Sturz Husseins durch Oppositionelle unwahrscheinlich

Ein eben jetzt bekannt gewordener CIA-Bericht über den Irak dürfte dem Weißen Haus nicht gefallen, das bereits unzufrieden mit den die Irak-Politik nicht ausreichend unterstützenden Geheimdienstberichten ist

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Die Unmut der Falken in der Bush-Regierung gegenüber der CIA wird durch einen Bericht womöglich noch steigen der jetzt bekannt wurde. Vor dem Geheimdienstausschuss des Senats legte der Geheimdienst dar, dass interner Widerstand gegen Saddam Hussein ziemlich unwahrscheinlich ist.

Trotz Drängens der Bush-Regierung hatte die CIA in ihren Berichten bislang nicht behauptet, dass Hussein tatsächlich noch über Massenvernichtungswaffen verfügt, sondern nur behauptet, dass die Möglichkeit bestünde. Auch was die Verbindung zwischen dem Regime im Irak und al-Qaida angeht, hielt sich der Geheimdienst auffällig zurück. Selbst die von Bush immer wieder für eine schnelle "Entwaffnung" oder einen Regimewechsel angeführte Behauptung, dass der Irak eine unmittelbare Bedrohung der USA darstelle, wurde nicht wirklich ausgefüllt. Das hat offenbar Ärger ausgelöst.

Verteidigungsminister Rumsfeld sprang ein und gab bestätigte die Meldung der New York Times vom 23. Oktober, dass eine kleine unabhängige Gruppe die Berichte der Geheimdienste eigenständig überprüfe - und dass dies nicht erst seit kurzem geschehe, sondern die Gruppe bereits kurz nach dem 11.9. eingerichtet worden sei. Die Gruppe verwende leistungsstarke Computer und Software, um Dokumente und Berichte der Geheimdienste im Sinne des "Data Mining" zu durchsuchen. Gegenwärtig sei die Hauptaufgabe, Verbindungen des Irak-Regimes mit dem Terrorismus herauszufinden.

Natürlich wies Rumsfeld die in der New York Times geäußerten Vermutungen zurück, dass die Bush-Regierung mit den Geheimdiensten unzufrieden sei und nun sozusagen der eigene Geheimdienst die bislang unterstellten, aber nicht von den Geheimdiensten in vollem Umgang bestätigten Beweise für die Verbindung zwischen al-Qaida und Bagdad und die Existenz von Massenvernichtungswaffen liefern soll. Es gäbe, so Rumsfeld, enge und gute Beziehungen zwischen dem Verteidigungsministerium und den Geheimdiensten. Es würden auch keine eigenständigen Aufklärungsberichte erstellt, man suche lediglich die Geheimdienstinformationen, die ja nur "beste Schätzungen" seien, anzuschauen, darüber nachzudenken und sie zu bewerten. Auch Vizeverteidigungsminister Wolfowitz stritt ab, dass die Geheimdienstgruppe eigene Informationen beschaffe oder herstelle.

Ganz überzeugend ist das freilich nicht. Zumindest wurde jetzt erst in einem Ausschussbericht die Lageeinschätzung des CIA bekannt gegeben, wie Washington Times berichtete, die eigentlich bereits seit April vorliegt. Spekuliert wurde im Weißen Haus beispielsweise, dass Saddam Hussein von Regimegegner gestürzt werden könnte - Ari Fleischer, der Sprecher des Weißen Hauses, ließ denn auch erkennen, dass eine Ermordung der US-Regierung durchaus Recht wäre und viel Geld sparen könnte (Freie Hand für den Krieg). Man setzt auch darauf, dass bei einem Angriff die Regimegegner und abtrünnige Militärs sich erheben und ähnlich wie in Afghanistan die Warlords und Kämpfer der Nordallianz am Boden aushelfen. Das Pentagon plant, Mitglieder von Oppositionsgruppen militärisch ausbilden (US-Regierung denken über Militärverwaltung im Irak nach). Das Geld dafür wurde bereits bewilligt.

Der CIA-Bericht hingegen sagt, es sei unwahrscheinlich, dass jemand aus dem inneren Kreis um Hussein sich gegen ihn erheben würde: "In Bagdad sehen hohe Regierungsmitglieder und Militärs ihr Schicksal mit Saddam verbunden und ihre Treue wird wahrscheinlich durch die jahrzehntelange Propaganda des Regimes gegen die UN-Sanktionen und den Westen gestärkt, die Saddam als notwendig für das Überleben und die Integrität des Staates herausstellt." Bekanntlich hat Saddam Hussein umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen zu seinem Schutz getroffen und stützt sich auf ausgewählte Einheiten der Republikanischen Garde.

Der CIA-Bericht wiest überdies darauf hin, dass Saddam über einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat verfügt. Und selbst seine reduzierten Truppen wären noch in der Lage, schlecht bewaffnete Oppositionsgruppen zu besiegen. Und auch für die Lage einer Nach-Hussein-Regierung hält der Bericht fest, dass es sehr darauf ankommen wird, wie Saddam "die Bühne verlässt", aber dass die neue Regierung große Schwierigkeiten bewältigen müsse, um Stabilität zu erreichen. Nicht nur würden die vielen ethnischen Gruppen eine größere Autonomie fordern, die Jahrzehnte dauernde Diktatur hätte auch den Irakern jede Möglichkeit verwehrt, demokratische Traditionen der Konsensbildung aufzubauen.

Inzwischen setzen die USA den Sicherheitsausschuss der Vereinten Nationen weiter unter Druck, eine scharfe Resolution zu verabschieden, die es vermutlich der US-Regierung erlauben würde, wie bereits 1998 geschehen, ohne erneute Resolution einen Bruch der Vereinbarungen festzustellen und mit Konsequenzen zu ahnden, also womöglich einen Krieg zu beginnen.

Wie die Reaktionen zeigen, versucht Hussein hingegen die Legitimität des amerikanischen Drucks auf eine militärische Lösung mit Schachzügen zu untergaben. So forderte nun Vizepräsident Taha Jassin Ramadan, dass die Waffeninspektoren der UN von Journalisten und anerkannten Persönlichkeiten begleitet werden sollen, weil man fürchte - sicherlich nicht ganz zu Unrecht -, dass die Berichte der Inspektoren als Grund für einen Krieg benutzt werden könnten. Die Ausnutzung der medialen Öffentlichkeit würde sicherlich bremsend wirken, zumal wenn auch "befreundete" oder amerikafeindliche Begleiter dabei wären.

Neben den Schachzügen des Irak und den schwierigen Verahndlungen im UN-Sicherheitsrat ist der US-Regierung mit Nordkorea (und wahrscheinlich auf die Länge auch mit Russland und seiner Bereitschaft, chemische Waffen oder zumindest Gase einzusetzen, die tödlich wirken) ein neues Begründungsproblem für die Einzigartigkeit des Irak, erwachsen. Inzwischen hat Nordkorea es nämlich abgelehnt, sein Atomwaffenprogramm einzustellen.