Südkaukasus vor Großkrieg?

Seite 2: Türkischer Dschihadistenexport gen Kaukasus

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Seit der kurzfristigen militärischen Eskalation zwischen Armenien und Aserbaidschan im vergangenen Juli hat sich Ankara verstärkt als der zentrale Unterstützer Aserbaidschans positioniert, was nicht nur durch nationalistische Propaganda, die über die desolate Wirtschaftslage hinwegtrösten soll, motiviert ist. Seit dem türkischen Genozid an den Armeniern, dessen verbissene Leugnung Teil türkischer Staatsräson ist, dienen Armenier als Sündenböcke und Feindbilder des türkischen Nationalismus wie Islamismus.

Hinzu kommen aber handfeste strategische Überlegungen. Mit der massiven Unterstützung für Baku will sich Ankara im Kaukasus als ein neuer geopolitischer Akteur etablieren, sodass sich die Türkei hier auf Konfrontationskurs mit Moskau bewegt. Die Türkei hofft, durch die Expansion in dieser traditionellen russischen Einflusssphäre ihre Abhängigkeit von russischen Lieferungen von Energieträgern mindern zu können.

Mitte August, kurz nach dem armenisch-aserbaidschanischen Zusammenstößen im Juli, weilte eine hochrangige türkische Militärdelegation in Baku, um eine raschen Intensivierung der militärischen Kooperation zwischen beiden Ländern zu besprechen, in deren Folge die Türkei zum "Partner Nr. 1" Aserbaidschans aufsteigen solle, so Staatschef Allijew anlässlich der Visite.

Insbesondere Mehrfachraketenwerfer und türkische Kampfdrohnen stoßen in Aserbaidschan auf rege Nachfrage. Zuvor, Anfang August, hielten türkische und aserbaidschanische Truppen gemeinsame Militärmanöver in dem Kaukasusstaat ab, die als Reaktion auf die Kämpfe in Nordarmenien vom Juli gewertet wurden.

Die Unterstützung des islamisch-nationalistischen Regimes in Ankara für die aufgrund ethnischer und religiöser Verbindungen als "Brudervolk" wahrgenommene Republik Aserbaidschan geht aber noch weiter. Israelische Medien meldeten kurz vor Ausbruch der aktuellen Feindseligkeiten, dass Ankara nicht nur die "Rhetorik" gegenüber Armenien verschärft, sondern zugleich mehrere hundert syrisch-islamistische Söldner nach Aserbaidschan verlegt habe, um die anstehende Offensive gegen Nagrony-Karabach zu unterstützen.

Ähnliche Berichte, die auch in griechischen Medien zirkulierten, sprechen von bis zu 1.000 Islamisten, die mit Gehältern von rund 600 US-Dollar geködert würden. Diese seit Tagen verbreiteten Meldungen berufen sich auf syrische Oppositionskräfte und kurdische Quellen in Nordsyrien, die ebenfalls von diesem türkischen "Dschihadistenexport" gen Kaukasus berichten.

Die günstigen Gotteskämpfer sollen nicht nur im türkisch besetzten Nordsyrien und dem Kanton Afrin rekrutiert werden, wo sie massive Menschenrechtsverletzungen begehen, sondern mitunter direkt aus Libyen verlegt werden, wo die türkische Praxis des Söldnerexports zuerst erfolgreich etabliert wurde. In Afrin sollen regelrechte Anwerbebüros für all jene Dschihadisten eröffnet worden sein, die bei den Plünderungszügen in Nordsyrien zu kurz kamen.

Damit scheint die Türkei nun im Kaukasus auf Eskalation zu setzen, indem sie auf die in Libyen bewährte Taktik einer informellen und indirekten militärischen Intervention setzt, bei der islamistische Söldnertruppen als Kanonenfutter dienen. Somit scheint Erdogan aber auch gegenüber Putin auf Konfliktkurs zu gehen.