"Statt von Kampfdrohnen sollte von Killerdrohnen gesprochen werden"
Seite 2: Terror gegen die Zivilbevölkerung
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Tatsächlich wird immer wieder angeführt, man müsse eigene Soldaten schützen. Geraten die Opfer von Drohnenangriffen aus dem Blickfeld?
Peter Förster: In der Tat: Die Sicht der Opfer hat bisher in der von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer gerühmten, durch den Bundestag organisierten Debatte keine Rolle gespielt, obwohl die Friedensbewegung dies von Anfang an eingefordert hat. Daran werden zum einen die Verlogenheit und der Zynismus der Bundesregierung deutlich, die sich ja auch zu der Aussage versteigt, der Drohnenkrieg würde dabei helfen, Menschenrechte zu achten.
Die Aussagen der Betroffenen und auch von Whistleblowern, die direkt am Drohnenkrieg beteiligt waren, zeigen dagegen: Diese Waffe trifft und terrorisiert die Zivilbevölkerung. Statt von Kampfdrohnen sollte von Killerdrohnen gesprochen werden - ein Luftkampf in diesem Sinne findet ja nicht statt, vielmehr muss die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten jederzeit mit Terror aus der Luft rechnen, ohne die Möglichkeit, sich zu ergeben. Man stelle sich umgekehrt einmal vor, wie wir hier in Deutschland einen solchen Zustand empfinden würden.
Und das Unsere-Soldaten-Argument?
Peter Förster: Das wird mantramäßig von der Drohnenbefürworter wiederholt: Es ist durch und durch perfide, wie hier die Soldaten, ihr Leben und ihre psychische und physische Unversehrtheit instrumentell benutzt werden, um massive Aufrüstung politisch durchzusetzen. Kampfdrohnen sind Angriffswaffen, es geht nicht um den Schutz der Soldaten, sondern um die Ausweitung der Auslandseinsätze der Bundeswehr. Dieses Ziel haben Verteidigungsminister und Verteidigungsministerinnen der Union immer wieder betont.
2014 erklärte Ursula von der Leyen im Bundestag, "dass nach der Beendigung des Isaf-Einsatzes in Afghanistan vorerst kein Szenario für den Einsatz eines solchen Waffensystems bestehe, aber die Regierung müsse auch an zukünftige mögliche Einsätze denken".
Seit der Beendigung des NATO-Einsatzes ISAF 2014 und der damit einhergehenden Reduzierung der Militärpräsenz in Afghanistan ist kein einziger Soldat der Bundeswehr mehr durch gegnerisches Einwirken gestorben. In allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr erreicht die Zahl der Selbsttötungen mit 24 fast die der 30 Soldaten, die bei diesen Einsätzen durch den militärischen Gegner getötet wurden. Diese Zahlen gehen aus einer Antwort der Bundesregierung aus einer Kleinen Anfrage hervor.
Jakob Foerster: Ich möchte kurz ergänzen, dass in den USA dieses Verhältnis noch gravierender ist: Alleine 2012 sind circa 7.500 Veteranen durch Selbstmord verstorben, dazu 177 aktive Soldaten. 176 Soldaten sind in dem Jahr in Kampfhandlungen getötet worden.
Peter Förster: Die Nutzung von Kampfdrohnen würde den aggressiven Charakter der deutschen Auslandseinsätze erheblich verschärfen. Es ist absehbar, und beim Drohnenkrieg der USA bereits zu beobachten, dass ein terroristischer Krieg, wie es der Drohnenkrieg ist, zu verstärkter Gegengewalt führen wird und das Leben auch von Soldaten verstärkt gefährden wird. Ganz zu schweigen von den posttraumatischen Belastungsstörungen, denen die Drohnenpiloten ausgesetzt sind. Die Whistleblower aus den USA weisen genau darauf hin. Übrigens lehnt das Darmstädter Signal, eine Organisation kritischer Bundeswehrsoldaten, Kampfdrohnen ab.
Keine Definition von autonomen Waffensystemen
Drohnen werden immer noch von Menschen gesteuert. Wo liegt die Gefahr?
