Transparenz versus Korruption

Die jüngsten Korruptionsfälle verdeutlichen, dass das auf Eis liegende Bundesinformationsfreiheitsgesetz endlich umgesetzt werden sollte

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Der Entwurf eines bundesweit gültigen Informationsfreiheitsgesetzes, der erst auf Druck von Telepolis veröffentlicht wurde, liegt seit Monaten im Bundesinnenministerium auf Eis. Angeblich befindet er sich in Ressortabstimmung, doch eine kleine Umfrage von Telepolis unter den Ministerien ergab, dass wohl nur das Bundesinnenministerium selbst noch Probleme mit dem relativ restriktiven Entwurf hat

Nachdem die Journalistenverbände Bundesinnenminister Schily kritisierten, fordert nun auch die Arbeitsgemeinschaft der Informationsbeauftragten Deutschlands die schnellstmögliche Verabschiedung des Bundesinformationsfreiheitsgesetzes. Gerade die jüngsten Korruptionsskandale in Deutschland zeigten, "dass die öffentliche Hand verstärkt auf mehr Transparenz setzen muss, um derartigen Missbrauchsfällen wirksam entgegenzuwirken".

Tatsächlich zeigt der Korruptionsindex der Nichtregierungs-Organisation Transparency International, dass vor allem Länder mit Informationsfreiheitsgesetzen gut abschneiden. Die skandinavischen Länder, die ihren Bürgern solche Zugangsrechte gewähren, schneiden alle sehr gut ab. Neben Deutschland verfügen nur Luxemburg und Österreich über keine umfassende Gesetzgebung. In elf der fünfzehn EU-Mitgliedstaaten gibt es bereits eine eigene Gesetzgebung für den Dokumentenzugang. Die meisten Länder unterscheiden nicht, ob die Dokumente von inner- oder außerhalb der Behörde kommen. Die Gesetzgebung trifft auf alle Dokumente gleichermaßen zu. Die meisten Länder sorgten auch dafür, dass persönliche Daten nicht frei gegeben werden dürfen.

Umso unverständlicher sei es deshalb, so die Informationsbeauftragten, dass das bereits im Koalitionsvertrag angekündigte Informationsfreiheitsgesetz des Bundes jetzt, wenige Monate vor dem Ende der Legislaturperiode, immer noch nicht ins Parlament eingebracht worden ist. Auch der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele setzt darauf, dass Transparenz gegen Korruption am wirksamsten ist:

"Transparenz und Offenheit der öffentlichen Verwaltung sind notwendig. Nur so erhalten Bürgerinnen und Bürger sowie ihre Verbände die Chance, Regierungs- und Verwaltungshandeln besser zu durchschauen und zu kontrollieren."

Informationsfreiheitsgesetze nur in den Ländern

In den vier Bundesländern Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gibt es umfassende Informationsfreiheitsgesetze, die sich auf die Akten der Landesbehörden beziehen. Bundesweit erlaubt bislang nur das Umweltinformationsgesetz den Zugang zu Unterlagen, die mit Umweltfragen zu tun haben. Hinzu kommen das Stasiunterlagengesetz und die Pressegesetze der Länder. Bundesweite, allgemein gültige Regelungen gibt es bis heute nicht. Immerhin erlaubt Artikel 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Bürgern Einsicht in Akten zu nehmen, soweit sie selbst persönlich betroffen sind.

Die Informationsbeauftragten in den Ländern konnten die Erfahrungen machen, dass bei den Bürgerinnen und Bürgern ein reges Interesse daran besteht, Einblick in Ausschreibungsunterlagen zu erhalten. Längst nicht alles, was von Behörden geheim gehalten wird, sei auch tatsächlich so vertraulich, dass es der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürfe, meinen die Informationsbeauftragten.

Erste Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen

Tatsächlich schein diese Ermahnung notwendig, denn nicht überall scheint eitler Sonnenschein. Seit dem 1. Januar gibt es das Informationsfreiheitsgesetz in Nordrhein-Westfalen. In der Stadt Bonn setzte die Verwaltung die Kosten für die Akteneinsicht auf willkürliche 10 Euro pro angefangene Viertelstunde fest. Eine Stunde Lesen kostet in Bonn deshalb schon 40 Euro. Selbst der Bonner Generalanzeiger empörte sich deshalb vorgestern in einem Kommentar:

"Die Gebühren sollen wohl den Bürger abschrecken".

