Tesla: Zweifelhafte Modernität

Bild: Norio Nakayama / Lizenz: CC BY-SA 2.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Gewerkschaftsfeindliche Konzerne, die ihre Arbeiter in Gutsherrenmanier behandeln, Jobmotor Windkraft und das vorgeschobene Arbeitsplatzargument, wenn es um die Braunkohle geht

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bei Tesla läuft es zur Zeit nicht richtig rund, und das ist noch sehr wohlwollend ausgedrückt. Vorstandschef Elon Musk schwört zwar, sein Unternehmen bis zum Jahresende wieder profitabel machen zu können, aber mancher mag ihm das nicht recht abnehmen.

Der Verkauf des Zugpferds Model 3 (bisher über 400.000 Vorbestellungen) will nicht recht in Gang kommen, und jetzt wurde dessen Produktion vorübergehend ganz eingestellt. Die Arbeiter werden in den Urlaub geschickt oder müssten vier bis fünf Tage zu Hause sitzen, ohne entlohnt zu werden, schreibt das Handelsblatt. Die Schließung sei ohne Vorwarnung erfolgt.

Ein willkürlicher Umgang mit den Beschäftigten scheint also für den sich gerne als modernen Visionär inszenierenden Musk nicht im Widerspruch zum gepflegten Image zu stehen. Die linke, in New York erscheinende Zeitung People's World berichtet von Entlassungen und Diskriminierungen von Arbeitern, die das Unternehmen im Verdacht hat, für Gewerkschaften einzutreten.

Ein Mitarbeiter wird zitiert, der verbreitete Arbeitszeiten von deutlich über 40 Stunden in der Woche beklagt und von Überstunden spricht, gegen deren Verordnung man sich nicht wehren könne. Die Maschinen seien oftmals nicht ergonomisch und es komme zu vermeidbaren Verletzungen.

Auch rassistische Ausfälle von Vorgesetzten scheinen bei dem E-Auto-Hersteller nicht unüblich zu sein, wenn man einem Bericht der Los Angeles Times glauben kann. Demnächst wird voraussichtlich ein Prozess eröffnet, den zwei Leiharbeiter gegen das Unternehmen angestrengt haben.

Der Darstellung der Zeitung ist zu entnehmen, dass sie nur aufgrund ihrer Stellung als Leiharbeiter dazu in der Lage sind. Teslas Angestellte seien hingegen vertraglich verpflichtet, ihre entsprechenden Vorwürfe in einem verbindlichen internen Schlichtungsverfahren zu klären. Auch dies hört sich nicht gerade nach modernen Standards an - es sei denn, man hält den Rückfall hinter rechtsstaatliche Verhältnisse für modern.

Zu Teslas technischen Problemen gehört auch, wie der oben verlinkte Beitrag des Handelsblattes ausführt, der übertriebene Einsatz von Produktionsrobotern, der die Fertigung zum Teil verlangsamt hatte. Außerdem hatte Ende März ein tödlicher Unfall mit einem Tesla X für schlechte Schlagzeilen gesorgt, die dem Börsenkurs des Unternehmens zusetzen.

Nach einer Darstellung des US-amerikanischen Magazins Forbes war der Wagen mit Autopilot unterwegs gewesen. Das System hatte aber eine Betonabsperrung am Rande der Straße nicht erkannt.

Nebenbei erfährt der Leser auch, dass Tesla Unmengen von Daten seiner Kunden sammelt, um mit diesen die Autopiloten der Fahrzeuge zu trainieren. Die "Freie Fahrt für freie Bürger 2.0" wird also darin bestehen, dass der so sehr auf seine Individualität bedachte Autofahrer seine Gewohnheiten und Bewegungen den Autokonzernen detailliert preisgibt. Wie der Fall Facebook zeigt, könnte sich daraus durchaus ein lukrativer Nebenerwerb für Tesla entwickeln lassen. Brave new world.

Die Alternative zur Alternative

So sieht es also aus, wenn versucht wird, die alte Auto-Kultur mit PS-protzigen Elektroautos fortzuschreiben. Aber es gebe natürlich eine Alternative, die in der Ausweitung der öffentlichen Verkehrssysteme läge. Die hätte zudem den Vorteil, dass sie nicht nur Energie- und Platz sparend ist, sondern auch erheblich demokratischer. Sie bietet Mobilität nämlich nicht nur jenem Teil der Gesellschaft, der alt und finanzkräftig genug ist, um ein Automobil zu steuern.

Aber natürlich müsste sich an den real-existierenden "Öffis" noch gewaltig viel ändern. In Städten wie Berlin hat sich inzwischen ein gewaltiger Investitionsstau aufgebaut, weil in Zeiten ausgebluteter öffentlicher Haushalte auch die Verkehrsunternehmen knapp gehalten werden.

In der Hauptstadt kommt erschwerend hinzu, dass die S-Bahn von der staatlichen, aber privatwirtschaftlich aufgestellten DB AG als Melkkuh behandelt wird, die Fahrzeugpark und Personal bis an die Grenze des Erträglichen auslastet. Unter anderem wurden aus den Werkstätten mehrere hundert Mitarbeiter entlassen, sodass es jahrelang zu erheblichen Ausfällen kam, weil zu viele Waggons nicht mehr einsatzbereit waren.

Jobmaschine

Die Ausbau der erneuerbaren Energieträger ist nach wie vor eine wichtige Beschäftigungsquelle. 2016 waren bundesweit 338.600 Menschen in diesem Sektor beschäftigt. Das geht aus einer Untersuchung des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, auf die die Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energien hinweist.

