Toll, die hohen Energiepreise!
Strom, Heizkosten und Treibstoffpreise sind teuer wie nie. Wird sich das wieder ändern – und ist Fracking-Gas dabei wirklich hilfreich? Eine Analyse
Österreichs Parlament hat vor Wochenfrist eine Klima-Abgabe auf fossile Energieträger beschlossen. Wer Kohle, Öl oder Erdgas verbrennt, muss künftig 30 Euro pro Tonne frei werdendem Kohlendioxid an die Staatskasse zahlen. Die CO2-Bepreisung ist Teil einer ökosozialen Steuerreform in Österreich, durch die sich etwa Heizöl, Benzin, Diesel oder Erdgas für die Endkunden verteuern wird.
Dadurch soll ein Anreiz zur Abkehr von fossilen Technologien geschaffen werden: Bis 2025 wird der Preis auf 55 Euro steigen, und danach weiter und weiter. Es ist also keine gute Idee, sich heute beim Heizsystem seines neuen Eigenheims für eine Gastherme zu entscheiden.
In Deutschland gibt es solch ein Steuerinstrument für mehr Klimaschutz bereits: Seit 1. Januar 2021 ist fossile Heizenergie genauso wie Kraftstoffe oder Flugtickets um 25 Euro je Tonne Kohlendioxid teurer geworden. Plötzlich sind die Heizkosten gestiegen, der ADAC schlägt Alarm: "Tanken so teuer wie nie" in Deutschland!
Statt sich jetzt einfach mal zu freuen, dass die Politik ein Ziel, dass sie sich vorgegeben hat, auch wirklich erreicht – die Verteuerung der fossilen Energien – reden alle aufgeregt durcheinander. Der Deutsche Städtetag fordert die Abschaffung der EEG-Umlage, der Sozialverband VdK forderte, die Energiekosten dauerhaft in das Wohngeld einzurechnen, die Gewerkschaft ver.di fordert, die Umsatzsteuer auf Strom und Gas auszusetzen, um Verbraucher:innen von steigenden Energiekosten schnell zu entlasten.
Ver.di-Chef Frank Werneke: "Das würde eine jährliche Entlastung für einen typischen Haushalt um ungefähr 200 Euro beim Strom und ungefähr 250 Euro beim Gas bringen."
Stellt sich zunächst die Frage: Ist der eingeführte CO2-Preis tatsächlich "schuld" an den derzeit hohen Energiekosten? Das behauptet nicht einmal der ADAC, nach Angaben der Lobby der Autofahrer erhöht der CO2-Preis die Kosten pro Liter Kraftstoff um etwa 1,5 Cent – je nach Kraftstoff und Agro-Spritanteil. Und da lässt sich die Lenkungswirkung bereits erkennen: Wer E10-Kraftstoff tankt, holt sich 10 Prozent Bioethanol in seinen Verbrenner und damit ungefähr zehn Prozent weniger Treibhausgas. Deshalb ist E10-Kraftstoff günstiger zu haben.
Zweierlei Preistreiber
Treiber der Preise beim Tanken ist vor allem der hohe Ölpreis: Zuletzt kostete ein Barrel der Benchmark-Sorte Brent Crude 90 Dollar – der höchste Stand seit 2014. Analysten sehen "eine robuste Nachfrage", gepaart mit Politik: OPEC-Staaten wie Russland oder Saudi-Arabien kommt der hohe Preis für ihren gebeutelten Staatshaushalt gelegen, weshalb sie die Fördermenge auch nur langsam zu erhöhen bereits sind.
Zudem sind geopolitische Spannungen wie die an der Grenze zwischen der Ukraine und Russland an den Börsen stets Preistreiber. Manche Börsianer wetten darauf, dass es kracht und decken sich mit Vorräten für den Fall ein, dass es beispielsweise ein Ölembargo gegen Russland gibt.
Dieser Konflikt ist ein Aspekt, warum auch Strom und Heizung teurer geworden sind: Mehr als 40 Prozent des in der EU verbrannten Erdgases kommen aus Russland, Moskau drosselte im Dezember den Gasfluss drastisch. Das führte dazu, dass sich hierzulande die Speicher lehrten.
Zur Logik des Kapitalismus gehört: Je knapper das Angebot, desto stärker steigen die Preise. Und weil in Deutschland gut 15 Prozent des Stroms in Erdgas-Kraftwerken produziert werden, steigt deshalb auch der Strompreis.
