geburt bis 3 Jahre untersucht und dann mehrmals weiter über neun Jahre. Die Feinstaubkonzentration für PM1, PM 2,5 und PM 10 wurde von Satellitendaten abgeschätzt. Der Median der Aussetzung betrug 48.8 μg/m3, 66.2 μg/m3 und 95.4 μg/m3.
Das Ergebnis dürfte einen Zusammenhang, natürlich keine Kausalität, zwischen der Aussetzung an Feinstaub in den ersten Lebensjahren und dem Entstehen von Autismus belegen. Offenbar ist der Zusammenhang im zweiten und dritten Jahr ausgeprägter. Je kleiner die Partikel sind, desto stärker ist der Zusammenhang. Bei PM1 wird das Risiko für eine Autismuserkrankung um 86 Prozent erhöht, bei PM2,5 sind es 78 Prozent und bei PM10 1,68 Prozent. Feinstaub enthält u.a. Kohle-, Schwefeldioxid und organische Verbindungen, die durch den Verkehr, die Industrie und das Verbrennen fossiler Energie entstehen.
Die sich entwickelnden Gehirne junger Kinder sind empfindlicher gegenüber toxische Aussetzungen in der Umwelt", sagt Yumin Guo, einer der Autoren. Verschiedene Studien haben darauf hingewiesen, dass sie die Gehirnfunktionen und das Immunsystem beeinflussen können. Diese Wirkungen könnten den starken Zusammenhang erklären, den wir zwischen der Aussetzung an Luftschadstoffen und dem Immunsystem gefunden haben." Die schweren Folgen von Luftverschmutzung seien gut dokumentiert, sie würden nahelegen, "dass es keine sichere Obergrenze" gibt: "Selbst die Aussetzung an sehr kleine Mengen von Feinstaub wurde mit Frühgeburten, verzögertes Lernen und einer Reihe von schweren gesundheitlichen Schäden wie Herzerkrankungen in Zusammenhang gebracht."
Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Theorien für die Entstehung von Autismus, das selbst ein Krankheitsbild mit verschiedenen Ausprägungen und einer Reihe von Verhaltensauffälligkeiten ist. Dabei scheint es ein Zusammenspiel von Genen und Umweltfaktoren zu geben. Eine monokausale Erklärung dürfte es nicht geben. Feinstaub könnte womöglich das Immunsystem junger Kinder beeinträchtigen, was sich auf die Entstehung von Autismus auswirken könnte. Wenn gerade die kleinsten Feinstaubpartikel von unter einem Mikrometer das größte Risiko eines Zusammenhangs zwischen Luftbelastung und Autismusentstehung mit sich bringen, müsste hier für mehr Schutz gesorgt werden. "Geht man davon aus, dass PM1 etwa 80 Prozent der PM2.5-Luftverschmutzung in China ausmacht", so Guo, "sind weitere Studien über die gesundheitlichen Folgen und Toxität erforderlich, um die Politiker anzustoßen, Maßnahmen zur Kontrolle der PM1-Luftverschmutzung in der Zukunft zu entwickeln."