Straftaten von "Reichsbürgern" häufig "nicht zuzuordnen"

"Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als existenten Staat an und gehen vom Fortbestand des Reichs aus. Foto: Kalispera Dell (Dresden, 2015) / CC-BY-3.0

Politisch motivierte Kriminalität hat laut Bundesinnenministerium einen neuen Höchststand erreicht. Bei einer Tätergruppe tun sich die Behörden scheinbar mit der Einordnung schwer

Von "klaren Verrohungstendenzen in unserem Lande" sprach Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Dienstag: Nach Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) hat die politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2020 mit insgesamt 44.692 erfassten Straftaten einen neuen Höchststand erreicht. Das entspricht einer Steigerung um 8,54 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mit knapp 53 Prozent und war mehr als die Hälfte der Delikte dem rechten Spektrum zuzuordnen, wie das Bundesinnenministerium (BMI) am Dienstag bekannt gab.

In der Tätergruppe "Reichsbürger/Selbstverwalter" ist allerdings die Mehrzahl der Delikte nach Lesart von BMI und BKA politisch "nicht zuzuordnen". Im Jahr 2020 wurden insgesamt 772 Straftaten mit dem Oberthema "Reichsbürger/Selbstverwalter" gemeldet. Davon landeten 557 Fälle in der Kategorie "PMK-nicht zuzuordnen" und 215 im Bereich "PMK-rechts".

Insgesamt wurden dennoch 23.604 Straftaten zur Kategorie "PMK-rechts" gezählt - 10.971 wurden dem Bereich "PMK-links" zugeordnet; 1.016 wurden zum Phänomenbereich "ausländische Ideologie" gezählt - hier wird allerdings in der Statistik nicht nach linken und rechten Motiven differenziert. Straftaten vom Islamisten werden aber zur "PMK-religiöse Ideologie" gezählt.

Größter Anstieg im Bereich "nicht zuzuordnen"

Während sich im Vorjahresvergleich die Zahl der Straftaten, die aus einer "ausländischen Ideologie" heraus begangen wurden, laut der Statistik fast halbierte, gab es in allen anderen Bereichen einen Anstieg, der im Bereich "nicht zuzuordnen" mit 29,41 Prozent am deutlichsten ausfiel und im Bereich "PMK-rechts" mit 5,65 Prozent am geringsten. Letzteres ist dementsprechend nur bedingt aussagekräftig. Im Bereich "religiöse Ideologie" wurde ein Anstieg von 12,24 Prozent verzeichnet, im Bereich "PMK-links" waren es 11,39 Prozent.

Die Gesamtzahl erfasster politisch motivierter Gewalttaten ist laut der Statistik sogar um 18,82 Prozent auf 3.365 gestiegen. Vollendete Tötungsdelikte waren demnach entweder rechts oder religiös motiviert - in "absoluten Fallzahlen" gab es im Phänomenbereich "PMK-rechts" nur eines - allerdings mit neun Todesopfern, gemeint ist der Anschlag am 19. Februar 2020 in Hanau, bei dem Tobias Rathjen neun Menschen mit Migrationshintergrund erschossen hatte. Dass er im Anschluss auch seine Mutter tötete, wurde nicht als politisch motiviert gewertet. Im Bereich "religiöse Ideologie" hat das BKA zwei Todesopfer gezählt. Ein Islamist, der sich von Gott beauftragt sah, hatte im Oktober 2020 in Dresden ein schwules Paar mit einem Messer angegriffen.

"In schmerzhafter Erinnerung sind uns der Mordanschlag auf das homosexuelle Paar in Dresden, das Tötungsdelikt in Cottbus und der rassistisch motivierte Terroranschlag von Hanau", sagte Seehofer am Dienstag bei der Präsentation der Fallzahlen mit BKA-Präsident Holger Münch.

Etliche Angriffe mit dem Stichwort "Corona" erfasst

Berichtet wurde dort auch von einem Anstieg der Hasskriminalität um 19,2 Prozent. 87 Prozent dieser Straftaten seien eindeutig Rechtsextremen zuzuordnen. Die Zahl antisemitischer Straftaten stieg demnach um 15,7 Prozent an. 204 Delikte wurden zum erst neuerdings erfassten Bereich "Geschlecht/Sexuelle Identität" gezählt, 578 Straftaten richteten sich gegen die sexuelle Orientierung der Opfer. Die Zahl der registrierten Angriffe auf Amts- oder Mandatsträger lag mit 2.200 doppelt so hoch wie im Vorjahr.

Im Zusammenhang mit dem Stichwort "Corona" wurden insgesamt 3.569 Straftaten erfasst, darunter 478 Gewalttaten. Insbesondere bei Versammlungen gegen die Corona-Maßnahmen sei es zu Angriffen und Bedrohungen gegen Polizeibeamte und Medienvertreter gekommen. Von 260 gemeldeten Straftaten gegen Journalistinnen und Journalisten wurden 112 im Zusammenhang mit "Corona" begangen.

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