Stromversorgung unter neuen Gesichtspunkten

Die Liberalisierung auf dem Strommarkt hat dem Kunden neue Möglichkeiten, aber auch eine neue Verantwortung in die Hand gegeben

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Was ist das? Ein Wirtschaftsgut, unsichtbar und seit Neuestem auf dem freien Markt erhältlich? Es ist der Strom, ein abstraktes Produkt und zugleich Motor unserer Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. Er steht jederzeit jedermann auf Knopfdruck zur Verfügung.

Seitdem Strom auf dem freien Markt erhältlich ist, sieht sich der potenzielle Kunde einer Werbekampagne ausgesetzt, in der Geld keine Rolle zu spielen scheint und bei der kein Ende absehbar ist. Der Verbraucher wird mit Informationsmaterial überschüttet, das den Hauptaugenmerk allerdings nur auf die Preisgestaltung richtet. Billig, billiger, am billigsten heisst die Devise der Anbieter, die derzeit wie die Pilze aus dem Boden schiessen. Die Branche muss, trotz der im freien Fall befindlichen Strompreise, enorme Gewinnspannen versprechen. Schon entstehen im Gefolge der Stromanbieter Firmen wie www.stromagentur.com, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, "im Interesse der Kunden" und "ohne Konzernbindung" den günstigsten Tarif auszuhandeln. Auch hier ist der einzig regulierende Faktor der Preis und sonst gar nichts.

Spätestens anhand dieser Entwicklung stellt sich dem aufmerksamen Beobachter die Frage, was für ein Gut der Strom ist. Bisher war die Antwort ganz einfach: der Strom kommt aus der Steckdose und ist eben immer vorhanden.

Seit der Privatisierung der Stromkonzerne - und damit der Liberalisierung der Strompreise - kann man ein solches Denken mit Ignoranz gleichsetzen. Strom ist eben nicht gleich Strom, was sich vor allem in der "Herstellungsweise" niederschlägt. Es gibt Strom aus Wasser- oder Windkraft, aus Kohleverbrennung, Atomstrom, Solarenergie, Strom aus nachwachsenden Rohstoffen, aus der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) usw. Und doch schlüsselt kaum einer der Stromanbieter in seinem umfangreichen Informationsmaterial auf, aus welchen Quellen er seinen Bedarf deckt.

Beschäftigt man sich näher mit der Thematik, so lässt sich feststellen, dass vor allem viele Billiganbieter einen nicht unerheblichen Anteil (bis zu 60%) ihres Stroms aus Atomstrom beziehen. Frankreich als Herkunftsland ist da noch harmlos - auch in der Ukraine wird Strom zu Dumpingpreisen verhökert, wo es 1986 bekanntlich einen Zwischenfall gab, der auch hierzulande das Denken bezüglich Atomstrom deutlich mitbeeinflusst hat. Die Atomanlagen waren auf einmal nicht mehr so sicher, wie es die Betreiber bis dahin immer gerne betont hatten, und der Atomstrom war ab diesem Zeitpunkt sehr umstritten. Das öffnete die Tür für die Subventionierung anderer Technologien, die bis dahin mehr als stiefmütterlich behandelt worden waren. Nachwachsende Rohstoffe, Biogas oder auch die Kraft-Wärme-Kopplung entwickelten sich zu ernst zu nehmenden Alternativen. Die Novellierung der Stromeinspeisungsgesetze bereitete den Weg, den sogenannten Ökostrom als Alternative zu Atom- oder Kohlestrom wahrzunehmen.

Aber wo stehen wir heute? Jeder einzelne kann für sich entscheiden, woher er seinen Strom bezieht. Die Preisgestaltung der Anbieter sollte dabei nicht die einzige Rolle spielen. Der Staat hat seine Verantwortung an den Bürger abgegeben, aber auch die Bürger sind der Staat. Diese Verantwortung ist Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft und gerade nach den Veröffentlichungen der letzten Wochen sollte diese Verantwortung ernst genommen werden. Jeder Einzelne kann aufgrund seiner Entscheidung die Wege der Politik mitgestalten. Wenn die Akzeptanz der Atomenergie in der Gesellschaft geringer wird, dann wird sich die Politik mit weitergehenden Schritten nicht mehr schwer tun.

Wer seine Entscheidung also nur von der Preisgestaltung abhängig macht, der gibt einen Teil seiner Rechte - und seiner Pflichten - als mündiger Bürger leichtfertig ab. Die Gefahr aus Atomenergie droht bekanntermaßen nicht nur aus den maroden Anlagen. Der Atomunfall in Tokaimura hat erst im letzten Jahr deutlich gemacht, dass menschliches Versagen jederzeit und überall zum Super-Gau führen kann. Routine kann beim Betrieb von Atomanlagen ein tödlicher Fehler mit weitreichenden Folgen sein. Auch in deutschen Anlagen hat es über die Jahre immer wieder kleinere Störfälle gegeben, bisher ohne weitreichende Folgen. Das soll aber keine falsche Sicherheit bedeuten.

Ökostrom hat seinen Preis, aber welcher Konsument achtet nur auf den Preis und nicht auf die Qualität, die er dafür geliefert bekommt. Wer heute auf Ökostrom setzt, der denkt in die Zukunft und unterstützt den Ausbau umweltschonender Betriebe. Umfassende Preisvergleiche kann der Konsument unter www.strompreise-info.de oder www.billig-strom.de einholen, wobei dort nicht nur der Preis in die Tarifgestaltung einfließt. Beide Listen bieten die Möglichkeit, reine Ökostromanbieter miteinander zu vergleichen.

Informationen zu Neuerungen auf dem Strommarkt findet der Verbraucher bei www.strom-magazin.de, wo unter anderem Veröffentlichungen aus den unterschiedlichsten Medien gesammelt werden.

Die Freiheit selbst zu entscheiden, bedeutet immer auch eine Verantwortung, die hinter der Entscheidung stehen sollte:

  1. 1. Wer nicht bewusst Ökostrom wählt, der wird auch nur wenig oder gar nichts davon bekommen, da die Tarife deutlich über denen von Atom- oder Kohlestrom liegen.
  2. 2. Wer Billigstrom kauft, der kann sicher sein, dass ein nicht unerheblicher Anteil seines Bedarfs durch Atomstrom gedeckt wird, dessen Herkunft mehr als zweifelhaft genannt werden darf.
  3. 3. Die Stadtwerke, die einen Großteil ihres Stroms aus der Kraft-Wärme-Kopplung oder erneuerbaren Energien beziehen, werden mit der Preisgestaltung der freien Anbieter nicht mithalten können. Ein Zusammenstreichen der Stadtwerke hätte aber nicht nur den Verlust von Arbeitsplätzen, sondern auch eine Verringerung der Wohnqualität in den betroffenen Städten zur Folge.

Und noch ein kleiner Tipp zum Schluss: Den billigsten Strom bezieht immer noch derjenige, der Strom spart!