Tiercyborg oder "künstliches Tier"

Gehirn eines Fisches steuert Roboter

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Einen hybriden Roboter mit einem mechanischem Körper und dem Gehirn eines Fisches haben Forscher gebaut - oder sollte man sagen: entwickelt oder erzeugt? Ziel der Forschung sind freilich keine Bioroboter, sondern die Entwicklung von besseren Prothesen für Behinderte.

Robot Khepera

Wissenschaftler der Universität Genua sowie der Northwestern University und der University of Illinois in Chicago haben, wie New Scientist berichtet, allerdings nicht das ganze Gehirn, sondern nur einige Zellen aus dem Gehirn eines Neunauges (Petromyzon marinus) genommen, um damit einen Roboter zu steuern. Neunaugen sind relativ einfache aalförmige Fische.

Der Robotkörper des "künstlichen Tiers", wie die Wissenschaftler ihre Erfindung in Analogie zum künstlichen Leben oder zur künstlichen Intelligenz genant haben, ist ein im Handel befindlicher Roboter mit dem Namen Khepera, der auf zwei Rädern fährt und auch sonst nicht gerade einem Fisch ähnelt. Von dem Neunauge wurde der Hirnstamm und ein Teil der Wirbelsäule unter "totaler Anästhesie" entfernt und in einer mit Sauerstoff angereicherten und gekühlten Salzlösung gelegt. Dann schlossen sie einige Müllerzellen, große Neuronen, die für die Integration von Befehlen und sensorischen Signalen an Motoneuronen verantwortlich sind, an Elektroden an. Mit diesen werden die Neuronen von lichtempfindlichen Sensoren mit den gewohnten Stromfrequenzen stimuliert. Weitere Elektroden wurden an den Axonen der Neuronen angeschlossen, um den Output zu messen. Das Gehirngewebe wurde allerdings nicht in den Roboter eingefügt, sondern nur mit Drähten mit diesem verbunden.

Offenbar ist dieser halb biologische, halb technische Roboter in der Lage, "komplexe" Verhaltensweisen in Reaktion auf Lichtsignale auszuführen. Setzt man es derartigen Signalen aus, reagiert das Neunaugengehirn, indem es den Roboter dem Licht folgen, ihm ausweichen oder im Kreis herumfahren lässt.

Ursprünglich wollte man näher untersuchen, wie sich Gehirnzellen an wechselnde Reize anpassen. Aber Ferdinando Mussa-Ivaldi, der früher in Genua war und jetzt an der Nothwestern University ist, hofft, dass sich durch Erkenntnis, wie Neuronen mit Maschinen kommunizieren können, auch bessere Prothesen für behinderte Menschen herstellen lassen könnten, wo es schließlich ebenfalls darum geht, dass das biologische Gehirn etwa einen künstlichen Arm steuert.

New Scientist hat auch Kevin Warwick, einen medienbewussten Robotikforscher von der britischen Reading University (Der Forscher als Publicity Stuntman, Telepathischer Chip) befragt, der ähnlich wie Moravec oder Kurzweil glaubt, dass man eines Tages den Inhalt des menschlichen Gehirns auf einen Computer abspeichern können wird. Stirbt der Körper, könnte man also einfach mit einem künstlichen Körper und einem Silikongehirn weiterleben. Warwick denkt zwar nicht an eine Verpflanzung des nassen Gehirns in einen Robotkörper, wohl aber daran, dass sich doch auch Geräte wie ein Handy direkt in das Gehirn implantieren lassen könnte. Das wäre doch praktisch, denn dann müsste man dieses Ding nicht ewig mit sich herumführen und würde auch die Umgebung nicht stören, weil es für die anderen unhörbar "klingeln" könnte, während man auch ohne Akustik miteinander sprechen könnte. Wichtig wäre wahrscheinlich nur, dass zum selben Augenblick nur jeweils einer durchgestellt wird, um nicht alles durcheinander zu bringen.