US-Regierung denken über Militärverwaltung im Irak nach
Bush garantiert Übernahme der Ölindustrie, die irakische Opposition gespalten
Die Bush-Regierung ist weiterhin entschlossen, einen Regimewechsel im Irak herbeizuführen, auch wenn im Augenblick dies rhetorisch in der Hintergrund tritt. Was danach kommt, ist aber alles andere als klar - weswegen auch entschiedene Gegner des irakischen Regimes einem Krieg skeptisch gegenüberstehen.
"Wenn die Amerikaner Saddam Hussein stürzen - woher weiß ich, ob er nicht durch einen neuen Saddam Hussein ersetzt wird? Und woher weiß ich, dass die heute noch moderaten Nachbarländer ihre Spitzen nicht auswechseln gegen ein halbes Dutzend Saddam Husseins? Die Frage, was am Morgen danach geschieht, ist unbeantwortet", kritisierte etwa der israelische Schriftsteller Amoz Oz.
US-Präsident George W. Bush hat zwar am 12. September vor den Vereinten Nationen gesagt, dass eine Nachkriegsregierung im Irak "auf dem Respekt vor den Menschenrechten, ökonomischen Freiheiten und international überwachten Wahlen" basieren müsste. Mehr hörte man aber nicht, wie sich die US-Regierung die Zukunft des Irak nach einem Sturz Saddam Husseins vorstellt. Bis die New York Times am 11. Oktober 2002 von Plänen berichtete, wonach wie in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg eine von den USA geführte Militärverwaltung eingerichtet werden soll. Als Gouverneur eines besetzten Irak wird General Tommy Franks gehandelt, der Oberkommandierende der US-Streitkräfte am Persischen Golf.
Das Blatt beruft sich auf Mitglieder der Bush-Administration, die allerdings auch betont hätte, dass die Pläne noch nicht offiziell abgesegnet seien und auch nicht klar sei, in wie weit die Verbündeten konsultiert wurden. Ebenfalls unter Berufung auf Beamte in Washington nannte die New York Times zwei Gründe für das Besatzungsmodell: Erstens soll ein Chaos vermieden werden, wie es seit der Vertreibung der Taliban in Afghanistan bestehe. Zweitens wolle die Armee volle Kontrolle über das Land, um alle Massenvernichtungswaffen aufspüren zu können.
Ob das Modell Japan auf den religiös und ethnisch zersplitterten Irak mit den Kurden im Norden und den Schiiten im Süden übertragbar ist, wird von vielen Kommentatoren bezweifelt. "Alles, was MacArthur tun musste, war, die Göttlichkeit des Kaisers abzuschaffen, die Generäle loswerden, die politischen Parteien wiederherzustellen und die Verfassung so umzuschreiben, dass sie zivile Freiheiten und volle Bürgerrechte garantiert", so Ian Buruma am 15 Oktober 2002 im Guardian. Auch habe der US-General Douglas MacArthur das Land nicht direkt regiert, sondern die japanische Verwaltung sei weiter intakt gewesen: "Was der Irak braucht, ist eine Revolution, keine Wiederinstandsetzung."
Eine Militärverwaltung hätte aber einen ganz entscheidenden Vorteil. Die USA hätten die Entwicklung der Erdölindustrie des Landes unter Kontrolle. Die Kosten der Besatzung könnte Irak mit Erdöl bezahlen, der Löwenteil der Erdölindustrie ginge an amerikanische Konzerne. Nach einem Bericht der NY Daily News ist es eines der ersten amerikanischen Kriegsziele, die irakischen Ölfelder zu sichern, bevor Saddam Hussein sie in Brand stecken kann wie 1991 in Kuwait. Nach dem Krieg würden amerikanische Firmen die irakischen Ölfelder modernisieren - diese Ankündigung soll Bush letzten Monat bei einer Konferenz gemacht haben. Gemeint war das als Zusicherung, dass nach einem Krieg der Ölfluss aus dem Irak nicht versiegen würde.
Q: Why not just say we want him Saddam to go? Why not just say we want him overthrown, we want him out?
MR. FLEISCHER: The policy is regime change. Saddam Hussein is the heart of the regime.
Q: But can you define regime change? Can regime change exist, and Saddam still be in power?
MR. FLEISCHER: This is like how many angels, or in this case, how many devils can dance on the head of a pin.
Q: -- you guys use all the time. This is crucial, you have to define it.
MR. FLEISCHER: The resolution that Congress passed didn't define regime change." - Pressekonferenz am 22.10.
Die Pläne über eine mögliche Militärverwaltung bedeuten auch eine Absage an bisherige Überlegungen, die irakische Opposition an die Macht zu bringen. Offenbar setzt Washington jetzt auf einen Pool von eigens ausgebildeten Leuten, die dem amerikanischen Militär während und nach dem Krieg zur Verfügung stehen. Laut Washington Post vom 19. Oktober hat Präsident Bush in einer "National Security Presidential Directive" vom 3. Oktober grünes Licht für die militärische Ausbildung vom 5.000 irakischen Oppositionellen gegeben.
Die Auswahl der Rekruten wird weitgehend dem "Iraqi National Congress" (INC) von Ahmed Chalabi überlassen, der damit gestärkt wird. Laut "Washington Post" lassen sich die irakischen Oppositionsgruppen den einzelnen Teilen der US-Administration zuordnen. Chalabi ist in dieser Einteilung der Mann des Pentagon. Andere Oppositionsgruppen wie der Supreme Council for Islamic Revolution in Iraq oder die "Patriotic Union of Kurdistan" (PUK) zeigten sich enttäuscht. Die PUK sprach sich prinzipiell gegen eine "ausländische Besatzung" des Irak aus. Die Arabische Liga lehnte die Pläne als "lächerlich" ab.
Eine dauerhafte amerikanische Besatzung im Irak dürfte das Image der USA im Nahen Osten kaum verbessern. Ex-Außenminister Henry Kissinger gab zu Protokoll, er sei gegen eine "längere Besetzung eines muslimischen Landes im Herzen der muslimischen Welt durch einen westlichen Staat, der für sich das Recht in Anspruch nimmt, das Land umzuerziehen".
Zwar wies Victoria Clarke, im Verteidigungsministerium zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, den Verdacht zurück, die USA wollten einfach arabisches Land erobern. "Darum geht es uns nicht, das ist nicht unsere Absicht, und das wird sicher nicht Teil unserer Planungen sein", sagte sie während einer Pressekonferenz am 11. Oktober. Aber ob sich diese guten Absichten in der arabischen Welt vermitteln lassen?