Toxoplasma, der Parasit, der das Verhalten verändert
Ob der Katzenparasit auch das Verhalten von Menschen verändert, bleibt umstritten, er kann jedenfalls Mäuse dauerhaft dazu bringen, die Angst vor dem Geruch von Katzen zu verlieren
Der faszinierende, weltweit verbreitete Katzenparasit Toxoplasma gondii war schon öfter Thema auf Telepolis (Der Parasit, der auch das Verhalten von Menschen beeinflussen könnte). Bekannt und berüchtigt wurde er vor allem deswegen, weil verhaltensverändernd auf Zwischenwirte wirkt (Der Parasit, der das Verhalten seines Wirts verändert). So verlieren Mäuse, die von diesem Protozoon infiziert wurden und in denen sie sich ungeschlechtlich vermehren, ihre Scheu vor Katzen. Deswegen werden sie natürlich auch eher zum Opfer, die Katzen nehmen mit den Mäusen den Parasiten auf, der sich vor allem in Muskeln und im Gehirn eingenistet und verbreitet hat und der sich nur im Darm von Katzen als den Endwirten sexuell fortpflanzen kann.
Auch andere Wirbeltiere, d.h. auch Menschen, sind Zwischenwirte von Toxoplasma. Die akute Infektion nennt man Toxoplasmose. Die menschliche Bevölkerung ist je nach Land sehr unterschiedlich infiziert. In manchen Ländern ist ein Großteil der Bevölkerung Träger des Parasiten, der über den Darm in den Körper einwandert und in den Muskeln und Organen, inklusive Gehirn, Zysten bildet. Die meisten Menschen merken von den neuen Bewohnern nichts, bei manchen kann dies zu grippeähnlichen Beschwerden führen. Gefährdet sind vor allem schwangere Frauen, da der Parasit für Kinder mitunter tödlich sein kann. Nachdem bei Mäusen und Ratten als Zwischenwirten Verhaltensveränderungen festgestellt wurden, die dem Parasiten auf komplizierte Weise dienen, liegt die Vermutung nahe, dass auch das Verhalten von anderen Wirbeltieren durch den Parasiten, wenn er sich im Gehirn einlagert, beeinflusst werden könnte. Was bei Mäusen dazu führt, dass sie die Angst vor Katzen verlieren bzw. nicht mehr deren Geruch als gefährlich zu empfinden scheinen, hat bei größeren Tieren und dem Menschen natürlich nicht die Folge, von Katzen gefressen zu werden, sondern vielleicht nur, Katzen attraktiv zu finden. Manche Wissenschaftler glauben gar Hinweise gefunden zu haben, dass der Parasit ganze Kulturen verändert (Neurotisch durch Parasiten?) oder Menschen eher zum Selbstmord treibt (Erhöht ein Parasit das Selbstmordrisiko bei Menschen?). Es wurden auch Zusammenhänge einer chronischen Infektion mit psychischen Krankheiten festgestellt.
Kalifornische Wissenschaftler haben nun bei Mäusen beobachtet, wie sie in PLOS ONE schreiben, dass einmal infizierte Mäuse auch noch lange nach Abklingen der Toxoplasmose die induzierte Verhaltensveränderung, also den Verlust der Angst vor Katzen, zeigen Noch mindestens vier Monate nach der Infektion bleibt der Effekt vorhanden, der Parasit schreibt sich also fest ins Verhalten ein, selbst wenn er im Körper und Gehirn des Wirts nicht mehr zu finden ist. Dazu wurden genveränderte Parasiten verwendet, die keine Zysten bilden und daher auch nicht eine chronische Infektion des Gehirns verursachen können.
Wie das gehen kann, wissen die Wissenschaftler noch nicht. Möglicherweise schädigt oder manipuliert der Parasit dauerhaft das Geruchszentrum. Es könnte aber auch sein, dass Gedächtnisbildung oder Lernen neuronal verändert werden. Möglich wäre auch, dass die Infektion eine dem Parasiten günstige Reaktion ähnlich wie bei einer Autoimmunkrankheit bewirkt. Eine direkte Beeinflussung durch körperliche Präsenz scheint jedenfalls nicht notwendig zu sein, um Wirte zu steuern. Wenn Wendy Ingram, eine Autorin der Studie, sagt, dass der Parasit mehr über unsere Gehirne zu wissen scheint als wir und Säugetierhirne manipuliert, "um seine Verbreitung durch einen komplizierten Lebenszyklus zu verbessern", dann wird hier dämonisiert. Der Parasit weiß natürlich gar nichts, aber er verdankt sein Überleben und seine Reproduktion einer für ihn glücklichen Eigenschaft seiner Zysten, die irgendwie das Gehirn der Wirte beeinflussen.