Stickoxid-Grenzwerte: Unsinnige Vergleiche

Seite 3: Konventionelle Gasförderung schädlicher als gedacht

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Die Erdgasförderung mittels des berüchtigten Frackings, das insbesondere in den USA inzwischen weit verbreitet ist, steht bereits seit längerem Verdacht, Ursache erheblicher Methan- und damit Treibhausgasemissionen zu sein. Nun hat eine neue Studie des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel gezeigt, dass auch bei der konventionellen Förderung in der Nordsee reichlich Gas entweicht. Man habe herausgefunden, heißt es in einer Pressemitteilung des Instituts, dass die "Bohrlöcher in der Nordsee (...) eine deutlich größere Quelle von Methan (…) als bisher angenommen" sein können.

Katastrophale sogenannte Blow-outs wie seinerzeit im April 2010 unter der Plattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko seien zwar selten, aber kontinuierliche Austritte geringerer Mengen von Methan aus aktiven oder aufgegebenen Bohrlöchern deutlich häufiger.

Zudem haben die Geomar-Forscher festgestellt, dass viel Gas aus dem Sediment neben den Bohrungen entweicht. Dafür gebe es bisher keinerlei Regeln, da dieser Umstand den zuständigen Behörden vermutlich gar nicht bewusst ist.

Das Gas stamme aus flachen Gastaschen, die sich in weniger als 1000 Meter Tiefe unter dem Meeresboden befinden. Diese würden auf der Suche nach lukrativen Vorkommen in größeren Tiefen durchstoßen und in der Folge könne das Gas ungehindert an den Rändern der Bohrung nach oben vordringen. "(...) offenbar sorgt die Störung des Untergrundes dafür, dass rund um das Bohrloch Gas zum Meeresboden aufsteigen kann", meint der Initiator der Studie Matthias Haeckel.

Im Rahmen mehrerer Expeditionen zu den Öl- und Gaslagerstätten der zentralen Nordsee habe man 2012 und 2013 die Austritte festgestellt. Die seismischen Daten aus dem Untergrund der Nordsee zeigten, dass unter rund einem Drittel der Bohrlöcher Gastaschen angebohrt wurden. "Bei mehr als 11.000 Bohrungen in der Nordsee ergibt das eine entsprechend große Menge an potenziellen Methanquellen", sagt Hauptautorin Lisa Vielstädte, die derzeit an der Universität Stanford in Kalifornien forscht, aber zuvor in Kiel gearbeitet hat.

Auf dieser Grundlage angestellte Hochrechnungen ergeben 3.000 bis 17.000 Tonnen Methan, die an den existierenden Bohrlöchern pro Jahr austreten. Für gewöhnlich werde Methan im Meerwasser von Bakterien abgebaut, was für das lokale Ökosystem nicht gerade förderlich ist, da es dort zur Versauerung führt. Die Hälfte der Bohrlöcher liege aber in so flachem Wasser, dass das austretende Methan die Atmosphäre erreichen kann. Dort wirkt es dann als Treibhausgas. Ein Methanmolekül hat dabei ein Vielfaches der Wirkung eines Kohlendioxidmoleküls.

Erdgas, also Methan, wird oft als der fossile Brennstoff gepriesen, der für den Übergang von Kohlenutzung zu regenerativen Energien am besten geeignet ist. Wenn Bohrungen nach Gas aber global zu so großen Methanemissionen in die Atmosphäre führen, müssen wir das Treibhausbudget von Erdgas neu überdenken.

Matthias Haeckel, Geomar Helmholtz-Zentrum

Weitere Untersuchungen alter Bohrlöcher sollen ab Oktober größere Klarheit in das Geschehen am, Meeresgrund bringen.