Stromverluste im Netz – Deutschland ist keine Kupferplatte
Die Tatsache, dass die Stromverteilung und die Umspannung mit beachtlichen Verlusten verbunden sind, wird gerne verschwiegen. Je weiter ein Verbraucher von der Erzeugung und der Netzeinspeisung entfernt ist, desto höhere Verluste fallen an
Bei der Stromübertragung entstehen zwangsläufig Energieverluste. Sie treten in Form von Stromwärmeverlusten in Leiterseilen, in Transformatoren und anderen Systemelementen sowie als Ableit- und Koronaverluste auf.
50Hertz Transmission GmbH
Die Verluste, die auf die Entfernung des Verbrauchers vom Kraftwerk zurückgehen, werden dem Kunden nicht individuell berechnet. Die vom Kunden zu bezahlenden Netzentgelte, auch als Netznutzungsentgelt bezeichnet, sind in ihrer Höhe unabhängig von der Entfernung. Die Bundesnetzagentur vergleicht das Netzentgelt mit einer Briefmarke, welche zu einem im Arbeitsgebiet des Postdienstleisters entfernungsunabhängigen Versand berechtigt.
Die Netzentgelte werden vom jeweiligen Anschlussnetzbetreiber erhoben und enthalten die Kosten aller vorgelagerten Netzebenen. Die Abwicklung erfolgt durch die Zahlung von Netzentgelten des nachgelagerten an den jeweils vorgelagerten Netzbetreiber. Je mehr Netzbetreiber vorgelagert sind, desto mehr fordern ihren Anteil. Der Endkunde erfährt davon nichts.
Für den Endkunden ist die Bildung der Netzentgelte völlig undurchsichtig, weil er keinen Anhaltspunkt hinsichtlich der Struktur der ihn versorgenden Netze hat. Zudem gehen in die Netzentgelte nicht nur die reinen Netzbetriebskosten, sondern auch die Kosten für die lokale Bereitstellung der Elektrizität ein. Die Netzentgelte müssen von der Bundesnetzagentur genehmigt werden. Die Genehmigung erfolgt auf der Basis der realen Kosten für die künftige Versorgung, was dem Endverbraucher den Durchblick nicht gerade erleichtert.
Die Netzverluste müssen veröffentlicht werden
Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) vom 7. Juli 2005, die Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV) vom 25. Juli 2005 sowie die Festlegung der Bundesnetzagentur zum Ausschreibungsverfahren für Verlustenergie und zum Verfahren zur Bestimmung der Netzverluste vom 21. Oktober 2008 (Az. BK6-08-006) verpflichten die Netzbetreiber zur Beschaffung von Verlustenergie in einem marktorientierten, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren. Dabei sind Ausschreibungsverfahren durchzuführen, soweit nicht wesentliche Gründe entgegenstehen.
Ferner sind Netzbetreiber gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 3 und 7 StromNZV sowie § 10 StromNEV verpflichtet, Informationen über die Durchschnittsverluste je Netz- und Umspannebene sowie die aufgewendeten durchschnittlichen Beschaffungskosten zu veröffentlichen. Jeder der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber erfüllt seine Transparenzverpflichtungen auf seine eigene Art und Weise, so dass die Angaben nur schwer miteinander vergleichbar sind.
Der zur belgischen Elia-Group und der bundeseigenen Anstalt des öffentlichen Rechts KfW über die Holding Eurogrid GmbH zählende Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission GmbH veröffentlicht die in seinem Netz auftretenden Netzverluste seit 2004. Dabei fällt auf, dass sowohl die Verluste als auch die durchschnittlichen Kosten in diesem Zeitraum deutlich gestiegen sind:
Im Jahr 2004 betrugen die Netzverluste 1,6 TWh. Sie wurden zu durchschnittlichen Kosten von 2,89 ct/kWh an der Strombörse EEX beschafft. Die durchschnittlichen Netzverluste der Höchstspannungsebene betrugen 153 MW, die der Umspannung 29 MW. ... Im Jahr 2021 betrugen die Netzverluste 2,38 TWh. Sie wurden zu durchschnittlichen Kosten von 4,4 ct/kWh beschafft. Die durchschnittlichen Netzverluste der Höchstspannungsebene betrugen 218,7 MW die der Umspannung 52,6 MW.
