Südafrika: "Fallisten" wollen Naturwissenschaften abschaffen

Bewegung sieht Abschied als Voraussetzung für Dekolonisierung

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In Südafrika macht derzeit eine Bewegung auf sich aufmerksam, die fordert, die Naturwissenschaften der "Dekolonisierung" wegen komplett abzuschaffen. Diese, so eine Fallisten-Teilnehmerin an einer Diskussion an der Universität Kapstadt, seien "als Ganzes ein Produkt der westlichen Moderne" und müssten deshalb "abgekratzt" und durch ein "ganz neues Verständnis der Umwelt und unserem Verständnis davon" ersetzt werden.

Fallistin spricht an der Universität Kapstadt über Hexen, die Blitze einschlagen lassen. Screenshot: TP

Als Beispiel für die angebliche Unzulänglichkeit der Naturwissenschaften führt sie an, dass man in KwaZulu-Natal glaubt, es gebe Hexen, die dafür sorgen können, dass Leute vom Blitz getroffen werden. Auf die rhetorische Frage ins Publikum, wie Naturwissenschaften das erklären, weil es doch passiere, meinten die dort Angesprochenen, so etwas passiere eben gerade nicht. Auf Twitter stimmt man dieser Erwiderung unter dem vorher vor allem von den Fallisten genutzten Hashtag #sciencemustfall überwiegend zu.

Parallelen zu SJWs

Die Fallisten sind (ähnlich wie die amerikanischen SJWs, die Versatzstücke aus Gender Studies und African American Studies vulgarisierten und als Dogmen setzten) aus einer akademischen Mode entstanden, den Postcolonial Studies. Dass sie noch radikalere Forderungen als ihre amerikanischen Äquivalente äußern, liegt unter anderem an der Nähe zu Bewegungen wie den extremistischen Economic Freedom Fighters (EFF), der Partei und Bewegung des ehemaligen ANC-Jugendorganisationschefs Julius Malema (vgl. ANC verliert bei Kommunalwahlen in Südafrika).

Malema, ein Pedi (Nordsotho), wurde 2012 aus dem ANC ausgeschlossen, nachdem er dazu aufgefordert hatte, die Regierung des benachbarten Tswana-Staates Botswana zu stürzen, weil diese ein "Schemel des Imperialismus" sei.

Allerdings geht es den Bewohnern Botswanas mit einem Wirtschaftswachstum von 5,2 Prozent und einer Inflationsrate von 3,8 Prozent für afrikanische Verhältnisse relativ gut - anders als denen im nordöstlich davon gelegenen Simbabwe, dessen Staatschef Robert Mugabe von Malema verehrt wird, weil er massenhaft weiße Farmer enteignete, ohne auf die wirtschaftlichen Konsequenzen Rücksicht zu nehmen (vgl. Afrikanischer Präsident als "Rassist des Jahres" ausgezeichnet und Simbabwe setzt die Gültigkeit seiner Währung aus).

Verbindung zu "Economic Freedom Fighters"

Solche Enteignungen propagiert der EFF-"Oberbefehlshaber" auch für Südafrika, wo sie nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im Bergbau- und Energiesektor stattfinden sollen. Und zwar entschädigungslos. Das Lied "Kill the Boer", die Quasi-Hymne seiner Bewegung, ruft sogar dazu auf, Farmer zu töten. Wäre die EFF eine deutsche Partei, hätte das Bundesverfassungsgericht keine Mühe, sie zu verbieten. Auch deshalb, weil Malema dem arabischen Sender al-Dschasira sagte, er und seine einheitlich rot uniformierten Anhänger würden die südafrikanische Regierung "mit der Waffe in der Hand entfernen", wenn sie anders nicht verschwindet.

Im Mail&Guardian, der traditionsreichsten linksliberalen Wochenzeitung Südafrikas, warnte Marius Oosthuizen deshalb davor, das Phänomen Fallisten auf die leichte Schulter zu nehmen und zu belächeln:

Narrative, so einfach wie ein Fernsehdrama

Seiner Meinung nach fallen ihre Narrative (die das Funktionieren der Welt zwar nicht annähernd zutreffend wiedergibt, sich jedoch trotzdem schnell verbreiten, weil sie so simple Lösungen verheißen wie ein Fernsehdrama) bei einer von den Versprechungen des Apartheid-Endes enttäuschten Jugend (die statt eines Trickle-Down-Effekts nur eine "Sprinkleranlage" erlebt, die Begünstigungen auf Parteigänger träufelt) auf so fruchtbaren Boden, dass daraus ein "neuer faschistischer Nationalismus" entstehen und dafür sorgen könnte, dass es an Universitäten statt Auseinandersetzungen mit Ideen Auseinandersetzungen mit Steinen und Kugeln gibt.