Thunfischsperma als Gänseleberersatz

Auf der Madrid Fusion Manila wurde das Fischfang-Nebenprodukt als tierfreundliche und deutlich billigere Alternative präsentiert

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Gänsestopfleber oder "foie gras", wie sie auf französisch heißt, zählt zu den teuersten Lebensmitteln der Welt. Die Gänse, aus denen sie hergestellt wird, fressen sich die Fettleber nicht freiwillig an, sondern bekommen Mais und Schweineschmalz in den Rachen gestopft. Deshalb wurde die Spezialität in Kalifornien 2012 verboten - und nach einem Gerichtsurteil im Januar 2015 wieder zugelassen.

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Auf dem Gastronomiekongress Madrid Fusion, der dieses Jahr in Manila stattfand, präsentierte die philippinische Köchin Margarita Forés einen Ersatz, der angeblich eine ähnliche Konsistenz aufweist und ähnlich schmeckt, aber lediglich sechs Euro pro Kilo kostet. Für Stopfleber zahlt man leicht das Zehnfache. Ob sich das Ersatzprodukt trotz dieses Preises weit verbreiten wird, ist trotzdem fraglich.

Es handelt sich nämlich um Fischsperma, das in Europa und den USA bei mehr Menschen Ekel erregt als sein weibliches Gegenstück: die als Kaviar bekannten Fischeier. Während man für den Kaviar die Eier des Störs nimmt, stammt das Sperma für den Stopfleberersatz vom Thunfisch. Auf den Philippinen wird es angeblich schon immer gegessen. Selbiges gilt für die Samenflüssigkeit der Makrele, die auf der Madrid Fusion Manila von Bruce Ricketts zubereitet wurde. Auch im benachbarten Japan ist Fischsperma der Küche nicht fremd: Dort kennt man Sperma und Spermasack unter dem Namen Shirako.

Shirako-Sushi. Foto: Arashiyama. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Allerdings sind Nahrungstabus beim Menschen nicht "festverdrahtet", sondern kulturabhängig: Engländer und Amerikaner schaudert vor Pferdefleisch. Moslems mögen Schweinefleisch oft auch dann nicht, wenn sie nicht religiös sind. Für viele Inder gilt eine entsprechende Zurückhaltung für Rind- und für die meisten Europäer für Hundefleisch und Insekten. Viele Ostasiaten schaudern dagegen, wenn sie europäischen Schimmelkäse vorgesetzt bekommen. Der Genuss von anderen Milchprodukten wie beispielsweise Eiskrem hat sich dagegen in den letzten Jahrzehnten auch dort weit verbreitet.

Manche Lebensmittel kommen nur bei relativ kleinen Gruppen gut an: Das gilt zum Beispiel für den Surströmming, einen in schwacher Salzlake eingelegten teilvergärten Hering, der in Schweden gegessen wird. Wegen des Geruchs, den das Fischgericht verströmt, wurde einer Mieterin in Deutschland 1981 fristlos gekündigt. Das Landgericht Köln begründete die Rechtmäßigkeit dieser Kündigung später wie folgt:

Daß der üble Geruch der Fischpökelbrühe das für die Mitbewohner des Hauses zumutbare Maß bei weitem übersteigt, davon hat sich die Kammer selbst überzeugt, als die Beklagten im Termin eine Büchse im Sitzungssaal öffneten.

(Urteil vom 12. Januar 1984, Az. 1 S 171/83)

Nahrungsmitteltabus können aber nicht nur verschwinden, sondern auch neu entstehen: Innereien werden heute beispielsweise in Europa vor allem in Form von Wurst gegessen, weil sie in weniger verarbeiteter Form immer weniger Käufer finden. Außerdem gibt es Subkulturen wie die Veganer, die neue Speisetabus teilweise so verinnerlicht haben, dass ihnen vor Fleisch und Milchprodukten graust, wo es andere vor veganem Leberkäs ekelt.

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