"Sumar": Neues Linksbündnis spaltet, statt zu summieren

Yolanda Díaz. Bild: AntonMST29 / CC BY-SA 4.0

Spanische Linke zeigt, wie man es besser nicht machen sollte. Aufgebaut wird ein Konkurrenzprodukt. Sánchez macht es das Regieren leichter und die Rechten frohlocken. Das Land steht vor einer Wende.

Die spanische Vize-Ministerpräsidentin und Arbeitsministerin Yolanda Díaz gab am Sonntag als "eine der wichtigsten Entscheidungen in meinen Leben" bekannt, dass sie bei den Parlamentswahlen im Herbst als Kandidatin für die neue Formation "Sumar" (Summieren) antreten wird.

"Ich will die erste Ministerpräsidentin unseres Landes werden", rief Díaz am Sonntag der jubelnden Menge von 3.000 Sympathisanten in der Hauptstadt Madrid zu.

Seit Monaten war die zwischenzeitlich am wenigsten unbeliebte Politikerin des Landes im ganzen Land in einem "Zuhör-Prozess" unterwegs. Dort wurde allerdings wenig zugehört, sondern vor allem Werbung für das neue Konkurrenzprodukt zur Linkspartei Podemos gemacht. Kein Politiker im Land erhält bei Umfragen die Mindestnote 5, die in Spanien "bestanden" bezeichnet.

Dass Díaz die Partei Podemos stets aus dem Prozess zur Bildung einer "breiten Front" herausgehalten hat, hat ihr schon viele Sympathien gekostet. Das wies früh darauf hin, dass es statt um Summieren eher um ein Dividieren geht.

Erstaunliche Hintergründe

Erstaunlich dabei sind die Hintergründe. So konnte Díaz nur Chefin der Linkskoalition "Unidas Podemos" (UP) werden, weil der ehemalige UP-Chef und Podemos-Chef Pablo Iglesias sie zur Nachfolgerin bestimmt hat. Nun wetterte Iglesias – weiter der heimliche Strippenzieher bei Podemos –, aber gegen die von ihm per Fingerzeig bestimmte Nachfolgerin und forderte:

Podemos muss respektiert werden

Pablo Iglesias.

Letztlich nahm Podemos an der Vorstellung von Yolanda Díaz' als Kandidatin am Sonntag nicht teil. Zuvor hatte die Podemos-Chefin Ione Belarra offene Urwahlen zur Bestimmung einer einzigen und gemeinsamen Spitzenkandidatin gefordert. Eine demokratische Wahl durch die Basis lehnt Díaz jedoch ab.

Vielmehr verwies sie darauf, dass Iglesias sie schon ohne Urwahl an die Spitze gehievt hatte. Das bestreitet dieser aber nun. Damit wird aber vor allem offensichtlich, dass er weiter unfähig zur Selbstkritik ist.

Díaz nutzt das Vorgehen von Iglesias für ihre persönliche Karriere. Dabei hatte sie stets betont: "Posten interessieren mich nicht". Das war ganz offensichtlich unwahr. Auch für sie gilt also das spanische Sprichwort: "Sag mir, was du proklamierst, und ich sage dir, was dir fehlt."

So arbeitet Vozpopuli heraus, dass Díaz schon seit "25 Jahren Koalitionen schafft und zerstört, um stets selbst zu überleben".

Machtkampf

Eine zentrale Kritik am Sumar-Projekt – außer dem Personenkult – zielt auf die Spaltung, die es mit sich bringt: Dass neben den "Sozialisten" (PSOE) von Pedro Sánchez eine weitere sozialdemokratische Formation entstehen soll. Zwar ist Díaz aus "nostalgischen Gründen" noch Mitglied der Kommunistischen Partei, sie definiert sich aber stets selbst als "sozialdemokratisch".

Ihr Projekt wird bisher von eher kleineren Linksformationen im Land unterstützt, die bei der Vorstellung dabei waren. Ausnahmen bilden vor allem Más Madrid, um den ehemaligen Podemos-Gründer Iñigo Errejón, oder die katalanische Formation der Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau "En Comú".

