Strafanzeigen wegen Regierungskritik in Griechenland

Seite 2: Causa Bogdanos vs Medien: Von Rechts gegen die Pressefreiheit

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Im vorliegenden Fall war es Bogdanos selbst, der die Kündigung einer Journalistin forderte. Eleftheria Koumantou hatte im Zusammenhang mit zwei Demonstrationen, die am 15. Juli rund um den Viktoria-Platz stattfanden, ihre Eindrücke über soziale Netzwerke geteilt.

Dort waren zwei Demonstrationen angemeldet worden. Nach dem jüngst erlassenen Demonstrationsrecht wurde nur eine behördlich zugelassen, der Protest von Bürgern gegen Asylbewerber. Bei diesem fanden sich der Abgeordnete der Nea Dimokratia, Constantinos Bogdanos, und der frühere Abgeordnete der Goldenen Morgenröte, Ilias Kasidiaris, aufseiten der selbst ernannten "Bürgerkomitees" ein. Dem gegenüber standen, zahlenmäßig bei Weitem überlegen, mehrere hundert Aktivisten, die das Vorgehen gegen Asylbewerber als rassistisch anprangerten.

Die Polizei ging brutal gegen die Aktivisten vor. In mehreren Medien wurde das gemeinsame Auftreten des Regierungsabgeordneten mit dem früheren Pressesprecher der nationalsozialistischen Nea Dimokratia und jetzigem Gründer einer eigenen Partei kritisiert. Koumantou kommentierte dies abfällig, indem sie Bogdanos vorwarf, dass dieser sich mit rund fünfzehn "empörten Bürgern" (sic) solidarisiert habe.

Sie verwendete die Anführungszeichen und verzichtete auf eine weitere Wertung. Die Größe der verbotenen Gegendemonstration gab Koumantou mit 500 Personen an. Sie belegte ihre Behauptung mit Fotos, welche beide Demonstrationsgruppen und die massive Polizeipräsenz zeigten.

Zudem veröffentlichte Koumantou ein Video, das belegte, wie Beamten der Einsatzpolizei zwei der drei festgenommenen Bürgerrechtsaktivisten ein Molotow-Cocktail und zwei Knüppel als "Beweismittel" untergeschoben hatten. Ein Umstand, der dazu führte, dass die ursprüngliche polizeiliche Anklageschrift vor dem Schnellgericht erheblich abgemildert werden musste.

In ihrem Demonstrationsbericht stellte Koumantou einen Zusammenhang der Präsenz von Asylbewerbern auf dem Viktoria-Platz mit den jüngsten Entscheidungen der Regierung her. Denn diese hat anerkannte Asylanten mittellos auf die Straße gesetzt. Ohne Bleibe, aber mit gültigem Asylbescheid hatten diese sich dann auf dem Viktoria-Platz versammelt und dort übernachtet.

Bogdanos goutierte das überhaupt nicht. Er rief den kommunalen Radiosender Athina 9.84, bei dem Koumantou angestellt ist, öffentlich auf, die Journalistin abzustrafen und gegebenenfalls zu entlassen. Der Sender kam dieser Forderung nicht nach und bekundete vielmehr seine Solidarität zur Journalistin hinsichtlich deren Rechts auf öffentliche Meinungsäußerung und freie Berichterstattung.

Bogdanos ließ nicht locker und behauptete in sozialen Netzwerken, der Sender habe sich von der Journalistin distanziert und diese würde fake news verbreiten. Dies wiederum brachte unter anderen den Journalisten Bogiopoulos auf den Plan. Dieser erinnerte in einem auf seinem Blog veröffentlichten Beitrag daran, dass Bogdanos unter anderen die Taten des im zweiten Weltkrieg mit den Besatzungstruppen des Naziregimes kollaborierenden Premierministers Georgios Tsolakoglou relativierte. Bogdanos stellte den griechischen Quisling als Patrioten dar.

Bogiopoulos belegte in seinem Beitrag anhand weiterer Beispiele seine Einschätzung, dass Bogdanos der extremen Rechten zuzuordnen sei. Er urteilte jedoch, dass das Problem nicht Bogdanos sei, sondern die Nea Dimokratia, die ihren Abgeordneten auch durch öffentliche Stellungnahmen seitens des Regierungssprechers weiterhin stützt.

Kurz nach seinem Artikel kommentierte Bogiopoulos über Twitter, "ich höre 'Faschist', 'Blockwart', 'Schleimer', 'Witzfigur', 'Produkt und Symbol der Dekadenz'. All dies ist korrekt. Aber im Grunde ist der Junge zu bemitleiden…". Dabei nannte er den Namen von Bogdanos nicht, übernahm jedoch eine Reihe von abwertenden Bezeichnungen anderer Nutzer des sozialen Netzwerks.

Bogdanos griff dies auf und verkündete, dass er gegen Bogiopoulos, den er als Revanche ebenfalls mit zahlreichen Beleidigungen überzog, Strafanzeige und Klage eingereicht habe. Weil er einen Tag zuvor einen Anarchisten der Gruppe "Rouvikonas", Spyros Dapergolas, bereits wegen eines Tweets angezeigt hatte, und damit für die Verhaftung und Vorführung vor ein Schnellgericht gesorgt hatte, wurde Bogdanos Drohung durchaus ernst genommen.

Zum Schnellgerichtsprozess gegen Dapergolas war Bogdanos am vergangenen Samstag nicht erschienen, weshalb der Anklagte am 30. Juli erneut vor Gericht erscheinen muss.

Dapergolas hatte unter anderen in einer Solidaritätsbekundung für Koumantou geschrieben, dieser "bis zum Ende" beizustehen, was der Parlamentarier nicht durchhalten würde. Darin sah Bogdanos eine Bedrohung gegen sein Leib und Leben. Bogdanos selbst droht jedoch gegen seine Kritiker "bis zum Ende" vorzugehen.

Anzeigen wegen Tweets

Wie es in solchen Fällen oft geschieht, sprangen Bogiopoulos weitere Journalisten bei. Darunter befand sich auch die griechische Korrespondentin in Paris, Maria Denaxa. Auch sie fing sich mit ihrem eher allgemein gehaltenen Tweet eine Anzeige ein. Die Kolumnistin Elena Akrita, die für ihre bissige und satirische Ausdrucksweise bekannt ist, kommentierte dies ebenfalls über soziale Netzwerke lakonisch mit "gehen drei Menschen und ein Bogdanos in eine Bar…".

In diesem Kommentar sieht Bogdanos die "nazistische Äußerung der vergangenen Jahre" und reichte auch hier Klage und Strafanzeige ein. Vollständig zum surrealen, lächerlichen Theater wird die Auseinandersetzung mit der "Entschuldigung" die Akrita, durchaus mit der Absicht der Provokation, postete, "gehen vier Menschen und ein Bogdanos in eine Bar…".

Weiteren Journalisten, die ihn kritisieren, drohte Bogdanos bereits Klagen an. Er werde jeden anzeigen und verklagen, versicherte er. Trotz dieser Drohung veröffentlichte unter anderen auch Manos Chronianopoulos auf der Plattform News24/7 einen Kommentar, in dem er die Regierungspartei Nea Dimokratia öffentlich aufrief, Stellung zu beziehen und zu erklären, ob Bogdanos Vorgehen der Parteilinie entspreche.