Syrien: Salafisten kontrollieren Grenze zu Israel [Update]
Können sich die Drusen weiter aus dem Bürgerkrieg heraushalten?
In Syrien hat die salafistische al-Nusra-Front gestern den einzigen Grenzübergang zu Israel erobert. Dabei schlugen auch Geschosse jenseits der Grenze ein und verletzten einen Soldaten der israelischen Armee und einen israelischen Zivilisten. Mitte Juli und am 23. August hatte es bereits Raketeneinschläge im israelischen Teil des Golan gegeben, die möglicherweise von vorrückenden Salafisten ausgingen, aber mit dem Beschuss syrischer Stellungen beantwortet wurden.
[Update: Den Vereinten Nationen zufolge haben die Salafisten inzwischen 43 Blauhelmsoldaten entführt, die auf dem Golan den Waffenstillstand zwischen Israel und Syrien sichern sollten. 81 weitere sind eingeschlossen. Die Forderungen der Entführer sind bislang nicht bekannt.]
Mit den Eroberungen rückt der syrische Bürgerkrieg nicht nur näher an Israel, sondern auch näher an die Drusen heran, die nicht nur im israelischen Golanteil, sondern auch nördlich davon im Hermon-Gebirge und im Osten in der Bergregion Dschebel al-Duruz leben. Dazwischen liegt ein sunnitischer Streifen mit der Stadt Dar'a, den jetzt teilweise die al-Nusra-Front und andere salafistische Terrorgruppen beherrschen.
Für diese Salafisten sind die Drusen Häretiker: Ihre Religion entwickelt sich seit fast tausend Jahren getrennt vom schiitischen Islam (mit dem sie mehr gemein hat, als mit dem sunnitischen). Drusen glauben nicht an eine Endgültigkeit der Regeln im Koran, aber dafür an Seelenwanderung und Wiedergeburt. Die Religion missioniert seit vielen Jahrhunderten nicht mehr: Ein Druse kann man nicht werden, man muss als solcher geboren sein.
Die Unterschiede zum Islam sind so groß, dass die Drusen von manchen Religionswissenschaftlern nicht mehr als Teil davon, sondern als eigenständige Religion gewertet werden. In Israel dienen sie deshalb in der Armee und Frankreich erschuf dem Volk aus der nach dem Ersten Weltkrieg aus vom Osmanischen Reich übernommenen Konkursmasse einen eigenen Drusenstaat. Der jedoch wurde damals von Sultan Basha al-Atrash und anderen Führern der Volksgruppe abgelehnt, weshalb man ihn 1936 in das Mandatsgebiet Syrien integrierte.
Bislang konnten sich die Drusen aus dem Bürgerkrieg in Syrien weitgehend heraushalten. Das könnte sich ändern, wenn Salafisten anfangen, sie vor die Wahl zwischen Konversion und Enthauptung zu stellen, wie das im letzten Jahr in 14 vom Rest der Gemeinschaft abgeschnittenen drusischen Dörfern in der nordsyrischen Provinz Idlib geschah. Allerdings hätten sich die Salafisten dann einen Feind geschaffen, der als ausgesprochen kriegerisches Volk gilt und im libanesischen Bürgerkrieg Milizen aufstellte, deren militärische Bedeutung den Bevölkerungsanteil dort bei weitem überwog.
Sollten die Milizen dort im Falle eines versuchten Genozids wieder zu den Waffen greifen und ihren "Brüdern" jenseits der Grenze zu Hilfe eilen, ist nicht ausgeschlossen, dass sie Sunniten vertreiben, um den Korridor zwischen dem Hermon-Gebirge und dem Dschebel al-Duruz zu schließen. Zu solchen ethnischen Säuberungen durch Drusen kam es Anfang der 1980er Jahre in ehemals christlichen Ortschaften im Libanon.
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