Der bekannte Schriftsteller Suso do Toro, der Díaz gut aus der gemeinsamen Heimatregion Galicien kennt, nennt Sumar ein "kommerzielles Experiment: ein Etikett ohne Programm, ohne Ideologie, ohne Organisation". Es drehe sich nur um "eine Figur, die Küsse verteilt".

Er wartet auf die Bekanntgabe der "Sponsoren", die für ihren Aufstieg werben. Größere linke Kräfte im Land sind kritisch. So weist der Sprecher der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) auf die angeblichen "Erfolge" von Díaz hin.

Statt wie versprochen die restriktive Arbeitsmarktreform der rechten Vorgänger zu streichen, habe sie sich mit den Arbeitnehmervertretungen auf eine Reform geeinigt, die diese beklatscht haben. Nach Arbeitgeberangaben wurden "95 Prozent" der alten Reform "konsolidiert".

Dieses Reförmchen gegen linke Unterstützer, das die Regierung mit Stimmen von Rechtsparteien durchgebracht hat, steht im krassen Widerspruch zu den Worten, die Díaz am Sonntag postuliert hat: "Wir müssen den Neoliberalismus besiegen."

Der ERC-Sprecher Gabriel Rufian meint deshalb, diese Reform sei nützlich für ihre Kandidatur gewesen, "um diejenigen zu erdolchen, die dich in diese Position gebracht haben", erklärte er mit Blick auf Podemos.

Dass auch der PSOE-Chef Pedro Sánchez die scheinbare Konkurrentin unterstützt, liegt auf der Hand. Er braucht eine handzahme Mehrheitsbeschafferin, die gegen die UP-Linie zum Beispiel auch Waffenlieferungen an die Ukraine unterstützt. Sánchez drängt deshalb Podemos und andere linke Verbündete "systematisch" an den Rand.

Das hat der stellvertretende Direktor der Zeitung 20 Minuten Jesús Morales exemplarisch herausgearbeitet. Besonders auffällig sei gewesen, dass Sánchez kürzlich auf eine Replik im Parlament gegen den Misstrauensantrag der ultrarechten Vox-Partei zugunsten von Díaz verzichtete, damit sie sich vor großem Publikum darstellen könnte.

Statt zu summieren, spaltet das neue Projekt. Statt auf die Urwahl-Forderungen von Podemos einzugehen, sucht Díaz nun den Machtkampf. Sie fürchtet offenbar das Basis-Votum. Ob Podemos dann doch noch auf den Zug aufspringt, hängt vermutlich von den Ergebnissen bei den Kommunal- und Regionalwahlen in 12 Regionen am 28. Mai ab. Schlechte Ergebnisse für Sumar könnte auch Díaz auf Kompromisskurs zwingen.

Die prophezeite Wende

Jedenfalls hat die spanische Linke in den letzten Jahren eher gezeigt, wie man es nicht machen sollte. Die letzten Regionalwahlen haben klargestellt, wie zuletzt in Andalusien, dass eine Spaltung der Linken fatal ist. Wie in der bevölkerungsstärksten ehemaligen linken Hochburg Andalusien wurden in Madrid oder Kastilien-Leon nur rechte PP-Regierungen gestärkt.

Die können jetzt zum Teil sogar mit absoluter Mehrheit regieren oder regieren lassen oder sie holen wie in Kastilien die Ultras sogar in die Regierung. Das ist das Modell, das alle Umfragen derzeit für das ganze Land vorhersehen und die Vorgänge in der Linken, lassen die Rechten frohlocken.

Klar ist, dass Podemos über Sumar geschwächt wird. Klar ist aber auch, dass Díaz bei einer Kampfkandidatur gegen ihre bisherigen Förderer noch weniger Chancen hat, erste Ministerpräsidentin zu werden.

Das ist ohnehin aussichtslos, solange sie nicht in die PSOE wechselt. Auf diesen Weg hat sie sich gemacht. Ihr reales Ziel ist zwischenzeitlich, eine "Koalition für lange Zeit" mit der PSOE. Das hatte sie kürzlich schon im Parlament erklärt.