Terroranschlag in St. Petersburg
Russische Behörden sind auffällig zurückhaltend bei der Schuldzuweisung, tschetschenische Extremisten verbreiten Verschwörungstheorie
Der Bombenanschlag auf die U-Bahn in St. Petersburg war ein Terroranschlag. Die Behörden verhalten sich allerdings zurückhaltend. Der russische Präsident Wladimir Putin will sich auch noch nicht festlegen und sprach von einem Unfall, einem Verbrechen und "vor allem Terror". Zwar werden angeblich zwei Verdächtige gesucht, die von Überwachungskameras erfasst wurden und die Bomben gelegt haben könnten, die zweite, die in der U-Bahnstation Ploshchad Vosstaniya als Feuerlöscher drapiert gefunden wurde, explodierte nicht, aber es ist bislang völlig unklar, wer hinter den Anschlägen steht. Mittlerweile ist auch die Rede davon, dass ein Selbstmordattentäter die Bombe gezündet haben könnte.
Durch den Anschlag wurden 11 Menschen getötet und 45 verletzt. Der Fahrer der U-Bahn wird gewürdigt, weil er den Zug weiter in die Station gefahren hatte, da die Explosion im Tunnel schlimmere Wirkungen gehabt hätte. Die Regierungen anderer Staaten richteten wie üblich ihr Beileid aus und verurteilten die Tat.
Die Ermittlungsbehörden gehen wenig verwunderlich von einem Terroranschlag aus. Die Frage ist nur, wer dafür verantwortlich sein könnte. Bislang hat sich der Islamische Staat nicht dazu bekannt. Sollte er die Verantwortung für den Anschlag für sich reklamieren, wäre dies für die russische Regierung vermutlich höchst unangenehm, weil damit klar würde, dass die militärische Intervention in Syrien den islamistischen Terrorismus ins Land geholt hat.
Erst vor zwei Wochen hat sich der IS zu einem Angriff in Tschetschenien auf einen Stützpunkt der Nationalgarde bekannt. Dabei sind 6 russische Soldaten und sechs der Angreifer getötet worden, zwei konnten entkommen. Würde der IS nun in St. Petersburg zuschlagen können, würde dies Putins Bestreben, militärisch den Anspruch auf eine Großmacht durch den Einsatz in Syrien anzumelden, sehr unter Druck setzen. Sein Versprechen, für mehr Sicherheit zu sorgen und die islamistischen Extremisten nicht nur im Kaukasus, sondern auch im Nahen Osten zu bekämpfen, wo sich vermutlich auch tausende Russen aus Tschetschenien, Dagestan oder Inguschetien dem IS angeschlossen haben, wäre gescheitert.
Gut möglich aber auch, dass die in Tschetschenien verbliebenen Islamisten, die durch die Attraktivität des IS in Schwierigkeiten geraten sind und Kämpfer verloren haben, angesichts des sich abzeichnenden Scheiterns des IS-Kalifats wieder zurückmelden wollen. Sie haben in der Vergangenheit spektakuläre Massengeiselnahmen durchgeführt und sich als rücksichtslose Kämpfer und Selbstmordattentäter gezeigt.
Jetzt versuchen sie allerdings propagandistisch, den Anschlag verschwörungstheoretisch zu deuten. Die russische Regierung sei durch die Proteste unter Druck geraten. Um die Aufmerksamkeit von den zunehmenden Protesten abzulenken, seien die Anschläge inszeniert worden. Putin wurden bereits bezichtigt, letztlich für die Anschläge auf Wohnhäuser in Moskau 1999 verantwortlich gewesen zu sein, die den Anlass für den zweiten Tschetschenienkrieg geboten hatten. Putin war damals Ministerpräsident.
Interfax meldet, dass einer der Gesuchten sich inzwischen gemeldet, sich aber als unschuldig bezeichnet hätte. Bei den Verdächtigen soll es sich um zwei Menschen aus dem Kaukasus handeln, einen Mann und eine Frau. Mittlerweile richtet sich der Verdacht gegen einen Russen aus Kirgisien, der für den Anschlag verantwortlich sein könnte. Zuerst war ein Mann aus Kasachstan in Verdacht geraten.