Die Stadt Bonn berief sich auf die Gebührenordnung NRW, da das Verwaltungsverfahren angeblich immer noch nicht festgelegt wurde. Doch diese wurde am 19. Februar bereits erlassen und am 18. März veröffentlicht. Eine einfache Akteneinsicht ist demnach sogar kostenlos.

Ähnlich verschlafen zeigte sich die Stadt Herten, die auf einen Antrag zur Einsicht in eine Verkehrszählung per E-Mail vom 19. Januar erst gar nicht reagierte, obwohl die Verwaltung innerhalb von vier Wochen reagieren muss. Erst nach Androhung eines Gerichtsverfahrens reagierte sie - allerdings abschlägig. Nach einer weiteren Intervention reagierte die Stadt erst Ende März.

Anders als in Brandenburg dürfen in NRW auch keine Akten zu laufenden Verfahren eingesehen werden. Die Aktendeckel zur umstrittenen Müllverbrennungsanlage bleiben deshalb zum Bedauern der Grünen Fraktion im Bonner Rathaus zu. Immerhin: Die Akteneinsicht bescherten ihr die Erkenntnis, dass Akten in Bonn grundsätzlich nicht paginiert werden. Doch sowohl die SPD, als auch CDU im Stadtrat wollen darin nichts korruptionsförderndes erkennen. Vielleicht ändert sich hier künftig was an der offenbar weit verbreiteten Verwaltungspraxis.

Auch schon einen ersten Gerichtsbeschluss gibt es in NRW: Am 21. März verfügte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, dass der Oberbürgermeister der Stadt Essen einem Apotheker Einsicht in die Bautagebücher einer Baustelle gewähren muss (Az.: 17 L 494/02). Er hatte bei der Stadt Umsatzeinbußen geltend gemacht, da wegen der Bauarbeiten die Apotheke nur noch über wacklige Holzplanken erreichbar war.

Um dies vor dem Gericht nachweisen zu können, benötigte der Apotheker die Einsicht in die Bautagebücher. Die Stadt lehnte dies jedoch ab, weil er die Bücher nicht aus allgemeinem Informationsinteresse einsehen wollte, sondern Erkenntnisse für den Zivilrechtsstreit gewinnen wollte. Sie sei nicht verpflichtet, dem Gegner die Waffen in die Hand zu geben. Das Gericht entschied jedoch in einer sehr umfangreichen Begründung, dass die Motivation des Gegners für den Aktenzugang keine Rolle spielt. (siehe auch Informationsfreiheit in NRW kaum gefragt)

Rückendeckung für Künast

Mit großen Hoffnungen stellte Verbraucherschutzministerin Renate Künast das Verbraucherinformationsgesetz vor, doch wurde sie von Wirtschaftsminister Werner Müller schwer ausgebremst. Die Informationsbeauftragten der Länder unterstützen die von ihr geplante Stärkung der Verbraucherrechte. Doch müsse der jetzt vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf des Verbraucherinformationsgesetzes noch verbessert werden, um Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam in die Lage zu versetzen, sich hinreichend zu informieren.

Bedauerlich ist es deshalb aus Sicht der Länderexperten, dass ausgerechnet die Privatunternehmen vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen wurden:

"Ohne die Einbeziehung der Hersteller ist das Gesetz jedoch nur die Hälfte wert, denn die Behörden verfügen oftmals gar nicht über die verbraucherrelevanten Produktinformationen."

Außerdem soll das Gesetz jetzt nur noch auf bestimmte Erzeugnisse des Lebensmittelrechts beschränkt werden. Damit könne jedoch, so die Diagnose der Informationsbeauftragten, der ursprünglich angepeilte "große Wurf" im Bereich der Verbraucherinformationen nicht gelingen.

Auch das Verfahren selbst ist noch verbesserungsfähig. So kann es für Informationssuchende durchaus von Bedeutung sein, inwieweit die Behörde sie wie im Entwurf vorgesehen generell auf die im Internet bereitgestellten Informationen verweisen kann. Ebenso relevant ist die Frage, ob in jedem Fall Kosten mit der Informationsnachfrage verbunden sein werden.