"Suche Frieden" und finde die staatstreue Christenlehre

Seite 2: Für welches politische "Engagement" sollen wir dankbar sein?

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Wofür nun sollen wir dankbar sein - ohne dabei eine "Kritik der Politik" anzugehen? Statt dem Frieden in der Welt zu dienen, sorgt Deutschland im Welt-Quartett der erfolgreichsten Rüstungsproduzenten dafür, dass seine Waffen und andere Kriegsproduktionen auf dem ganzen Globus zum Tötungseinsatz gelangen (Jemen und Afrin inklusive).

Wege und Umwege des Exports sind unerfindlich. Die Rüstungslobby engagiert sich im Parteiengefüge und ist im Militärministerium gleichsam institutionell verankert. Der Absatz auf dem Weltmarkt mit hohen Stückzahlen beschwingt die technologische Entwicklung und die eigene Aufrüstung. Durch "militärische Ertüchtigung" in fernen Ländern (z.B. Sahel-Zone) will man sich Einfluss auf der Erdkugel sichern. Profitable Kriegsindustrie und Politik lassen sich mitnichten trennen.

Deshalb glauben die Menschen schon lange nicht mehr den Versprechungen, es sollten in Deutschland die Rüstungsexporte ernsthaft reglementiert und zurückgefahren werden: "Leere Worte mehren nur den Schmerz!"

Die verheerende Bilanz der Auslandseinsätze des Militärs, bei denen z.B. auch nach Jahrzehnten (!) zuvor ausgebildete und ausgestattete Waffenträger als Gewaltakteure in Erscheinung treten, wird verschleiert. Zu erwarten wäre zumindest bei Endlos-Einsätzen der Bundeswehr eine unabhängige wissenschaftliche Überprüfung.

Man befragt stattdessen lieber eigene Experten, d.h. die Funktionäre des irrationalen Militärkomplexes. Soldaten, die bei ihrer Heimkehr in Psychiatrien eingeliefert werden, mögen dagegen von ihren Erfahrungen lieber schweigen. Es interessiert sich sowieso niemand für sie, auch nicht die Amtskirchen.

Inzwischen gehört es gleichsam zur Staatsräson, dass die eigene Militärdoktrin mit der Sicherung geostrategischer und geo-ökonomischer Machtinteressen, mit freien Märkten, Meeren und Handelswegen sowie mit der Abwehr(!) von Flüchtlingen aus Elendsregionen zu tun hat. Spätestens ab 2006 haben tausende Christinnen und Christen von unten die großen Kirchen aufgerufen, eine solche Militarisierung der deutschen Politik öffentlich anzuklagen.

Ich gestehe, dass ich auf dem Katholikentag in Münster vollends die Hoffnung verloren habe, die derzeitigen Kirchenleitungen in Deutschland samt "Laiengremien" könnten sich in diesem Zusammenhang doch noch zu einem friedensethischen Klartext durchringen.

Bezogen auf das Feld der als humanitär, menschenrechtlich, philanthropisch etc. deklarierten Interventionen ist absehbar, dass die Denkfigur "bellum iustum" (Doktrin des "gerechten Krieges") in einschlägigen Ethik-Werkstätten reanimiert wird: Man betreibt Militärethik und nennt es Friedensethik.

Ein Beitrag ausgerechnet in der aktuellen Mai-Ausgabe der Jesuitenzeitschrift "Stimmen der Zeit" macht schon mal den Anfang. Derweil gibt es aber gar keine großangelegten Anstrengungen, eine taugliche - also nichtmilitärische - Infrastruktur zur vorbeugenden Verhinderung von Massenelend und Genozid zu entwickeln.

Die Kirchen hätten genügend Sachverstand zur Verfügung, um zu erkennen, dass für eine praktische "Schutzverantwortung", die wirklich Menschen rettet statt zur Legitimation des global agierenden Kriegsapparates beizutragen, allenfalls "Portokassen" (Hans von Sponeck) zur Verfügung stehen. Im Kongo z.B. droht für 400.000 Kinder der Hungertod. Das wissen die untätigen Länder aber nicht erst seit letzter Woche.

Obwohl das Weltgefüge von Hegemonie sich im rasanten Wandel befindet und man sich punktuell auch vom Mad Man in Washington distanziert, soll weiterhin nach den absurden - ja menschenverachtenden - Paradigmen des letzten, nicht mehr lange aufrecht zu erhaltenden Imperial-Gefüges agiert werden. Unverdrossen sollen zuvor selbst produzierte Terroristen gejagt und vermehrt werden - in alle Ewigkeit.

