Surf and Turf

Für die Geldwäsche werden neben den Klassikern stets neue Möglichkeiten gesucht, der Terrorismus steht allerdings kaum dahinter, die Aufklärungsrate ist gering

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Das britische House of Lords lässt jetzt in einem Komitee der Europäischen Union untersuchen, wie effektiv Geldwäsche verhindert wird. Auslöser ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom Herbst des vergangenen Jahres. Demzufolge dürfen keine Sanktionen gegen Yassin Abdullah Kadi verhängt werden, obwohl er Verbindungen zu Osama Bin Laden haben soll. Begründung: Ihm sei keine Möglichkeit der Stellungnahme zu den Vorwürfen eingeräumt worden. Nun mag jeder, der Kontakt zu Bin Laden haben soll, vielleicht kein Sympathieträger sein, Rechtsstaatlichkeit gilt aber ohne Ansehen der Person. Möglicherweise legt der Entscheid aber auch offen, dass es durchaus Interessen gibt, die ein Vorgehen gegen die Taliban verhindern. Dazu passt auch der Bericht der deutschen Anti-Wäsche-Einheit, der belegt: die aktuelle Gesetzgebung verfolgt meist nur einen, und das ist der Normalbürger.

Buchstäblich auf Sand gebaut scheint ein Teil der indischen IT-Industrie. Wie u.a. der Spiegel berichtet, stellt sich jetzt heraus, dass der bisherige Vorzeige-Unternehmer Raju offenbar die Konzernbilanz manipuliert haben soll. Die Bilanz seiner Firma Satyam sei demnach um mehr als eine Milliarde Dollar nach oben geschönt worden.

Damit bewahrheitet sich der Tipp, den die Autorin im vergangenen Jahr erhielt, als sie eine internationale Geldwäschekonferenz in Wien besuchte. Dort berichtete eine österreichische Ermittlerin, die IT-Branche sei prädestiniert für Geldwäsche. Wertlose Software, Dienstleistungen, DVDs etc. würden hergestellt und verwaltet, vor allem aber in Wahrheit für Geldwäsche genutzt. Damit ergab sich die Frage, wer einmal in ein Flugticket investieren würde, auf dass eine investigative Reporterin nach Indien fliegen und nachschauen könnte, was es mit dem so gepriesenen IT-Boom tatsächlich auf sich hat. Die Vermutung war, dass so manche Meldung nur eine Hightech-Schmiede vorspiegelte, in Wirklichkeit jedoch nur der Geldwäsche diente. Doch so genau wollten es renommierte deutsche Wirtschaftsblätter leider nicht wissen. Jetzt bewahrheitet sich – wieder einmal – die Richtigkeit der Hinweise.

Die Frage lautet, welche weiteren vermeintlichen Boom-Regionen sind es tatsächlich, und was dient nur der Verschleierung illegaler Finanzströme? Globalisierung bedeutet eben auch, wertlose Güter um die Welt zu schicken und immer wieder umzupacken, wie Ken Rijock und die österreichische Ermittlerin berichteten. Jedes Mal werden diese eigentlich wertlosen Waren jedes Mal mehr wert und dienen der Geldwäsche. So sei der Handel mit Modeschmuck ein weiterer beliebter Tummelplatz für Geldwäscher. Wie viel sind Glassteine wert? Mit Tinnef aller Art lasse sich Geldwäsche gut tarnen.

Doch man müsse nicht krampfhaft nach dem "Kamasutra der Geldwäsche" Ausschau halten, die Klassiker hätten noch immer Gültigkeit: Spielcasinos, Bordellbesuche, Restaurants und Läden, die eigentlich keine Umsatz machen, aber durchaus Prominenten gehören, Parteispenden, Stiftungen; Vereine, Verbände, Interessensvereinigungen, sie alle könnten der Geldwäsche dienen.

In Deutschland aber werden mehr als 90 % aller Geldwäscheverfahren eingestellt. Zu diesem bitteren Fazit kommt der Bericht der Financial Intelligence Unit FIU des Bundeskriminalamts (BKA). Wie viel Mannstunden für dieses ernüchternde Ergebnis aufgewendet werden, steht nicht im Report.

