Syrien: "Russland in den Krieg hineingezogen"
Laut einem US-Medienbericht spielen Panzerabwehrwaffen, welche die "Anti-IS-Koalition" an islamistische Milizen liefert, eine große Rolle für die Dynamik des Proxy-Kriegs
Präsident Obama beteuerte nach den ersten russischen Luftangriffen Anfang Oktober, dass sich die USA nicht in einen Proxy-Krieg hineinziehen lassen.
Die Lieferungen von Panzerabwehrlenkwaffen, TOWs, an Milizen, die gegen die syrische Armee kämpfen, geben einem aktuellen Bericht der Washington Post zufolge der Situation einen anderen Dreh.
Ursache und Wirkung werden darin anders dargestellt - gegen den Strich der Berichterstattung, die, wie auch die Äußerung Obamas, den Impuls für den Proxy-Krieg der militärischen Intervention Russlands zuschieben.
De facto, so der Bericht des US-Mediums, sei das russische Militär in den syrischen Krieg hineingezogen worden: durch die militärischen Erfolge der dschihadistisch-salafistischen Gegner der Assad-Regierung. Deren Vormarsch in strategisch wichtige Positionen sei den Waffenlieferungen seitens der USA und der Golfstaaten zu verdanken.
Die von den USA hergestellten BGM-71-Panzerabwehrlenkwaffen wurden in einem mittlerweile zwei Jahre alten verdeckten Programm, das zwischen den USA und ihren Verbündeten koordiniert wird, an überprüfte Gruppen der Freien Syrischen Armee in ihrem Kampf gegen Präsident Baschar al-Assad geliefert. Jetzt, da Russland in den Krieg eingeschritten ist, um Assad zu helfen, zeigt sich, dass diese Waffen eine größere Bedeutung haben als ursprünglich intendiert war.
Sie waren so erfolgreich beim Vormarsch der Rebellen und deren Geländegewinne im Nordwesten Syriens, dass die Rebellen ihnen einen eigenen Namen gegeben haben "den Bezähmer Assads", eine Anspielung auf "Assad", das "Löwe" bedeutet. Und auch aktuell wurden diese Waffen mit großen Erfolg benutzt, um die Offensive der syrischen Armee zu verlangsamen, die von Russlands Luftstreitkräften unterstützt wird, und auf Rückeroberung der von den Rebellen besetzten Orte aus ist.
Unverkennbar ist in diesem Ausschnitt wie auch im Rest des Artikels ein beschönigender Blick auf die "Rebellen", bei denen einzig die FSA namentlich erwähnt wird. Mittlerweile ist durch die aufklärende Berichterstattung im Zuge der russischen Intervention auch durch US-Publikationen klar, dass die treibenden, richtungsbestimmenden Kräfte der sogenannten "Rebellen" nicht die FSA ist, sondern die al-Nusra-Front und Ahrar al-Scham, beide, zwar unterschiedlich eng, mit al-Qaida verbunden.
Beide sind aus keiner Koalition der gegnerischen Milizen Assads wegzudenken. Auch nicht die neu als gemäßigt ausgerufene Südliche Front.
Der beschönigenden Darstellung der Gegner Assads zum Trotz liefert der Washinton-Post-Artikel einen anderen als die gewohnte oder übliche Perspektive: Russland musste eingreifen, weil die Milizen dank westlich-arabisch-türkischer Waffenhilfe die syrische Regierung in große Bedrängnis gebracht haben.
Kein Proxy-Krieg?
Nun wendet sich gerade das Blatt und Russland wird der Vorwurf gemacht, dass die Kampfflieger nicht wirklich den IS angreifen. Ausgelassen wird dabei, dass die Anti-IS-Koalition zuvor Gruppen massiv unterstützt hat, die nicht wirklich den IS angreifen. Sondern Assad.
Es war kein Zufall, sagen US-Vertreter und Militäranalysten , dass die ersten Ziele der russischen Luftangriffe Stellungen waren, wo mit TOWs bewaffnete Rebellen ihre wichtigsten Eroberungen gemacht haben, von wo aus sie Assads Kontrolle über das Kernland in der Küstenprovinz Latakia direkt bedrohten.
Die Waffenlieferungen an Milizen in Syrien werden nun sogar vom Pentagon aus verstärkt. Wie immer mit dem regelmäßig irreführenden Verweis auf "moderate Gruppen", FSA usw. , die sich immer wieder mit al-Qaida-Gruppen verbünden.
Aktuell ist "der FSA" durch das Eingreifen Russlands ein weiteres Motiv entstanden, um solche Bündnisse zu pflegen (vgl. FSA, Jabhat a-Nusra ally in north Homs ahead of expected Russian-backed offensive). Kein Proxy-Krieg?
Auch Saudi-Arabien kündigte verstärkte TOW-Waffenlieferungen an - "an die FSA". In Wirklichkeit dürfet dies vor allem den Dschihadisten von Ahrar al-Sham zugutekommen. Deren Unterstützung durch Saudi-Arabien ist ein offenes Geheimnis. Damit verbunden ist die Weitergabe der Waffen an al-Nusra.
Wie viele Waffen aus den CIA-und Pentagon-Unterstützungsprogrammen für die überwiegend islamistischen bewaffneten Milizen tatsächlich an die al-Qaida-Gruppe - und den IS gelangt ist, darüber streiten sich die Experten gerade.
Joshua Landis, bekannt durch das Blog Syria Comment, setzt den Anteil auf 60 bis 80 Prozent an.
Der Brite Charles Lister, der sich seit einigen Jahren einen Namen als Experte für die syrische Dschihado-Milizenszene gemacht hat, schätzt den Anteil dagegen auf 10 bis 15 Prozent - mit dem Zusatz, dass auch dies schon "verwerflich sei". Zu Lister, der in vielem gut unterrichtet ist, muss man allerdings anmerken, dass er in seinen Berichten eine deutliche Position gegen Russlands Operation und für die Existenz einer bewaffneten, säkularen Opposition bezieht.
Man darf in diesem Zusammenhang gespannt sein, als was sich die neue am Wochenende hinaus posaunte Koalition der Syrien Democratic Forces entpuppen wird.
Am Wochenende wurden die russischen Luftangriffe fortgesetzt, begleitet von einer Offensive der syrischen Armee. Über Einzelheiten der Angriffe in Syrien informiert nun das russische Verteidigungsministerium mit einer eigenen Webseite. Anscheinend ist es der syrischen Armee gelungen, wichtige strategische Orte wie Salma, in der Nähe Latakias, wie auch in Idlib und in Hama (Atshan oder Atchan) zurückzuerobern.