Sudan: Die Geschichte einer gescheiterten State-Building-Mission

Seite 2: Waffen von Freunden für Freunde

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Als er sein Amt antrat, entdeckte der neue Präsident schnell, dass die Vorgängerregierung erheblich mehr für die südsudanesische Unabhängigkeit unternommen hatte, als öffentlich bekannt war. Der Stein kam bei den jährlichen Gesprächen über die Nicht-Verbreitung von Waffen mit der Ukraine ins Rollen. Als eine der größten Waffenschmieden Europas hatte das Land unter Wiktor Juschtschenko im Jahr 2008 zugestimmt, sich regelmäßig mit der Nonproliferation Working Group des US-Außenministeriums zu koordinieren.

Sehr schnell stellten die amerikanischen Waffenkontrolleure fest, dass die Ukraine eine kleine Panzerarmee bestehend aus T-72 in den Südsudan lieferte. Bei den Gesprächen im September 2009 dementierte die ukrainische Seite diesen Vorwurf allerdings hartnäckig, obwohl die US-Waffenkontrolleure ihre Anschuldigungen mit entsprechenden Satellitenaufnahmen belegen konnten. Offensichtlich waren die Panzer nach Kenia verschifft und von dort per Bahn in den Südsudan transportiert worden.

Der oberste US-Beauftragte in den Gesprächen, Vann Van Diepen, reagierte auf das Dementi sichtlich erbost und verwies auf eine Absprache, dass die Ukraine die T-72 Panzer, fahrbare Raketenwerfer vom Typ Grad sowie Kleinwaffen und militärische Ausrüstung an Kenia liefern konnte. Aus dem Gespräch, das in den von Wikileaks veröffentlichten Cables enthalten ist, wird auch deutlich, dass zuvor bereits zahlreiche Schiffsladungen an Waffen denselben Weg genommen hatten.

Selbst als Gesprächsführer Van Diepen Listen vorlegte, in denen die SPLA die aus der Ukraine gelieferten Waffen aufführt, und der ukrainischen Seite äußerst undiplomatisch Lügen vorwarf, reagierte deren Gesprächsführer nur mit dem schmallippigen Hinweis, man werde die "special agencies" mit der Klärung beauftragen.

Drei Wochen später informierten die Waffenkontrolleure in einem geheimen Memo das Außenministerium. Sie legten dar, dass der internationale Waffendeal bereits seit dem Jahr 2007 besteht und zusätzlich zu den bereits aufgezählten Waffentypen auch Hubschrauber umfasst. Vann Van Diepen bat seine Behörde, das Handeln der kenianischen Partner zu klären und wies darauf hin, dass "die USA und die internationale Gemeinschaft" sehr besorgt seien, dass Waffenlieferungen die Region destabilisieren und dass die Belieferung des Sudan nach US-Recht eine "Unterstützung für Terrorismus" darstellt.

Als der amerikanische Botschafter in Kenia, Michael Ranneberger, die Angelegenheit dort zur Sprache brachte und gleich Sanktionen <androhte, reagierten die Kenianer allerdings ungewohnt grob. Man sei "very confused" über das amerikanische Verhalten. Schließlich habe man die Transporte in enger Absprache und unter vollständige Offenlegung mit den USA durchgeführt. Die Amerikaner sollten der SPLA bitte selbst erklären, warum sie die Waffenlieferungen nun unterbrechen.

Die kenianische Regierung sei "verständlicherweise irritiert", meldete der Botschafter nach Washington. Immerhin würde die Waffenlieferung mit dem amerikanischen Ziel übereinstimmen, die SPLA von einer Guerilla in eine kleine konventionelle Armee zu verwandeln, um ein Gegengewicht zu den militärischen Kapazitäten von Khartum zu schaffen. In diesem Zusammenhang erwähnt der Botschafter auch eine Direktive von Präsident George Bush aus dem Mai 2007, der zufolge die USA ein militärisches Trainingsprogramm für die SPLA durchführen. Also schlägt Michael Ranneberger vor, einen Weg zu suchen, wie der Deal im Sinne des "Übergreifenden Friedensabkommens" fortgesetzt werden kann.

Ziemlich beste Freunde: Bewaffnete Söldner

Dieser kleine diplomatische Eklat um eine große Waffenhilfe für eine irreguläre Armee in Afrika illustriert sehr deutlich, wie wenig wählerisch die US-Außenpolitik hinsichtlich ihrer Partner ist. Immerhin bediente sich die SPLA anfänglich einer ausgeprägten marxistischen Rhetorik. Als ob dies nicht reichte, wurde die Organisation zunächst hauptsächlich von Libyen und Äthiopien, in dieser Zeit die Erzfeinde der USA, unterstützt und hatte, wie gesagt, im Jahr 1984 sogar mehrere US-Bürger im Sudan ermordet.

Seitdem die Organisation den bewaffneten Kampf aufnahm, stand sie wegen unterschiedlichster Verstöße gegen die Menschenrechte in der Kritik. Eine Standarderöffnung in den Jahresberichten von Amnesty International zum Sudan lautete in all den Jahren des Bürgerkriegs: "Soldaten der SPLA waren für Übergriffe wie Folterungen sowie vorsätzliche und willkürliche Tötungen von gefangengenommenen Personen und unbewaffneten Zivilisten verantwortlich." Regelmäßig berichten Beobachter von Zwangsrekrutierungen, Vergewaltigungen und Tötungen. So lautet etwa ein willkürlich herausgegriffener Absatz aus dem Amnesty-Bericht 1996:

Im Juli haben SPLA-Kräfte und mit ihnen verbündete bewaffnete Zivilisten in Upper Nile in mehreren Dörfern in der Umgebung von Ganyliel mehr als 200 Menschen vorsätzlich und willkürlich getötet, darunter mindestens 120 Kinder. Es wurden Dorfbewohner in ihren Häusern erschossen und Kinder in brennende Gebäude geworfen.

Wann genau die amerikanische Außenpolitik die SPLA zu ihrem Bündnispartner auserkoren hat, lässt sich anhand der von Wikileaks veröffentlichten Depeschen nicht genau feststellen. Sicher ist, dass Abgeordnete des Kongresses wie der Demokrat Donald Payne und der Republikaner Frank Wolf spätestens seit 1989 enge Kontakte zur SPLA unterhielten. Doch schon in den Jahren zuvor betätigten sich einzelne informelle Institutionen der US-Außenpolitik wie die angebliche NGO U.S. Committee for Refugees von Roger Winter als SPLA-Lobby in Washington.

Seit Ende der 1990er Jahre - also mit dem Beginn der großen Erdölexporte - waren deren Führer John Garang und Salva Kiir schließlich regelmäßig auch offiziell zu Gast. Bei einer dieser Gelegenheiten erhielt Salva Kiir sein Markenzeichen aus den Händen von Präsident George Bush, den schwarzen Cowboy-Hut, mit dem er fortan immer auftrat. Mit der Ernennung eines Sonderbeauftragten für den Sudan machte George Bush die Angelegenheit im Jahr 2001 schließlich offiziell zur Chefsache.