Synthetische Ökologie als Alternative zu Monokulturen

Forscher wollen die Fähigkeiten unterschiedlicher Mikroorganismen kombinieren, um die Erzeugung von Biotreibstoffen zu erleichtern

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Die Biotechnologie nutzt den Stoffwechsel von Mikroorganismen für ihre Zwecke. Doch viele Prozesse sind zu komplex, als dass ein einzelner Organismus sie bewältigen könnte. Forscher versuchen daher, einzelne Reaktionen auf unterschiedliche Zellen zu verteilen. Mit diesem Ansatz - synthetische Ökologie genannt - könnten Biotreibstoffe und chemische Grundbausteine aus Pflanzenabfällen entstehen.

Neue Produkte dank Arbeitsteilung: Der Pilz verdaut das Holz und das Bakterium verwandelt die Reste in Biotreibstoff. Was bislang als Abfall gilt, könnte so zu einer nachhaltigen Quelle von Energieträgern werden. Das junge Feld der synthetischen Ökologie versucht, gezielt derartige Gemeinschaften aus unterschiedlichen Organismen zu erzeugen. Der Kreativität sind keine Grenze gesetzt: kombiniert werden Bakterien und Hefen, Pilze und Archaeen, natürliche und gentechnisch modifizierte Lebewesen.

Das große Vorbild ist die Natur. Fast in jedem Ökosystem bilden Mikroorganismen eng verwobene Gemeinschaften, in der die Arbeit unter die einzelnen Mitglieder aufgeteilt wird. So lassen sich die natürlichen Ressourcen effizienter nutzen und Veränderungen der Umwelt besser abfedern. Und in den Gemeinschaften können komplizierte Prozesse ablaufen, welche die Fähigkeiten eines einzelnen Organismus deutlich übersteigen.

T. Reesei. Forscher kombinierten E. coli-Bakterien mit dem Pilz T. reesei, um Biotreibstoff zu erzeugen. Bild: US Department of Energy Office of Science

Monokulturen als Sackgasse

Wein, Bier, Brot - als Menschen erstmals Mikroorganismen für ihre Zwecke nutzten, waren Mischkulturen unvermeidbar. Unterschiedlichste Hefen und Bakterien trieben die Vergärung voran, mit der Folge, dass das Ergebnis oft nur schwer vorhersehbar war. Als dann Monokulturen einzelner Organismen technisch möglich wurden, haben sich diese schnell in der Biotechnologie durchgesetzt. Heute werden fast nur noch Nahrungsmittel - oft sogar nur ausgewählte Spezialitäten - mit natürlichen Mischkulturen hergestellt.

Doch Monokulturen haben große Nachteile: Die Ausbeuten liegen meist weit unter dem, was theoretisch möglich wäre. Oft müssen teure Rohstoffe eingesetzt werden, da die hochspezialisierten Organismen sehr wählerisch sind. Und letztlich können meist nur einfache biotechnologische Prozesse umgesetzt werden.

Biogas als erster Erfolg

Komplizierte Prozesse profitieren von Gemeinschaftsarbeit, das ist auch bei Mikroorganismen so. Die Erzeugung von Biogas ist eine der seltenen Anwendungen, in der sich dieses Konzept bereits durchgesetzt hat. Sogenannte UASB-Reaktoren basieren auf einem Granulat, das dicht mit unterschiedlichen Bakterienarten besiedelt ist (Sabra et al., Eng. Life Sci. 2010, Biosystems analysis and engineering of microbial consortia for industrial biotechnology). In vier diskreten Phasen werden dabei organische Abfällen in Biogas umgewandelt. Fünf unterschiedliche Stoffwechselprozesse sind erforderlich, die von diversen Bakterien und Archaeen übernommen werden. Das Granulat ermöglicht ein Zusammenleben auf engsten Raum: Ohne dies könnten manche der Reaktionen gar nicht ablaufen.

Die Erzeugung von Biogas setzt auf natürliche Bakterien. Doch diese sind meist nur schwer zugänglich: Bis zu 99,8 % aller Bakterienarten überleben nicht im Labor - deren Ressourcen liegen weitgehend brach. Gentechnische Methoden schaffen hier Abhilfe: Statt die Bakterien selbst zu züchten, nutzen Forscher nur die Informationen aus ihrem Erbgut. Diese sind leichter zugänglich: Metagenomische Studien nehmen dazu Proben aus der Umwelt und sequenzieren die Erbinformation aller Organismen, die darin zu finden sind.

Dabei ist es egal, ob diese Lebensformen kultiviert werden können oder nicht: Die Sequenz ihres Erbguts landet in großen Genom-Datenbanken. Kalifornische Forscher machten sich diese zunutze und haben nach Enzymen gesucht, welche die reaktionsfreudigen Elemente Chlor, Brom und Iod in organische Verbindungen verwandeln (Bayer et al., Journal of the American Chemical Society 2009, Synthesis of Methyl Halides from Biomass Using Engineered Microbes). Sie fanden 89 mögliche Kandidaten, die sie zuerst in Bakterien testeten. Erfolgversprechende Enzyme wurden in Hefezellen eingebaut und diese dann mit einem Bakterium vergesellschaftet, dass Zellulose abbaut. Die Zusammenarbeit von Hefen und Bakterien verwandelten Abfälle von Maispflanzen in Halide - chemische Grundbaustoffe, die auch die Entwicklung von Treibstoffen ermöglichen könnten.

Die Effizienz derartiger Gemeinschaften kann ungewöhnlich hoch sein. Eine weitere Gruppe kalifornischer Forscher kombinierte ein gentechnisch verändertes Bakterium mit einem Pilz (Minty et al., PNAS 2013, Design and characterization of synthetic fungal-bacterial consortia for direct production of isobutanol from cellulosic biomass). Es gelang ihnen, aus Maisabfällen den Biotreibstoff Isobutanol zu erzeugen - mit einer Ausbeute von 62 % des theoretischen Maximums. Die Forscher glauben, dass ihr Ansatz auch mit anderen Bakterien funktioniert - weitere Varianten von Treibstoffen oder Chemikalien könnten so entstehen.

Noch fehlt die Stabilität

Eine große Hürde bleibt: Das Zusammenleben ist selten von Dauer. Forschern gelingt es nur schwer, stabile Gemeinschaften zu erzeugen, die nicht im Laufe der Zeit an Produktivität einbüßen. Auch hier kann die Natur wieder als Vorbild dienen. Die konsequente Anwendung grundsätzlicher ökologischer Prinzipien könnte es möglich machen, auch künstliche Gemeinschaften langfristig zu etablieren.

Wenn die Probleme einmal überwunden werden, könnte vor allem die Entwicklung von Biotreibstoffen profitieren: Seit Jahren wird an nachhaltigen und effizienten Alternativen zu fossilen Brennstoffen gesucht, doch die Ergebnisse sind bislang noch wenig befriedigend. Gut möglich, dass Ansätze aus der synthetische Ökologie dem stagnierenden Feld einen neuen Schub verleihen.