Terrorverdächtiger kandidierte auf CDU-Liste

In der idyllischen Kleinstadt Spangenberg schaffte es ein mutmaßlicher Bombenbastler auf die Kommunalwahlliste der CDU. Foto: Ingmar Runge / CC-BY-3.0

In einer hessischen Kleinstand fand die Polizei bei einem Ex-Kommunalwahlkandidaten der CDU mehrere Sprengsätze und ein rassistisches Manifest

Die Selbstbezeichnung "konservativ" ist nicht geschützt. Das Spektrum derer, die sie nutzen, reicht von friedens- und umweltbewegten Christen, die die Schöpfung bewahren wollen, und Lokalpolitikern, die die Aufnahme von Flüchtlingen als christliche Nächstenliebe verbuchen, bis hin zu Kreisen, die all das als "linksgrünversifft" ablehnen und von Außenstehenden als eindeutig reaktionär wahrgenommen werden.

In der CDU sind bereits beide Welten aufeinandergeprallt, als im Juni 2019 ihr Parteimitglied Walter Lübcke von einem Neonazi ermordet wurde: Einige waren über die Tötung des Kasseler Regierungspräsidenten entsetzt und positionierten sich klar als bürgerliche Antifaschisten, andere sorgten sich vor allem darum, wie das Verbrechen von Linken oder vom "Mainstream" instrumentalisiert werden könnte, um gegen Rechte zu "hetzen". Diese Wortwahl des CDU-Mitglieds Max Otte auf Twitter war sicher nicht repräsentativ für seine Partei, die ja Wert darauf legt, zur "Mitte" zu gehören.

Den bürgerlichen Antifaschisten gelang es aber bisher nicht, die Ultrarechten aus der Partei und deren Umfeld zu drängen. Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen steht inzwischen für die Nadelstreifenfraktion des CDU-Rechtsaußenflügels. Welches Fußvolk durch eine entsprechende Rhetorik angezogen wird, zeigte sich zuletzt wieder in Hessen.

Vergangene Woche wurde publik, dass ein mutmaßlicher Bombenbastler im Frühjahr auf dem Ticket der CDU in der nordhessischen Kleinstadt Spangenberg zur Kommunalwahl angetreten war. Laut einem Bericht der Hessenschau war der 20-Jährige bereits am 16. September unter Terrorverdacht festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat. Die Polizei hatte zahlreiche Sprengkörper und ein rassistisches Manifest in seiner Wohnung sichergestellt.

Scharfe Kritik an Informationspolitik der Behörden

Zunächst war die Öffentlichkeit nicht über den Sachverhalt informiert worden. Das, so kritisiert die hessische Landtagsfraktion der Partei Die Linke, sei aber "normale Praxis", vor allem dann, wenn die öffentliche Sicherheit berührt sei.

Weder von Polizei und Staatsanwaltschaft noch die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main und den Ministerien der Justiz und des Inneren hätten es aber für nötig gehalten, "obwohl beim inzwischen in Untersuchungshaft befindlichen Marvin E. angeblich über 600 Sprengkörper, sechs Bomben und ein Manifest zum ‚totalen Rassenkrieg‘ gefunden wurden", erklärte am Montag der innenpoltische Sprecher der Linksfraktion, Torsten Felstehausen. Seine Fraktion habe einen Dringlichen Berichtsantrag eingereicht, damit die von der CDU geführte "schwarz-grüne" Landesregierung am 25. November im Innenausschuss zu dem Vorgang Stellung nimmt.

Eine "Spur des Verschleierns von rechtem Terror" ziehe sich durch Hessen, so Felstehusen: "Immer, wenn Behörden oder die CDU selbst mit-betroffen sind, versucht man Dinge unter den Teppich zu kehren."

Vertuschungshistorie

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier war zum Zeitpunkt des Kasseler NSU-Mordes an Halit Yozgat 2006 Landesinnenminister. Der CDU-Politiker hatte in diesem Fall mit einer Sperrerklärung die polizeiliche Vernehmung von V-Leuten verhindert: Es ging um die "Quellen" des Verfassungsschutzbeamten Andreas Temme, der zum Zeitpunkt des Mordes in Yozgats Internetcafé an einem der Rechner eingeloggt war. Der parteipolitisch ungebundene Sportschütze Temme hatte seine politische Gesinnung damals als "konservativ" bezeichnet. Frühere Nachbarn des V-Mann-Führers erklärten aber laut Medienberichten, er sei auch unter dem Spitznahmen "Klein-Adolf" bekannt gewesen.

Im aktuellen Fall des festgenommenen Marvin E. ist Felstehusen nicht sicher, ob des sich um einen Einzeltäter handelt. Wegen der "unklaren Hintergründe des oder der Beschuldigten" und möglicherweise konkreten Anschlagsplänen verlangt seine Fraktion Auskunft, wann und warum Polizei, Staatsanwaltschaft und Landesregierung entschieden hätten, den Fall nicht öffentlich zu machen.

Hintergrund des Dringlichen Berichtsantrags sind auch die Morddrohungen, die Politikerinnen der Linkspartei im Namen des "NSU 2.0" erhalten hatten. Dass der Festgenommene bei der CDU aktiv gewesen war, hatte am Freitag die Kasseler Antifa-Gruppe "Task" auf ihrer Internetseite berichtet. Auf Anfrage des Hessischen Rundfunks hatte dann der Spangenberger CDU-Stadtverbandsvorsitzende Jörg Lange "geschockt und fassungslos" bestätigt, dass es sich um einen ehemaligen Kommunalwahl-Kandidaten seiner Partei handle.