Bei Geldwäsche denkt der Durchschnittsbürger an die "Großen", wie Imelda Marcos, Noriega, Pinochet. Doch gerade werden die eingefrorenen Marcos-Geld freigegeben und zurücktransferiert. Nur im Spielfilm siegt mit Tom Cruise das Gute. Der spielte im Film "Die Firma" einen Anwalt, der erst spät merkt, dass seine Kanzlei in Wahrheit für die Mafia arbeitet. Die Realität der Ermittlungen sieht anders aus. 3.248 Mal meldeten sich Bürger beim BKA und zeigten andere an - 2.646 Mal wegen des Verdachts des sogenannten Phishing. Darunter fallen nicht nur die Kriminellen, die Kontodaten abgreifen und auf diese Weise Summen abbuchen. Zunehmend geraten Arme in das Visier der Beamten, die aus Not oder Unwissenheit ihre Konten zur Verfügung stellen und dafür einen geringen Lohn erhalten. Über diese Konten werden in kleinen Tranchen die Millionen transferiert, die mittels Hacking oder anderer Methoden von fremden Konten abgebucht wurden.

Bekämpfung der Geldwäsche wenig effektiv

Damit zeigt sich, wie dehnbar der Begriff der Geldwäsche ist. Die offizielle Definition lautet: das Einschleusen von Vermögenswerten aus Straftaten in den Wirtschaftskreislauf. Darunter fällt aber auch jeder Lohn aus Schwarzarbeit. Und so lässt sich die Zahl der Fälle je nach Bedarf mal vergrößern oder verkleinern.

Über die Statistik beklagt sich selbst die Behörde: "Die deutsche Strafverfolgungsstatistik gibt wenig Aufschluss hinsichtlich der Frage nach einem "Erfolg" in der Geldwäschebekämpfung. Insgesamt gab es im Jahr 2002 lediglich 151 Verurteilungen nach § 261 StGB." Zu diesem Schluss kommt ausgerechnet Sabine Vogt beim Bundeskriminalamt (BKA). Besonders beklagt sie: "Fehlt ein einzelnes Element, weil z.B. die Rechtshilfe verweigert oder nicht rechtzeitig geleistet wird, fällt die Beweisführung in einer Art Dominoeffekt zusammen. Die klassischen drei Phasen der Geldwäsche können nicht mehr belegt werden." Der Bericht der Financial Intelligence Unit geht sogar noch weiter. Nur 203 Mal hätten Staatsanwälte dem BKA ein Feedback gegeben. Davon seien nur 58 überhaupt Anklagen gewesen, bei denen der endgültige Verfahrensausgang nicht vorlag. "Es wurden zudem 130 Strafbefehle und 15 gerichtliche Urteile übermittelt."

Auch in anderen Ländern sieht es nicht besser aus. 2003 meldete die Österreichische Zeitung "Die Presse", die heimischen Banken hätten nur 215 Mal Geldwäsche-Alarm gegeben. Und aus den Genfer Ermittlungen gegen die ehemalige pakistanische Ministerpräsidentin Benazir Bhutto wurde – nichts. Wie die Neue Zürcher Zeitung meldete, seien 2007 alle Verfahren eingestellt worden.

Und wieder gilt: die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen, obwohl die Zahl der Berichte über den angeblichen Fortschritt bei der Geldwäschebekämpfung durch internationale Organisationen wie dem Weltwährungsfonds IMF inzwischen Tonnen wiegen dürften. Angesichts der mannigfaltigen Fortschrittsberichte in Sachen Geldwäschebekämpfung in den vergangenen 15 Jahren dürfte es eigentlich gar keine Geldwäsche mehr geben. Doch das Gegenteil trifft zu. Allzu ernsthaft kann also die Bekämpfung nicht betrieben werden. Oder sie ist in Wahrheit auch gar nicht erwünscht.

Das, wonach nicht gesucht wird, kann auch in keiner Statistik auftauchen. Wie ein Kenner der Bankenszene sagt, interessiere sich keiner der Banken wirklich für die Herkunft des Geldes. Langjährigen Kunden, die Millionen und Milliarden bewegen, würde selbstverständlich zur Steuerflucht verholfen. Besonders en vogue seien Banken in Singapur, die per Telefon Summen platzieren.

Immobilien, Yachten, Hedgefonds, Kunst, Sport …

Seit mehr als zwanzig Jahren wird über die "Fluchtburgen des Geldes" geschrieben, so ein Buchtitel. Offshore-Paradiese in der fernen Karibik regen die Fantasie an. Doch über die Struktur von Geldwäsche wurde bis heute nur selten berichtet. Sie wird nur ein wenig sichtbar, wenn man Einzelmeldungen zusammenträgt und in neuem Licht betrachtet.

Gerade wurde der Kunstmäzen Alberto Vilar in New York wegen Geldwäsche verurteilt. Damit gerät erstmals ein Bereich in den Blickpunkt, der bislang nur von Insidern mit Geldwäsche in Verbindung gebracht wurde. Dabei sei der weltweite Boom bei Galerien, Antiquitäten, Kunst ein Indikator für Geldwäsche, bestätigt Ken Rijock von der Compliance-Firma World-Check auf Anfrage. Das Profil von Geldwäschern sei einzigartig. Sie seien ständig auf der Suche nach Gelegenheiten. Deshalb würden sie auch anders Zeitung lesen, globale Trends früher erkennen, politische Entwicklungen anders analysieren.