Jakob Foerster: Bewaffnete Drohnen öffnen ein gefährliches Einfallstor für autonome Waffen. Der Unterschied zwischen einer bewaffneten und nicht bewaffneten Drohne ist klar abgegrenzt, leicht verständlich und einfach zu definieren.
Im Gegensatz dazu gibt es keine solche klare Linie zwischen autonomen und ferngesteuerten Waffen. Wie ich in meinem offenen Brief ausführe, ist dies unter anderem daran ersichtlich, dass es der internationalen Gemeinschaft nicht gelungen ist, sich auf eine gemeinsame Definition von autonomen Waffensystemen zu einigen.
Die Gefahren lassen sich auch an dem Beispiel von selbstfahrenden Autos verdeutlichen: Schon seit längerer Zeit verkauft etwa Tesla alle ihre Elektroautos mit Hardware, die "autonomy ready" ist. Das heißt, dass der Übergang von menschlicher Entscheidung zur Teil- oder Vollautonomie nun durch ein Software Update stattfinden kann. Wie wir auch an diesem Beispiel sehen, ist dies oft ein schleichender Prozess, in dem kontinuierlich weitere Entscheidungen von KI-Systemen übernommen werden.
Genauso ist davon auszugehen, dass auch die nächste Generation von Menschen gesteuerten Drohnen mit Hardware ausgestattet sein wird, die den Anforderungen für Teil- und Vollautomatisierung genügt.
Dennoch hat das Bundesverwaltungsgericht unlängst Klagen von Jemeniten abgewiesen, die damit die Bundesregierung zwingen wollten, gegen Drohneneinsätze vorzugehen, die von der US-Basis in Ramstein ausgeführt werden. Drohen Drohnenkriege sich rechtlichen Kontrollmechanismen zu entziehen?
Jakob Foerster: Diese Entwicklung ist bereits jetzt zu beobachten, Drohnenkriege finden häufig ohne formale Kriegserklärung statt. Dazu kommt das Problem, dass angesichts schleichender Automatisierungsprozesse nicht mehr nachvollziehbar ist, wo Menschen überhaupt noch in die Entscheidungsfindung eingreifen. Wenn in einem Krieg durch gezielte Kriegsverbrechen oder sonstiges menschliches Fehlverhalten Menschenleben gefährdet oder ausgelöscht werden, sind die Regierungen und Soldaten nach internationalem Recht verantwortlich.
Im Gegensatz dazu ist die rechtliche Haftbarkeit für autonome Drohnen und deren technische Fehler wesentlich schwerer zu definieren und könnte dadurch das internationale Recht aushebeln. Damit sind wir noch nicht einmal auf der Ebene der ethisch-moralischen oder politischen Bewertung der Sinnhaftigkeit dieser Waffensysteme.
Dennoch ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eindeutig.
Jakob Foerster:Ich bin kein Jurist, denke aber, dass das Bundesverwaltungsgericht hier anders hätte entscheiden können und müssen. Ich kann nicht sehen, inwiefern dieser Krieg wie auch die Ermöglichung durch die Air-Base Ramstein irgendwie mit dem Völkerrecht vereinbar sind.
Als jemand, der seit Jahren in den USA forscht und lebt möchte ich an die deutsche Zivilgesellschaft und die Institutionen appellieren: Es gibt eine andere USA als das Trump-Land, ich erinnere nur an die "Our lives matter" Bewegung gegen Schusswaffen, die Black-Lives-Matter Bewegung, auch in meinem Bereich, der künstlichen Intelligenz, gibt es viele kritische Stimmen. Wir hoffen auf Impulse aus Europa für Menschenrechte, Frieden und Demokratie. Ein Nein der Bundesregierung zu Kampfdrohnen ist ein Ja zur internationalen Abrüstung dieser Waffen. Langfristig müssen Kampfdrohnen global geächtet werden.
Dr. Jakob Foerster ist designierter Assistant Professor der University of Toronto, und Experte für Computer Science, maschinelles Lernen sowie Lernen in Multi-Agenten-Systemen. Foerster hat den hier dokumentierten Appell zuvor als offenen Brief an die SPD lanciert. Der Verfasser ist erreichbar unter: jfoerster@cs.toronto.edu.
Peter Förster ist Friedensaktivist und SPD Mitglied aus Köln.