Syrien: Warum Rojava entscheidend ist

Seite 4: Deutsche Waffen im Kampf der Türkei um Hegemonie?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Pikant ist allerdings die Tatsache, dass sich die Berichte vom Einsatz deutscher Waffen durch die sogenannten Roj Peschmerga häufen. Es gibt immer wieder Hinweise darauf, dass Gespräche zwischen Barzani und der türkischen Regierung stattfinden, um Roj Peschmerga direkt gegen die Selbstverwaltung in Nordsyrien einzusetzen. Möglicherweise ist das Publikwerden dieser Tatsachen mit dafür verantwortlich, dass Außenminister Gabriel nun offiziell Abstand von weiteren Waffenlieferungen an die KDP genommen hat.

Deutsche Waffen sind auch in der Euphrates Shield Operation zum Einsatz gekommen, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Jan von Aken belegt: Dabei agierten deutsche Leopard II Panzer, für welche kontinuierlich Ersatzteile aus Deutschland geliefert wurden, gemeinsam mit der dschihadistischen Terrororganisation Ahrar al-Sham.

Vertreibungen in der Region Sheba

Der Vorwurf "ethnischer Säuberungen" in der Region ist stets mit Vorsicht zu betrachten, denn während interessierte Kreise immer wieder Vorwürfe angeblicher "ethnischer Säuberungen" gegen die Selbstverwaltung von Rojava erhoben und diese vor allem von der türkischen Regierung aufgegriffen oder auch lanciert wurden, um insbesondere Araber und Turkmenen gegen die Selbstverwaltung aufzubringen, hat die UN in ihrem Bericht keinerlei Hinweise in dieser Hinsicht feststellen können. Multiethnizität ist ja der explizite Anspruch der DFNS.

Allerdings scheinen die Türkei und ihre Verbündeten auf eine Strategie der Vertreibung der kurdischen Bevölkerung in der Sheba-Region zu setzen, dies ist durchaus wahrscheinlich angesichts der ethnisierten, sunnitisch-nationalistischen Haltung der Türkei und ihrer Verbündeten. So häufen sich die Berichte von Zwangsverkäufen und auch Vertreibungen an den türkischen Staat und seine Alliierten, insbesondere in Bezug auf grenznahe Gebiete.

Während sich der IS bis al-Bab weitgehend kampflos zurückgezogen hatte, bombardierte die türkische Armee besonders kurdische Ansiedlungen während ihrer Operation in der Sheba Region. Aus Hama und Homs werden immer mehr dschihadistische Kämpfer in der Sheba Region zusammengezogen und es lassen sich fast täglich Angriffe insbesondere auf kurdische Dörfer feststellen. Der Journalist Seyit Evran berichtet von Ultimaten und Vertreibungen:

Aktuell ist hiervon das Dorf Zulud betroffen, um nur ein Beispiel zu nennen. Dort wurden bislang rund 40 neue Familien angesiedelt, während 20 kurdischen Familien ein Ultimatum aufgesetzt wurde, ihr Heimatdorf zu verlassen. Auch in anderen Dörfern in der Umgebung gebe es entsprechende Umsiedlungspläne, die demnächst umgesetzt werden sollen.

Seyit Evran

Die vielen hundert kurdischen Dörfer und Ansiedlungen in der Region existieren nach der Darstellung der Türkei, aber auch der KDP offiziell gar nicht.

Neue Angriffe der Türkei in Planung

Die Türkei bereitet nicht nur in Şehba, sondern auch in der Region um Tell Abyad (Gire Spî) neue Operationen vor. Die Rede ist von einem Zerschlagen der Verbindung zwischen den Regionen Kobane und Cîzire. Dies hat die Türkei diplomatisch unter dem Vorwand der Teilnahme an der Rakka-Operation schon versucht durchzusetzen, bisher erfolglos.

Es besteht allerdings Raum für die Spekulation, dass das Engagement der USA in der Region nach der Befreiung von Rakka durchaus abnehmen könnte und so ein türkischer Einmarsch durchsetzbar wäre. Jedoch wäre diese hochgefährlich, nicht nur für die DFNS, es würde eine Stärkung des Regimes Erdogans und seiner neo-osmanischen, auf sunnitischem Nationalismus basierten Politik bedeuten.

Wenn wir in die Vergangenheit blicken, dann können wir die systematische Zusammenarbeit zwischen Türkei und IS beobachten, wenn wir in die Zukunft sehen, dann sehen wir Einheiten wie die angeblich turkmenische Liwa Sultan Suleyman Shah, welche die Synthese zwischen Rechtsextremismus und Dschihadismus in die Praxis umsetzen und für einen "turkmenischen - islamischen Staat" kämpfen.

Während die Blicke der europäischen Öffentlichkeit auf Istanbul und Ankara gerichtet sind, entscheidet sich nicht nur das Schicksal des Regierung in Damaskus, sondern es geht auch um größere Interessen in Obermesopotamien.