Studenten auf den Barrikaden - für nichts?
Der Kampf um die Studiengebühren
Lange hat es gedauert - jetzt sind die Studentenproteste in den Schlagzeilen. Am Dienstag stürmten über 2000 Studenten die Bannmeile des Landtags, 21 Demonstranten wurden vorläufig festgenommen. Doch noch ist unklar, welchen Kurs die Landesregierung jetzt einschlägt.
Im Mai wurde der Plan des Ministerpräsidenten Wolfgang Clement bekannt: 50 Euro "Verwaltungsgebühren" wollte er von jedem Studenten pro Semester kassieren, bei Langzeit-, Zweit- und Seniorenstudenten sollten es schon 650 Euro sein. 137 Millionen Euro sollen so zusammenkommen - so das Kalkül der Regierung. Das Geld sollte nicht etwa den Hochschulen zu Gute kommen, sondern dem klammen Haushalt zugeführt werden.
Ein solcher Plan musste zwangsläufig zu Protesten an den Hochschulen führen. In den vergangenen Jahren hatte gerade die SPD immer wieder Studiengebühren als unsozial abgelehnt - und als nicht besonders sinnvoll. Den Politikern sind lange Studienzeiten ein Dorn im Auge. Doch allein mit finanziellem Druck kann man kein Studium beschleunigen. Rund um das Studium wurde eine Bürokratie aufgebaut, die in vielen Fachrichtungen ein schnelles Studium quasi unmöglich machen. Zudem finanzieren viele Studenten durch Nebenjobs ihren Lebensunterhalt. Zusätzliche Ausgaben bedeuten noch weniger Zeit für das Studium und im Endeffekt längere Studienzeiten, so die Argumentation der Jungakademiker.
Die Studenten rüsteten sich also für den politischen Kampf. Erstaunt stellten sie fest, dass es in Nordrhein-Westfalen zwar eine halbe Million Studenten gibt, aber keine entsprechende Lobby. So erlebten die Kölner Studenten ein parlamentarisches Paradoxon. Bei einer Podiumsdiskussion erklärten die bildungspolitischen Sprecher aller Fraktionen im Düsseldorfer Landtag, dass sie die Studiengebühren in der geplanten Form ablehnen - trotzdem zweifelte niemand ernsthaft daran, dass das Gesetz im September durch den Landtag angenommen wird. Die SPD machte haushaltspolitischen Druck geltend, den Grünen saß die Koalitionsdisziplin im Nacken.
Also gingen die Studenten auf die Straße. Sie putzten demonstrativ Autoscheiben. Sie spendeten publikumswirksam Blut. Sie setzten sich auf Hauptverkehrsstraßen und sie zogen sich vor Kameras aus - Motto: "Ihr nehmt uns das letzte Hemd." Parolen wurden ausgegeben: "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten. Wer war dabei? Die grüne Partei." Eine Mahnwache vor Clements Haus und vor dem Landtag wurden angesetzt, SPD-Parteizentralen belagert. Vorlesungen wurden in Fußgängerzonen und Straßenbahnen abgehalten. Jeder Abgeordnete erhielt Hunderte oder Tausende von Protestmails. Die Bildung wurde gleich dutzendfach zu Grabe getragen. Der Erfolg war zunächst mäßig. Lokalzeitungen und Lokalsender berichteten meist nur unter "Ferner liefen...". Erst als über 20000 Studenten in der vergangenen Woche in Düsseldorf demonstrierten, waren die Proteste auch der ARD-Tagesschau einen Bericht wert.
Die Koordination von Aktionen war dabei das größte Problem der Studenten. Die Aktionen gingen meist von einzelnen Hochschulen aus, oft sogar von einzelnen Fakultäten. Um eine schlagkräftige Präsenz zu ermöglichen, setzten die Studentenvertreter vieler Hochschulen Streiks an. Solche Streiks können allerdings nur von Vollversammlungen beschlossen werden. Die Universitäten haben aber nicht einmal die Räumlichkeiten, um alle Studenten zusammenzurufen. Die Studentenvertretungen haben im Allgemeinen auch nur wenig Rückhalt unter den Studierenden: bei den Wahlen zu den Studentenparlamenten beteiligen sich meist nicht einmal 20 Prozent. Studenten, die sich nicht an den Abstimmungen beteiligt hatten, fühlten sich nicht an die Beschlüsse gebunden. Trotzdem waren in jeder Universitätsstadt einige Tausend Studenten bereit, auf die Straße zu gehen. Immer und immer wieder.
Am Wochenende kam die Wende. Immer mehr Unterbezirke der SPD schlugen sich auf die Seite der Studenten, der Parteirat der SPD sprach sich gegen den Vorschlag des eigenen Ministerpräsidenten aus. Erste Medien meldeten das Scheitern der Studiengebühr - doch noch zu früh. Das Gremium hat nur beratende Funktion, Clement sieht sich nicht gebunden. Er muss im nächsten Haushalt 1,4 Milliarden Euro einsparen. Die Abschaffung der Körperschaftssteuer hat ein tiefes Loch in die Landeskasse gerissen. Selbst die öffentliche Schelte von Bundeskanzler Gerhard Schröder konnte Clement noch nicht zum Einlenken bewegen.
Bis die Entscheidung gefallen ist, dürften Wahlkampfauftritte in Nordrhein-Westfalen zu einem Erlebnis werden. Denn immer werden sich 50 Studenten finden, die mit ein Plakaten vorbeikommen werden. Ob die Politisierung der Studenten über die Gebührenfrage hinausreicht, bleibt jedoch zu bezweifeln.