Standards setzen
China plant einen eigenen internationalen Investitionsschutzmechanismus
China wird wirtschaftlich immer bedeutender. Nach Schätzungen der Weltbank betrug der Beitrag Chinas zum weltweiten Wirtschaftswachstum zwischen 2012 und 2016 etwa ein Drittel. Und das Reich der Mitte strebt nach Unabhängigkeit von westlicher Wirtschaftsmacht: Schritt für Schritt baut Peking die Stellung der chinesischen Währung an den Weltmärkten aus und hat vor einigen Jahren auch eine eigene Entwicklungsbank kreiert, die als Konkurrenz zu westlichen Einrichtungen wie der Weltbank gedacht ist.
Nun ist Peking entschlossen, ein weiteres Feld der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik mit eigenen Institutionen zu besetzen: Für die Neue Seidenstraße (Belt & Road, B&R) wird ein internationaler Investitionsschutzmechanismus im chinesischen Stil geplant, der auch Streitschlichtungsinstanzen einschließen soll.
Denn China hat seit ihrem Start 2013 viele Milliarden US-Dollar in die Neue Seidenstraße investiert - und es soll noch erheblich mehr Geld fließen und noch mehr gebaut werden. Insgesamt sind Infrastrukturprojekte im Umfang von umgerechnet etwa 900 Milliarden US-Dollar geplant.
Davon werden zum Beispiel Häfen in Sri Lanka und Pakistan gebaut, Eisenbahnstrecken in Afrika, Südost- und Zentralasien finanziert und Pipelines für Öl und Gas quer durch die asiatische Landmasse gezogen. Es ist weltweit das mit Abstand größte Infrastrukturprojekt und nur vergleichbar mit dem Marschallplan der USA nach Ende des Zweiten Weltkriegs für Deutschland und Westeuropa.
Sorgen um Investitionssicherheit
Mit den Ausgaben wächst die Sorge, dass Konflikte um Investitionen oder Investitionsvorhaben ausbrechen und China - und die chinesischen Unternehmen, die die Vorhaben verwirklichen - um die Früchte der Anstrengungen gebracht werden könnten. Zwar existieren längst internationale Schiedsstellen, die über derartige Streitigkeiten urteilen. Der bekannteste ist das Internationale Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) und auch die Welthandelsorganisation (WTO) verfügt über eine solche Einrichtung.
Doch hat Peking im Zusammenhang mit Belt & Road nicht nur mit angelsächsischem und kontinentaleuropäischem Recht, sondern auch mit islamischen und chinesischen Rechtsvorstellungen zu tun. Darüber hinaus mangelt es in vielen B & R - Ländern an einer effektiven Rechtsdurchsetzung.
Zudem klagt Peking darüber, dass die Verhandlungen vor dem ICSID langwierig und - zumindest für ärmere Entwicklungsländer - mit mindestens einer halben Million US-Dollar für eine Klage - zu kostspielig sind. Auch habe der ICSID Klagen chinesischer Firmen schon als unbegründet zurückgewiesen. Die Mechanismen der WTO, die vornehmlich in Handelssanktionen bei festgestellten Verstößen gegen die vereinbarten Handelspraktiken bestehen, hält Peking zwischen Entwicklungsländern für unwirksam.
Dazu ist der Süd-Süd-Handel wohl noch nicht bedeutend genug. Und schließlich, so die Argumentation Pekings, beruhe das internationale Streitschlichtungsregime für Investitionsstreitigkeiten auf maritimem Recht. Die Belt & Road Initiative sei aber vornehmlich auf den innerasiatischen Handel über Land ausgerichtet. Ein weiterer Grund für den chinesischen Vorstoß dürfte sein, dass China sowohl von den Verhandlungen über ein Transatlantisches (TTIP) als auch von denen über ein Transpazifisches Freihandelsabkommen (TPP) mit Bedacht ausgeschlossen wurde.
Vorstoß in die Lücke
Aus all diesen Gründen will Peking jetzt die Zuständigkeiten bereits existierender Schiedsgerichte in den chinesischen Freihandelszonen mit zusätzlichen Kompetenzen ausstatten und falls nötig, um eine weitere Instanz ergänzen, die für etwaige Konflikte mit B&R-Bezug zuständig ist. Das Vorhaben gilt laut der - der chinesischen kommunistischen Partei nahe stehenden - Global Times als "extrem dringend".
Die Eile kann damit zu tun haben, dass sowohl TTIP als auch TPP von den USA zumindest derzeit auf Eis gelegt sind und China nun in diese Lücke stoßen will. Denn sicherlich hat man im Reich der Mitte genau zugehört, als Anders Rasmussen, der ehemalige NATO-Generalsekretär, TTIP vor einiger Zeit mit einer "wirtschaftlichen NATO" verglichen hat.
Auch die Europäische Union ist nach wie vor bemüht, in neuen weitreichenden Handelsabkommen Standards zu setzen. Und ähnlich wie in Peking hofft man wohl darauf, die eigenen Normen weltweit durchsetzen zu können, wenn man nur ausreichende wirtschaftliche Schlagkraft repräsentiert. Brüssel setzt besondere Hoffnungen in das Wirtschafts- und Handelsabkommen mit Kanada (CETA) das ja bereits im September 2017 - wenn auch ohne Ratifizierung und nur vorläufig- in Kraft getreten ist.
Auch dieses Abkommen schließt ein - noch einzurichtendes - Investitionsschiedsgericht ein. In Bezug auf die chinesischen Pläne hält man sich in Brüssel derzeit bedeckt und verweist lediglich darauf, dass man die jüngsten Ankündigungen aus Peking noch analysiere. Das ist auch nötig, denn allein der Duisburger Binnenhafen wird mittlerweile wöchentlich von etwa 25 Güterzügen aus China angefahren.
Denn einerseits wird auch mit Peking seit 2013 über ein Investitionsabkommen geredet; allerdings stocken die Gespräche bereits seit längerem. Ein Hindernis sind die neuen Anti-Dumping Regeln, die die EU im November 2017 verabschiedet hat und die sich dezidiert gegen chinesische Stahlexporte richten.
Andererseits könnte ein erster Test der neuen Investitionsregime schon bald bevorstehen. Denn die EU hat im Dezember 2017 ein Freihandelsabkommen mit Japan vereinbart, das wie ein Klon des CETA-Investitionsregime wirkt.
Andererseits kann Tokio es sich kaum erlauben, seine Wirtschaftsbeziehungen zu Asien zu vernachlässigen. Deshalb werden japanische Firmen - je nachdem wo sie wie investieren - vielleicht schon bald mit sehr unterschiedlichen Rechtsauffassungen und Schiedsgerichtsbarkeiten zu tun bekommen. Dass dies konfliktfrei verlaufen wird, ist kaum anzunehmen.