Streit um den Gene Drive gewinnt an Schärfe

Seite 2: Eine isolierte Insel schützt nicht vor Ausbreitung

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Auch der Einwand, das ein Gene Drive fast unvermeidlich durch das Aufkommen von Resistenzen behindert wird, ändert wenig an dieser Schlussfolgerung. Die Modellrechnung zeigt, dass eine Resistenz vermutlich die Ausrottung einer Tierart verhindern könnte, aber nicht die Ausbreitung des Elements in einen signifikanten Anteil der Population. Auch unter ungünstigen Bedingungen würde ein Gene Drive wohl eine große Zahl von Tieren verändern und sich Dutzende von Generationen in der Population halten.

Zur Ausbreitung in andere Regionen ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. In dem Modell reicht es aus, dass in jeder zweiten Generation ein einzelnes Tier von der isolierten Insel entkommt, um den Gene Drive zu verbreiten. Daneben droht eine weitere Gefahr - die aktive Übertragung durch Menschen. Neuseeland selbst liefert dafür das passende Beispiel: Im Jahr 1997 haben Farmer auf eigene Faust einen tödlichen Virus eingeführt, um der Kaninchenplage Herr zu werden. Die Haltung der Behörden, welche eine kontrollierte Einführung erwogen, aber letztlich verworfen haben, war ihnen zu zögerlich.

Ob nun versehentlich verschleppt oder bewusst ausgesetzt: Die Gefahr, dass ein Gene Drive sich unkontrolliert ausbreitet, ist immens. Diese Erkenntnis hat zumindest bei Church und Esvelt einen Meinungswandel ausgelöst, so dass sie nun den Einsatz bei der Bekämpfung invasiver Arten grundsätzlich ablehnen. Ob ihr Beispiel jedoch Schule macht, darf bezweifelt werden.

Kirschfliegen statt Stechmücken

Einflussreiche Institutionen werden wohl vorerst ihren Kurs nicht ändern. Die US-Akademie der Wissenschaften befürwortet weiterhin, Gene Drives auf isolierten Inseln zu testen. Finanzstarke Geldgeber haben Anfang Dezember 2017 neue Richtlinien veröffentlicht, die eine verträgliche Entwicklung von Gene Drives ermöglichen sollen; die Ausrottung invasiver Arten bleibt dabei explizites Ziel.

Unabhängige Organisationen wie Island Conservation wollen lieber heute als morgen mit ersten Tests beginnen (Gene Drive demnächst auch für Mäuse). Und kalifornische Farmer finanzieren finanzieren die Entwicklung eines Gene Drive gegen einen Schädling, der ihre Kirsch-Ernte bedroht. Die eingeschleppte Fliege verursacht allerdings nur finanziellen Schaden - der Konsens, dass ein Gene Drive nur bei außergewöhnlichen Bedrohungen zum Einsatz kommt, scheint damit obsolet.

Eine öffentliche Diskussion ist daher überfällig. Doch die Aufforderung von 2014 verhallte fast ungehört, und bis heute ist das Thema im Bewusstsein der Öffentlichkeit nicht angekommen. Der deutsche Ethikrat ergriff die Initiative und hat im Oktober 2017 eine eigene Tagung zu Gene Drives organisiert - das Echo blieb jedoch höchst bescheiden.

Umstrittenes Moratorium

Die Vereinten Nationen wollen nun konkrete Richtlinien erarbeiten, die das Risiko der synthetischen Biologie für die Umwelt begrenzen. Eine Arbeitsgruppe hatte Mitte 2017 ein Online-Forum geschaltet, in dem Experten ihre Meinung und Vorschläge einbringen konnten. Gene Drives waren ein wichtiges Thema, denn die Zeit drängt: Der Ruf nach einem Moratorium - im Jahr 2016 noch abgeschmettert - wird daher zunehmend lauter.

Diese Aussicht hat offenkundig bei der Bill & Melinda Gates Foundation große Unruhe ausgelöst. Die Stiftung, finanziert aus dem Milliardenvermögen des Windows-Gründers, will mit dem Gene Drive eines ihrer Hauptziele verwirklichen - die Ausrottung der Malaria. 75 Millionen US-Dollar stehen bereit, um die Entwicklung eines geeigneten Konstrukts zu fördern. Ein Moratorium würde diese Pläne durchkreuzen.

Folglich engagierte die Gates-Stiftung für 1,6 Millionen Dollar eine PR-Agentur, die eine Gegenkampagne organisieren sollte. In den USA hat ein Aktivist die Freigabe von E-Mails erstritten, die Einblick in diese Lobbyarbeit geben (https://www.independentsciencenews.org/news/gates-foundation-hired-pr-firm-to-manipulate-un-over-gene-drives/). Wissenschaftler wurden gezielt aufgefordert, sich auf dem Online-Forum zu engagieren und weitere Kollegen zu rekrutieren. Die Agentur lieferte dazu Zusammenfassungen der laufenden Diskussion und wies auf Themen hin, bei denen sie entsprechende Wortmeldungen für wünschenswert hielt.