Allerdings ist dies nur ein Teil des starken Preisanstiegs: Bereits im Sommer war Erdgas 50 Prozent teurer als zu Jahresbeginn, ein wesentlicher Preistreiber war die große Nachfrage aus Asien, wo sich die Wirtschaftsaktivität dem Niveau vor der Corona-Pandemie wieder annäherte – und diese vielerorts schließlich überstieg. Deutsche Einkäufer hielten sich deshalb auf dem Markt zurück, sie hofften auf eine Entspannung des Marktes im zweiten Halbjahr. Doch dann verschärften stattdessen weiter steigende Preise die Situation: Die Gasspeicher waren im September mit nur 64 Prozent gefüllt - extrem wenig für diese Jahreszeit.
"Habeck startet Flüssiggas-Offensive", titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vor einigen Tagen: Um unabhängiger von Russland zu werden, soll durch "Fracking" gefördertes LNG nach Plänen von Bundeswirtschaftsmibister Robert Habeck (Grüne) beispielsweise in den USA eingekauft werden.
Dieses "liquefied natural gas" wird durch Abkühlung auf mehr als minus 160 Grad verflüssigt und damit auf ein Sechshundertstel seines Volumens reduziert. Dadurch lässt es sich von Tankschiffen transportieren. Allerdings sind dafür so genannte LNG-Terminals notwendig, die das Flüssiggas wieder gasförmigen machen, um es ins Gasnetz einspeisen zu können.
Bisher gibt es in Deutschland kein LNG-Terminal
Mal abgesehen davon, dass die Umwandlungsvorgänge Energie kosten, den Preis treiben und Treibhausgase verursachen: Es gibt in Deutschland kein LNG-Terminal. Zuletzt wurden entsprechende Projekte in Wilhelmshaven und Brunsbüttel aufgegeben, zu teuer, zu unsicher in der Refinanzierung, wenn Deutschland in 23 Jahren klimaneutral sein will.
Denn wer heute in neue Erdgas-Pipelines oder Kraftwerke, in Erdgas-Verteilstationen oder -Speicher investiert, der will aus diesem Investment schließlich auch in mindestens 30 Jahren noch Rendite sehen. Der Bau eines solchen Terminals dauert aber seine Zeit, im polnischen Świnoujście, dem zu Deutschland nächstgelegenen Terminal beispielsweise vier Jahre.
Könnte Deutschland nicht dieses Terminal mit nutzen? Theoretisch ja, denn die Anlage wurde mit einer Möglichkeit zur Erhöhung der Kapazität um 50 Prozent ausgelegt. Allerdings würde es auch hier einige Zeit dauern, bis diese Kapazitäten aufgebaut sind. Zudem müsste von Westpolen eine Pipeline nach Deutschland gebaut werden, etwa ins 50 Kilometer entfernte Lubmin – durch den Naturpark Usedom. Das ist schwer vorstellbar. Und dann gibt es noch die Unsicherheit mit der Erdgaspipeline Nordstream II: Geht die fertige Leitung tatsächlich wie geplant in Betrieb, ist eine zusätzliche Erdgas-Quelle überflüssig.
Flüssigerdgas wird also mittelfristig nicht dazu führen, dass die Energiepreise wieder sinken. Und das ist auch gut so: Wenn fossile Brennstoffe teuer bleiben, erhöht das die Chance, dass sich erneuerbar angetriebene Technologien auf dem Markt durchsetzen. Will Deutschland zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels einen fairen Beitrag leisten, müssten wir beim jetzigem CO₂-Ausstoß-Niveau ab 2027 bei Null Emissionen ankommen. Es wird also schleunigst Zeit, unser Treibhausgas-Restbudget in die Länge zu strecken, ergo schnell Fossiltechniken aus dem Markt zu drängen.
Natürlich könnten fallende Börsenpreise dafür sorgen, dass sich die Lage wieder entspannt. Mittelfristig allerdings wurde bereits von der letzten Bundesregierung beschlossen, den CO2-Preis in den kommenden acht Jahren auf 100 Euro zu vervierfachen. Geplant ist, dass er danach noch schneller steigt als in den 2020er Jahren. Und die Bündnisgrünen würden gern zum Zwecke besseren Klimaschutzes die Preise jetzt schon stärker anziehen.
Deshalb bedeuten die hohen Energiepreise auch, Menschen, die knapp bei Kasse sind zu entlasten: Energiewende geht nicht ohne Akzeptanz. Einen ersten Anfang hat die Ampel-Regierung am Mittwoch mit dem Heizkostenzuschussgesetz gemacht, allerdings kann das nur ein Anfang sein. In Österreich wurde zum Ausgleich für den CO2-Preis ein "Klimabonus" beschlossen. Zum Ausgleich für die Sprit- und Heizkosten erhalten Steuerzahler eine jährliche Zahlung von 100 bis 200 Euro: Wer auf dem Land mit schlechter Anbindung an den öffentlichen Verkehr wohnt, erhält mehr, Stadtbewohner weniger.
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