Klassische Investitionen in Immobilien und andere Wertanlagen; aber in bar – von der Türkei, Spanien, Mallorca bis hin zu anderen, exotischeren Ländern - dienen nach wie vor der Geldwäsche. ebenso wie der Kauf von Autos, Yachten, Privatflugzeugen, etc. So berichtete die Tageszeitung "Diario de Mallorca", Anwälte, Notare und Bankangestellte stünden unter dem Verdacht der Geldwäsche. Es ginge um ca. 500 Millionen Euro.

Nach wie vor können illegale Gelder und Schwarzgeld durch völlig legale Konstruktionen in Deutschland durch Fachanwälte getarnt werden. Lebensversicherungen und Hedgefonds, Grundstückserwerb und Tarnfirmen zählen weiterhin zu den Klassikern, wenn auch in neuem Gewand. Neu hingegen sei, für Geldwäsche Fußballvereine, überhaupt alle Sportarten, -veranstaltungen und -organisationen, Spielertransfers, Werbung, Wetten, etc. zu missbrauchen.

Aufwändige Empfänge, Partys, Events könnten der Geldwäsche dienen. Klatschmagazine und Hochglanzzeitschriften liefern viele Hinweise auf mögliche Geldwäsche; denn die sogenannte seriöse Welt und Organisierte Kriminalität treffen sich.

Und so seien Investitionen in osteuropäische Länder; auch solche, die offiziell als seriöse, "normale" Investitionen in Unternehmen gelten, oftmals in Wahrheit Geldwäsche, so das Resumé der österreichischen Expertin. Ebenso seien offizielle Delegationen, Reisen mit Politikern nach China, Libyen oder andere sogenannte Investitionsreisen oftmals eigentlich als Anbahnung von Geldwäsche zu werten. Politiker und Wirtschaftsunternehmen werden dies nicht gerne hören, Ermittlungen wären nicht gern gesehen. Geldwäsche hätte nämlich allerhöchste Weihen. Kein Wunder, denn auch Nachrichtendienste bedienen sich schwarzer Kassen, und deren Inhalt wird oftmals gewaschen.

Andererseits verberge sich hinter so manchem Crash vermutlich ein gezielter Angriff im Auftrag staatlicher Akteure, vermutet die Geldwäscheexpertin. Bestimmte Transaktionen und das entsprechende Insider-Wissen deuteten darauf hin. Schon in "Fluchtburgen des Geldes" hieß es, Bankiers könnten aus Kontobewegungen erkennen, in welchem Land beispielsweise ein Putsch bevorstünde. Der Bundesnachrichtendienst (BND) stellte 2001 ein Symposium ganz unter das Motto Geldwäsche, die zu den Beobachtungsthemen gehört - Begründung: Geldwäsche könne die Sicherheit des Staates unterminieren. Welche der aktuellen Bankenzusammenbrüche also tatsächlich auf reine Unfähigkeit und Gier zurückzuführen sind und welche möglicherweise aufgrund gezielter Angriffe kollabierten, wäre eine eigene Recherche.

Manchmal mangelt es allerdings schlicht am Unrechtsbewusstsein – wie im Fall Enron oder Siemens einmal öffentlich geworden. Wenn Unrecht in vielen großen Firmen als völlig normale, ja sogar geforderte Unternehmenskultur gilt, wird Geldwäsche noch nicht einmal als solche erkannt.

Die Realität, die die beiden Geldwäschefachleute beschreiben, steht in direktem Gegensatz zu der Begründung, mit der das neue Geldwäschebekämpfungsgesetz in diesem Jahr verabschiedet wurde. Es sieht vor, dass nämlich alle "politisch exponierten Personen", sogenannte PEPs (Kyc, Peps und Geldwäscher), per se als der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung verdächtig einzustufen sind.

Überdies spricht der Bericht der FIU gegen das Gesetz und den Pauschalverdacht. 90 Mal seien beim BKA Verdächtige gemeldet worden, weil sie Terrorismus finanziert hätten. 25 Mal habe man geglaubt, Verdächtige von Sanktionslisten der UN und der EU entdeckt zu haben. Nicht ein einziger Verdacht habe sich bestätigt. Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix kritisierte im vergangenen Jahr, Banken hätten ihre Kunden nicht darüber informiert, dass Kontobewegungen auf Geldwäsche überprüft werden.