Telemedizin für den Flug im All
Bei einem längeren Flug können Komplikationen entstehen, die eine schnelle medizinische Behandlung erfordern
Auf der Raumstation ISS hat man bei einem Astronauten, der von seiner sechsmonatigen Mission schon zwei Monate in der Raumstation verbracht hatte, ein Blutgerinnsel in der Halsvene entdeckt. Die Entdeckung der als Tiefe Venenthrombose beschriebenen Erkrankung war ein Zufallsbefund, weil der Astronaut, dessen Name aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht veröffentlicht wurde, während seines Aufenthaltes im All an einer Studie teilnahm, bei der die Umverteilung von Körperflüssigkeit unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit untersucht werden sollte. Bei einer im Rahmen diese Projektes durchgeführten Ultraschalluntersuchung des Nackens wurde bei dem Astronauten eine tiefe Venenthrombose festgestellt.
Die Betreuung fand aus der Distanz auf der Erde durch Stephan Moll statt, der als Professor für Medizin an der University of North Carolina in der US-Stadt Chapel Hill arbeitet und der die Maßnahme auf der Universitäts-Website beschrieben hat und in einem verlinkten Youtube-Video näher erläutert hat.
Moll, der die Tätigkeit der NASA schon länger mit Interesse verfolgt, wurde von der NASA angesprochen und um Unterstützung gebeten. Seine spontane Idee, dass es für ihn eine gute Gelegenheit sei, selbst zur ISS ins All zu kommen, wurde jedoch verworfen. Somit musste die Therapie vom Boden aus erfolgen, während die ISS in rund 400 Kilometern Höhe um die Erde kreiste.
Professor Moll und ein involviertes Ärzteteam der Nasa entschieden sich, das Blutgerinnsel mit Blutverdünnern zu behandeln, die in kleinem Umfang in der Bordapotheke der Raumstation vorrätig waren. Der Astronaut injizierte sich das Medikament täglich einmal. Der Vorrat reichte somit für 40 Tage. Am 43. Tag der Therapie kam dann Blutverdünnernachschub in Form von Tabletten von der Erde. Die gesamte Behandlung dauerte mehr als 90 Tage. In dieser Zeit nahm der Astronaut immer wieder Ultraschalluntersuchungen an seinem eigenen Hals vor. Er wurde dabei von Radiologenteams auf der Erde angeleitet und konsultierte Professor Moll per E-Mail sowie Telefon. Wie die Thrombose ausgegangen wäre, wenn sie nicht als Zufallsbefund erkannt worden wäre, ist weitgehend ungeklärt.
Die Thrombose verlief im All letztlich anders, als sie üblicherweise auf der Erde verläuft, was damit zusammenhängen dürfte, dass sich der Blutfluss in der Schwerelosigkeit verändert und dabei das Blut in die falsche Richtung fließen kann oder eben die Blutbahnen verstopft werden. Vier Tage vor der Rückkehr zur Erde wurden die Blutverdünner-Tabletten abgesetzt, da die Rückkehr von der ISS körperlich anstrengend und potenziell gefährlich ist. Die Ärzte wollten damit vermeiden, dass eine mögliche Verletzung durch das Blutverdünnungsmittel zu unkontrollierbaren Blutungen führt und damit zu einem inneren Verbluten.
Zufallsbefund als Hilfe für kommende Weltraummissionen
Je länger der Aufenthalt im All unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit ist und bei künftigen Reisen zum Mond oder gar zum Mars werden die Raumfahrer länger als bislang üblich unter diese Bedingungen leben müssen, steigt das Risiko einer Thrombose oder letztlich einer Embolie deutlich an. Daher müssen sowohl Routinekontrollen entwickelt werden, die Blutgerinnsel schnell und problemlos entdecken und dann auch Maßnahmen verfügbar sein, die eine problemlose Auflösung dieser Blutgerinnsel sicher ermöglichen.
Maßnahmen, die eine Entstehung von Thrombosen verhindern und dennoch die Blutgerinnung nicht soweit herabsetzen, dass es bei inneren Verletzungen, die von außen nicht erkennbar sind, zu unkontrollierten Blutungen kommen kann, sind derzeit noch nicht allgemein verfügbar. Die Verfügbarkeit solcher Methoden wird jedoch für die künftige bemannte Raumfahrt unabdingbar sein, könnte jedoch auch für die Erdenbewohner äußerst hilfreich sein. Eine zu spät erkannte Embolie, wie sie oft, aber nicht nur im Gefolge einer Thrombose auftritt, ist in den überwiegenden Fällen tödlich und somit irreversibel.
Möglicherweise können Ultraschalluntersuchung künftig standardmäßig zur Erkennung von aufgetretenen Blutgerinnsel eingesetzt werden, zumindest bei Personen, die aufgrund ihrer persönlichen Lebensumstände besonders gefährdet sind. Dazu müsste jedoch eine kostengünstige Technik entwickelt werden, die auch für rudimentär daran ausgebildete Personen nutzbar wäre, indem sie über eine eingebaute Nutzerführung verfügen, wie dies heute schon bei Defibrillatoren üblich ist, die somit auch von absoluten Laien sicher eingesetzt werden und Leben retten können.
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