Sturm aufs Kapitol: Wie wird aufgearbeitet?

6. Januar 2021. Foto: Tyler Merbler/CC BY 2.0

Untersuchungsausschuss im US-Repräsentantenhaus: Ob die politische Aufarbeitung gelingt und die Frage nach der Verantwortung geklärt wird? Die Spaltung der US-Gesellschaft wird auf jeden Fall nicht geringer

Vor zwei Tagen hat ein Untersuchungsausschuss die Arbeit aufgenommen, um mehr über die Umstände der Erstürmung des Capitols in Washington D.C. im Januar 2021 herauszufinden. Eingesetzt wurde er im Repräsentantenhaus, wo die Demokraten die Mehrheit stellen. Zuvor hatten Republikaner im Senat ein Untersuchungsgremium verhindert. Als erste Zeugen wurden nun mehrere Polizeibeamte befragt. Sie berichteten über die Angst und Gewalt, die sie an jenem Tag erlebten.

Angesichts der Bilder sind ihre erschütternden Berichte gut nachzuvollziehen. Zur politischen Aufklärung über Hintergründe und Verantwortlichkeiten taugen die Aussagen der Polizisten indes kaum. Ein republikanischer Abgeordneter sprach davon, dass die Anhörung im Untersuchungsausschuss von den Demokraten um Nancy Pelosi, der Sprecherin des Repräsentantenhauses, "gescriptet" gewesen sei, um sie parteipolitisch auszuschlachten.

Am 6. Januar dieses Jahres waren Hunderte Trump-Anhänger ins Kapitol - dem Sitz der beiden Parlamentskammern - eingedrungen und randalierten. Vier Protestierende starben dabei - ein Polizist verstarb am Folgetag. Dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump wurde vorgeworfen, die Protestierenden aufgestachelt zu haben. Ein deswegen eingeleitetes Amtsenthebungsverfahren hatte keinen Erfolg. Als Reaktion auf die Ereignisse wird unter anderem das Budget der Kapitol-Polizei, der National-Garde und des Verteidigungsministeriums demnächst erhöht werden.

Viele wichtige Fragen zu den Geschehnissen am 6. Januar sind weiterhin unbeantwortet: So zum Beispiel die Frage, wie es überhaupt geschehen konnte, dass der Parlamentssitz gestürmt werden konnte, wo doch Washington D.C und all seine Regierungsgebäude aufwendig gesichert sind.

Der renommierte US-Journalist Glenn Greenwald und andere haben zudem darauf aufmerksam gemacht, dass das FBI frühzeitig darüber informiert gewesen sein dürfte, was an dem Tag geplant war. Die Sicherheitsbehörde hat sehr wahrscheinlich etliche Informanten in den Gruppierungen, die die Capitol-Erstürmung organisiert haben. Auch sei es merkwürdig, so Greenwald, dass bislang keine Rädelsführer der Proteste vor Gericht gestanden hätten, sondern Mitläufer.

Der Kampf um die Deutungshoheit über die Kapitol-Erstürmung ist auch ein Ausdruck für die tiefe Spaltung innerhalb der US-amerikanischen Gesellschaft. Während der ehemalige Präsident Trump bekannt ist für alternative Fakten oder Fake News, nehmen es die Demokraten und liberale Medienhäuser oft auch nicht sehr genau, wenn es um die politischen Gegner geht.

So waren in den Wochen nach der Erstürmung des Kapitols durch die Trump-Anhänger einige höchst merkwürdige Wortmeldungen zu vernehmen. Viele Medien behaupteten wochenlang - und auch US-Präsident Biden sprach davon in seiner Amtseinführung - dass der am 7. Januar verstorbene Kapitol-Polizist Brian Sicknick von Trump-Anhängern mit einem Feuerlöscher erschlagen wurde. Dabei waren die Umstände des Todes überhaupt nicht geklärt.

Mittlerweile ist klar, dass Sicknick einen Tag nach den Protesten an einem Herzinfarkt gestorben ist. Sein Tod hängt möglicherweise mit von Trump-Anhängern versprühtem Pfeffer-Spray zusammen. Geradezu Fake-News verbreiteten die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton sowie Nancy Pelosi (beide von der Demokratischen Partei), als sie insinuierten, Donald Trump habe am 6. Januar möglicherweise mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert.

In einem Gespräch mit Frau Clinton für den Podcast "You and Me Both" am Montag sagte die ehemalige Außenministerin, dass sie gerne das Telefon von Herrn Trump sehen würde, um zu sehen, ob er am 6. Januar - dem Tag der Unruhen - mit Herrn Putin gesprochen hat.

Independant

Pelosi nannte die Protestierenden damals auch "Putins Puppen". Die Beispiele zeigen, dass Medien manchmal ihre journalistischen Standards vergessen, wenn es "die Richtigen" trifft - also die Bevölkerungsgruppen, die man politisch ablehnt. Dass zwei der höchstrangigen US-Politikerinnen versuchen, die Ereignisse vom 6. Januar ohne jedwede Beweise oder Indizien indirekt mit einem äußeren Feind in Verbindung zu setzen, ist unseriös.

Eine solche Herangehensweise überlagert die echte politische Aufarbeitung. Das Hickhack um die Einsetzung und die Ziele des Untersuchungsausschusses könnte die Gräben in den USA deswegen eher noch vertiefen, wie manche Beobachter bereits jetzt befürchten.