Stille im Luftraum über Belarus
- Stille im Luftraum über Belarus
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Nach erzwungener Zwischenlandung und Festnahme eines Journalisten meiden Airlines Belarus. EU erlässt Sanktionen. Freilassung des Bloggers gefordert
Es wird einsam am Himmel über Belarus. Wenige Tage nach der erzwungenen Zwischenlandung eines Ryanair-Fluges von Athen nach Vilnius und der folgenden Festnahme eines regierungskritischen Journalisten hat die EU empfindliche Sanktionen gegen die Führung von Präsident Alexander Lukaschenko erlassen.
Mehrere Fluglinien kündigten nach einer entsprechenden Aufforderung der EU an, den Luftraum über dem osteuropäischen Land bis auf Weiteres zu meiden. Die Lukaschenko-Führung versucht, den Eingriff in den Luftverkehr zu rechtfertigen.
Bei einem geplanten Gipfeltreffen am gestrigen Montag und heutigen Dienstag setzten die Staats- und Regierungschefs der EU den Zwischenfall kurzfristig auf die Agenda. Die einhellige Verurteilung im Kreis der 27 Mitgliedsstaaten führte zu raschen Beschlüssen: Die EU friert vereinbarte Investitionen in Belarus in Höhe von drei Milliarden Euro ein. Das Geld werde so lange zurückgehalten, bis Minsk einen demokratischen Kurs einschlage, so EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Die Maschine der irischen Fluggesellschaft Ryanair war am Sonntag auf dem Weg von Griechenland nach Litauen. An Bord befand sich auch der regierungskritische Blogger Roman Protasewitsch und seine Begleiterin Sophia Sapgea. Nachdem die Maschine in den belorussischen Luftraum eintrat, wurden die Piloten zur Landung aufgefordert.
Begründet wurde dies mit einer angeblichen Bombendrohung. Beim Anflug auf Minsk ließ die belorussische Luftwaffe die Zivilmaschine von MiG-29 eskortieren. Nach der Landung in Minsk wurden Protasewitsch und Sapgea festgenommen. Eine Gefahr durch eine Bombe bestätigte sich nicht, die Maschine setzte ihren Flug fort.
In Konsequenz forderte die EU nun internationale Fluglinien auf, den Luftraum über Belarus zu meiden. Man arbeite zudem an den juristischen Grundlagen, um Airlines aus dem osteuropäischen Land den Überflug über dem Luftraum der EU und die Landung auf EU-Flughäfen zu untersagen. Die Maßnahmen dürften die Isolation des Landes massiv verstärken, schon jetzt sind die Reisemöglichkeiten aus und nach Belarus eingeschränkt.
Scharfe Kritik von Presseorganisationen
Sorge besteht um Leib und Leben des inhaftierten Journalisten. Über den Messangerdienst Telegram kursierte ein Video des Inhaftierten, in dem er zusichert, bei guter Gesundheit zu sein Protasewitsch, der einen müden und angeschlagenen Eindruck machte, sagte in der Aufnahme zudem, er sei an der Organisation von Protesten gegen die Lukaschenko-Führung in Minsk im vergangenen Jahre beteiligt gewesen.
Wo und unter welchen Umständen das Video aufgenommen wurde, blieb unklar. Das Innenministerium in Minsk gab inzwischen bekannt, dass der Journalist in ein Gefängnis verbracht wurde. Der polnische Vize-Außenminister Pawl Jablonski sagte, dass es dem Regierungskritiker gesundheitlich schlecht gehe und berief sich dabei auf die Mutter des Inhaftierten.
Was mit Protasewitschs Begleiterin Sapgea geschehen ist, blieb zunächst unklar. Die EU wertete die Inhaftierung des Journalisten als Beleg dafür, dass Kritiker der Lukaschenko-Regierung mundtot gemacht werden sollen.
Zu einer ähnlichen Einschätzung kamen Presseorganisationen. "Ein Flugzeug zu einer ungeplanten Landung zu zwingen, um einen Journalisten und Blogger zu verhaften, markiert eine extreme Eskalation der Verbrechen des Regimes von Alexander Lukaschenko in Belarus", kommentierte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, den Zwischenfall.
Die Organisation forderte von der Europäischen Union "als Reaktion auf diesen perfiden Gewaltakt angemessene und deutliche Sanktionen". Im Übrigen müsse Protasewitsch auf der Stelle freigelassen werden.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisierte die zögerliche Reaktion der Lufthansa: "Das mit Milliardenbeträgen vom deutschen Staat gerettete Unternehmen reagierte zunächst gar nicht. Dann teilte es mit, die Situation weiter beobachten zu wollen – und währenddessen auch weiter über belarussisches Staatsgebiet zu fliegen." Damit habe Lufthansa in Kauf genommen, dass mögliche weitere Kritiker an Bord ihrer Maschinen in Lebensgefahr kommen.