Syrien: Manbij vom IS befreit

Die nächste Offensive ist schon geplant

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

73 Tage dauerte der Kampf um die strategisch wichtige Stadt Manbij in Nordsyrien. Seit 2014 waren die Stadt und die umliegenden Dörfer in der Hand des IS. Die Syrian Democratic Forces (SDF) haben am Wochenende mit US-Luftunterstützung aus der Stadt die letzten IS-Kämpfer vertrieben und damit dem IS den letzten direkten Nachschubweg aus der Türkei abgeschnitten.

In den Straßen von Manbij wurde gefeiert. Frauen verbrannten die Gesichtsschleier, zündeten sich Zigaretten an, Männer ließen sich öffentlich ihre Bärte abrasieren, die Menschen liefen freudestrahlend durch die Straßen. Auf den Bildern, die uns erreichen, sind erleichterte und freudestrahlende Gesichter zu sehen.

Am 01. Juni 2016 begann unter dem Kommando des Militärrats von Minbic die Operation "Abu Leyla", benannt nach dem gefallenen Kommandanten der SDF. Er fiel am 5. Tag der Offensive. Sie war ein voller Erfolg - aber auch sehr verlustreich. Große Teile der Stadt sind zerstört, ungefähr 280 SDF-Kräfte wurden getötet, darunter auch einige Internationalisten.

Aber SDF-Kämpfer Ebu Eli aus Manbij ist glücklich. Er hat seine Stadt mit aus den Fängen des IS befreit. 7 Mitglieder seiner Familie wurden vom IS ermordet. Er rief die arabische Jugend auf, das Manbij Military Council zu unterstützen und für ein demokratisches und freies Syrien zu kämpfen.

Die Stadt Manbij war für den IS ein strategisch wichtiger Stützpunkt. Hier kam der Nachschub an Waffen und IS-Kämpfern aus der Türkei an. Manbij war auch Versorgungszentrale für die "IS-Hauptstadt" Rakka. Nun wird es für den IS eng, denn die SDF-Einheiten waren zu Beginn der Offensive auch auf Rakka vorgerückt, bevor sie Richtung Manbij abbogen. Aus vier Richtungen griffen die SDF-Einheiten an. Zuerst wurden die ländlichen Gebiete um die Stadt Manbij befreit, bevor die SDF-Einheiten die Stadt umzingelten und gen Stadtzentrum vorrückten. IS-Kämpfer hatten sich in der Stadt verschanzt und viele Einwohner als Geiseln und lebende Schutzschilde benutzt. Spezialeinheiten der SDF befreiten Haus für Haus, Straße für Straße und evakuierten die Zivilbevölkerung. Zuletzt verschanzten sich die restlichen IS-Kämpfer im Stadtviertel El Sirib. Viele IS-Kämpfer versuchten, während der Kämpfe zum Teil in Frauenkleidern zu fliehen. Über 2000 IS-Kämpfer wurden angeblich getötet.

Nach Angaben der Informationsstelle Kurdistan e.V. wurden über 200 Dörfer und ländliche Gebiete vom IS befreit. 170.000 Zivilisten wurden in Sicherheit gebracht. Der Militärrat von Manbij übernahm die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln und Medizin.

Nächstes Ziel: Al Bab

Zwei Tage nach der Befreiung von Manbij wurde als das nächste Ziel Al Bab genannt. Die westlich von Manbij gelegene Stadt mit ca. 63.000 Einwohnern ist seit 2013 vom IS besetzt. Die SDF stehen ca. 20 km vor der Kleinstadt Arima, mit etwa 2.800 Einwohnern. Zwischen Arima und Al Bab liegen etliche kurdische Dörfer. Von Arima bis Al Bab sind es noch etwa 20 km. Dies dürfte der Türkei gar nicht gefallen, denn Al Bab ist nicht weit entfernt von dem isolierten Kanton Afrin Rojavas und liegt auf dem Weg nach Aleppo, wo sich gerade eine humanitäre Katastrophe abspielt.

Rund 300.000 Zivilisten sind in der Stadt eingeschlossen, deren Trinkwasser- und Nahrungsmittelvorräte zur Neige gehen. Aleppo hat auch ein kurdisches Stadtviertel, aber es dringen kaum Informationen durch, wie die Situation dort ist. Die Existenz dieses Viertels wird quasi totgeschwiegen.

In Aleppo zeigt sich auf dramatische Weise, wie die westlichen Mächte um ihren Einfluss in Syrien kämpfen: Außenminister Frank-Walter Steinmeier fordert eine Luftbrücke nach Aleppo. Gute Idee. Könnte den Menschen dort wirklich helfen. Doch wo in Aleppo soll die Luftbrücke greifen? In den Vierteln, die von Assads Truppen und den Russen kontrolliert werden? In den Vierteln, die von verschiedenen islamistischen Gruppen, die zum Teil vom Westen unterstützt werden? Im kurdischen Viertel? Letztlich ist der Vorschlag Steinmeiers nichts als hilflose Rhetorik.