Die militarisierte Weltpolitik raubt der menschlichen Zivilisation jede Perspektive (und alle Ressourcen) zur Lösung der drängenden Zukunftsfragen. Sie ist mit dem Überleben der menschlichen Gattung schier unvereinbar. Doch diese Grundsatzfrage wird nicht gestellt!

Die Entwicklung einer intelligenten Alternative für die Weltgesellschaft erfordert zwingend eine Umwidmung aller militärischen Budgets. Solches steht freilich nicht auf der Tagesordnung und wird auch nicht geschehen, solange durch Krieg und Todesindustrien tausendfache Milliardenprofite erzielt werden können.

Mit dauerhaftem Frieden, das wissen die Aktionäre von Konzernen für Tötungstechnologie (z.B. Rheinmetall), lässt sich einfach nicht genug Geld verdienen. Diese Sache ist so unwichtig, dass es nicht einmal ein Friedensministerium gibt. Eine eigentliche Friedensforschung, die sich von der Esoterik militärischer Beherrschungswissenschaften fernhält, findet nach wie vor nur in Hinterhofwinkeln statt.

Der von Schauermärchen über schlechte Ausrüstung und Mangelausstattung in allen staatstragenden Medien flankierte Kurs heißt: Aufrüstung, Aufrüstung, Aufrüstung. Das gilt auch für die Europäische Union, die ihr Projekt einer gemeinsamen Kriegsgüteragentur mit einer "Permanenten Strukturierten Militärkooperation" zum Ziel führen wird und schon lange keine Friedensvisionen mehr hervorbringt. "Quantensprünge" in Milliardenhöhe stehen bei den Ausgaben für Kriegstechnologie an.

Zumindest das zementierte Festhalten der Regierungsparteien an der deutschen Atombombenteilhabe und an der damit einhergehenden Missachtung eigener Vertragsverpflichtungen sollte noch als Beispiel genannt werden. Der Papst hält bereits Produktion und Besitz dieser ultimativ menschenverachtenden Waffen für verwerflich.

Hätte Kardinal Reinhard Marx nur an diesem einen Punkt in seiner Predigt konkret gesprochen und eine "Kritik der Politik" gewagt, so wäre das "Mehr der christlichen Hoffnung" vor dem Münsterischen Schloss für ein riesiges Fernsehpublikum glaubhaft unter Beweis gestellt worden.

Noch sind die beiden großen Kirchen in Deutschland gemeinsam stark genug, eine erfolgreiche Bewegung zur Aushebung der atomaren Mordlager in Büchel und zum Ausrufen einer Friedensoffensive in Gang zu setzen. Doch ihr sogenanntes Spitzenpersonal will mehrheitlich lieber Ruhe, hohe Staatskirchengehälter und Staatsempfänge.

Der Ruf zum friedenspolitischen Paradigmenwechsel blieb in Münster aus!

Der gastgebende Ortsbischof von Münster hat sich auf dem Katholikentag am 10. Mai immerhin für die Renaissance einer breiten Friedensbewegung im öffentlichen Raum ausgesprochen und eine symbolische Waffenvernichtung gewünscht. Im "Münsteraner Manifest" des Zentralkomitees der Katholiken, das Leute mit rechtskatholischen Tendenzen gezielt abschreckt, konnte man am gleichen Tag eine moderate Kritik an nahen Kriegsprofiten nachlesen.

Die zuerst von Anhängern des Militärparadigmas erfundene Losung für eine "neue deutsche Weltverantwortung" wird von den Autoren wohl zumindest vorrangig als Verantwortung für Diplomatie, politische Lösungen und zivile Konfliktlösung verstanden. Doch warum wählten sie trotzdem die 2014 auf einer Münchener "Sicherheits"-Konferenz kanonisierte Überschrift?

Einen drängenden Ruf an die Politik in Deutschland, endlich von der bankrotten militärischen Heilslehre zu lassen und einen durchgreifenden Paradigmenwechsel zugunsten einer rationalen Weltfriedenspolitik einzuleiten, gab es in Münster nicht. Diese Leerstelle sticht ins Auge. Direkt einen Tag nach Ende des Katholikentags sandten Kanzlerin und Militärministerin das Signal aus, es solle der Kurs der weiteren Aufrüstung in Deutschland verfolgt werden. Vorfahrt für "Panzer" - und Kriegskonzerne.