Die TransnetBW GmbH gibt die Netzverluste für das Jahr 2021 mit 803 GWh an. In der Höchstspannungsebene betragen die Verluste danach 1,8 Prozent, bei der Umspannung vom Höchstspannungs- auf das Hochspannungsnetz 0,3 Prozent. Die durchschnittlichen Beschaffungskosten werden mit 3,9 Cent/kWh beziffert. Im Jahre 2017 lagen die durchschnittlichen Beschaffungskosten bei der TransnetBW noch bei 2,8 Cent/ kWh. Ältere Angaben nennt das Unternehmen nicht.
Der Übertragungsnetzbetreiber TenneT TSO GmbH, der über die Tennet GmbH & Co. KG zur niederländischen Tennet Holding B.V. gehört, deren Eigentümerin das Königreich der Niederlande ist vertreten durch das niederländische Finanzministerium hatte ihr deutsches Hoch- und Höchstspannungsnetz 2010 als Transpower Stromübertragungs-GmbH vom E.ON-Konzern erworben.
TenneT TSO gibt auf ihrer deutschen Transparenzseite für das Kalenderjahr 2021 die Verlustenergie mit 3,7 TWh an. Davon betrafen 2,9 TWh das 380(220)-kV-Netz und 0,8 TWh die Umspannung 380(220)-/110(60)-kV. Der durchschnittliche Beschaffungspreis lag bei 4,88 Cent/kWh. Die ältesten für das Netz von TenneT TSO vorliegenden Zahlen stammen aus dem Jahr 2008. Damals lag die Menge der Verlustenergie bei 2,4 TWh und der durchschnittliche Beschaffungspreis 5,36 Cent/kWh.
Der vierte Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland ist die Amprion GmbH, die zu 74,9 Prozent der M31 Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Energie KG und mit einer Sperrminorität von 25,1 Prozent dem Alteigentümer RWE AG gehört.
Bei der M31 Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Energie KG handelt es sich um ein Konsortium von überwiegend deutschen institutionellen Finanzinvestoren aus der Versicherungswirtschaft und von Versorgungswerken. Dazu zählen etwa die Meag Munich, Ergo, Swiss Life und Talanx sowie Pensionskassen. Diese Anleger sind mittelbar oder unmittelbar an der M31 beteiligt.
Amprion GmbH
Amprion gibt seine Netzverluste für das Jahr 2021 mit 2.667.742 MWh und den Preis für die Verlustenergie mit 4,095 ct/kWh an.
Verluste in anderen Netzebenen und der Versuch einer Datenerfassung
Zusätzlich zu den vier Übertragungsnetzbetreibern gab es in Deutschland im Jahr 2021 868 Stromnetzbetreiber mit sogenannten Verteilnetzen. "Gegenüber dem Jahr 2011 hat sich die Zahl der genannten Betreiber um 13 erweitert".
Die Verluste der Verteilnetzbetreiber und die Umspannverluste ins und im Verteilnetz sind in den oben genannten Angaben nicht enthalten und müssten dazu addiert werden. Das stellt sich jedoch im Detail als kaum realisierbar heraus, weil die einzelnen Netzbetreiber auch im Verteilnetz mit ihren Daten sehr zurückhaltend und die Zahlen kaum vergleichbar sind.
Wie komplex sich die deutsche Stromversorgung im Einzelnen darstellt, hat Germanwatch 2019 im Hintergrundpapier Stromnetze in Deutschland: Das System, die Netzbetreiber und die Netzentgelte beschrieben.
Der Monitoringbericht 2021 der Bundesnetzagentur nennt für das Jahr 2020 Netzverluste auf ÜNB- und VNB-Ebene von insgesamt 27,2 TWh. Sie teilen sich auf in 9,9 TWh bei den Übertragungsnetzbetreibern und 17,3 TWh bei den Verteilnetzbetreibern.
Bei letzteren entfallen 5,7 TWh auf die Mittelspannungsebene (inklusive HS/MS) und 8,6 TWh auf die Niederspannungsebene (inklusive MS/NS). Die komplexe Struktur der Datenabfrage bei einer Vielzahl unterschiedlicher Marktteilnehmer sorgt ebenso für Differenzen wie der Unterschied zwischen den Handelsflüssen und den physikalischen Lastflüssen was nicht zuletzt am vermaschten Wechselstromsystem liegt. Netzverluste waren lange Zeit kein wirkliches Thema in der Elektrizitätswirtschaft, weil man die Kosten problemlos auf die Kunden abwälzen konnte.