Während die meisten Arbeitsplätze in diesem Sektor im Nordwesten und in Bayern angesiedelt sind, so ist die relative Bedeutung der Erneuerbaren als Jobmaschine in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und in Mecklenburg-Vorpommern am größten. Hier kommen auf je Tausend abhängig Beschäftigte 19,3 (Brandenburg) bis 27,1 (Sachsen-Anhalt) Beschäftigte bei Sonne, Wind & Co. In Bayern liegt der Wert bei 7,7 und in Schleswig-Holstein ist er im Westen mit 15,5 am höchsten.

Arbeitsplätze in den Branchen der erneuerbaren Energieträger Bild: Agentur für Erneuerbare Energien

Arbeitsplätze entstehen nicht nur in der Fertigung der Anlagen, sondern auch in der Installation und vor allem in Betrieb und Wartung. Das macht sich vor allem in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein bemerkbar, wo bereits über 30 Prozent der Branchen-Arbeitsplätze auf Arbeiten an bereits installierten Anlagen entfällt.

Im Bundesdurchschnitt sind es gut 22 Prozent. Das ist natürlich für strukturschwache ländliche Gebiete besonders interessant und sorgt dort nicht nur für Beschäftigung, sondern auch für Wertschöpfung, sofern die Wartungs- und Betreibergesellschaften vor Ort Steuern zahlen.

In den letzten Jahren kamen vor allem durch die Windenergie neue Arbeitsplätze hinzu, die besonders im Norden inzwischen eine Tradition aufgebaut hat. Entsprechend gab es dort auch die meisten Zuwächse. Mit 56.460 Arbeitsplätzen arbeiten die meisten Menschen in Niedersachsen im Bereich der Erneuerbaren.

Dort gab es auch von 2015 auf 2016 den größten Zuwachs. Die größte längerfristige Steigerung gab es zwischen 2012 und 2016 in Schleswig-Holstein, wo laut der Regierungsstudie die Arbeitsplätze in der Branche um rund 20 Prozent oder über 3.000 zunahmen.

Arbeitsplätze vorgeschoben

Der Ausbau Erneuerbarer Energien führt direkt zum Aufbau von Beschäftigung, wie etwa die positiven Entwicklungen im Windenergie-Bereich eindrücklich belegen. Andersherum heißt das aber natürlich auch, dass es bei zurückgehenden Ausbauzahlen auch zu Beschäftigungsrückgängen kommen kann, wie wir schon in der Solarsparte erfahren mussten.

Dies darf sich in anderen Sparten nicht wiederholen und macht einen weiteren starken Zubau Erneuerbarer Energien über alle Technologien und alle Regionen hinweg erforderlich- nicht nur, um die Klimaziele zu erreichen, sondern auch um Beschäftigung zu sichern und auszubauen.

Philipp Vohrer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien

Vohrer spielt damit auf die Entwicklung in der Fotovoltaik an. 2011 waren in der Solarindustrie noch mehr als 110.000 Menschen beschäftigt. Das war bevor die hiesigen Hersteller den Anschluss an die chinesische Konkurrenz verloren - sei es nun, weil man sich hierzulande auf den Lorbeeren ausruhte und zu wenig an der Effizienzsteigerung und billigeren Produkten arbeitete, sei es dass in China die Unternehmen deutlich mehr Aufmerksamkeit vom Staat erhielten.

Inzwischen ist ein Großteil der Industriearbeitsplätze wieder verloren gegangen. Auch das für Aufbau und Wartung der Anlagen zuständige Handwerk hat stark gelitten, da die seinerzeitige schwarz-gelbe Bundesregierung die Förderung drastisch abgesenkt und damit den Ausbau nahezu stranguliert hat.

Heute arbeiten in der Solarbranche - in Industrie und Handwerk - noch 45.200 Menschen. Erst jetzt, nachdem die Solaranlagen sich drastisch verbilligt haben, um rund 70 Prozent seit 2010, beginnt der Ausbau hierzulande - auf immer noch sehr niedrigem Niveau - wieder zu wachsen.

Ungewiss ist, ob es den deutschen Herstellern geholfen hätte, wäre der Ausbau nicht so drastisch reduziert worden. Der Arbeitsplatzverlust wäre auf jeden Fall geringer ausgefallen. Inzwischen sind die Anlagen längst so günstig, dass im Handwerk mit deren Aufbau und Wartung ebenso viel wenn nicht gar mehr Wertschöpfung erfolgt als mit der Herstellung.

Zum Vergleich: In der deutschen Braunkohleindustrie sind nach Angaben des Bundesverband Braunkohle in den Tagebauen und den angeschlossenen Kraftwerken knapp 21.000 Personen beschäftigt.

Um diese Arbeitsplätze gibt es, wie man es in den nächsten Monaten in der Kohlekommission der Bundesregierung wird beobachten können, erhebliches Gezerre, während die wesentlich größere Jobvernichtung im Solarsektor seinerzeit kaum einen Politiker kratzte.

Der Grund für diese Diskrepanz liegt auf der Hand: Das Arbeitsplatzargument ist natürlich nur vorgeschoben. Es geht um den Gewinn, der immer noch mit der Ausbeutung der Braunkohle auf Kosten des globalen Klimas gemacht werden kann.

Viele Jahre lang waren im deutschen Steinkohlebergbau erst Hunderttausende, dann immer noch Zehntausende Arbeitsplätze subventioniert worden. Mit einem Bruchteil der dafür aufgebrachten Summen könnten die Beschäftigten in der Braunkohle für einige Jahre weiter Gehälter gezahlt und sie umgeschult werden.

Wäre der politische Wille vorhanden, könnte in den Braunkohleregionen massiv in die neuen Technologien investiert und damit Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden. Man müsste nur wollen.