Treffen der AfD in Potsdam: SWR stolpert über Correctiv-Berichterstattung

Radiowellen werden von Paragraphenzeichen an AfD-Logo festgehalten

Der SWR berichtete über das AfD-Treffen in Potsdam vor zwei Jahren. Er stützte sich auf Recherchen von Correctiv. Vor Gericht war das nun verheerend.

Die Correctiv-Geschichte "Geheimplan gegen Deutschland" hat erneut ein Gericht beschäftigt. Vor dem Landgericht Hamburg ging es allerdings – wie bisher oft – nicht um den eigentlichen Artikel, sondern eine darauf aufbauende Berichterstattung.

Der SWR hatte in einem Beitrag vom 4. Februar 2024 unter dem Titel "Rechter Masterplan gegen Ausländer und unliebsame Deutsche: Das ist bekannt!" behauptet, AfD-Politiker, Neonazis und Unternehmer hätten sich im November 2023 in einer Potsdamer Villa getroffen, "um die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland zu besprechen. Dies zeigt ein Bericht des Recherchenetzwerks Correctiv".

Im ursprünglichen SWR-Text hieß es dazu weiter:

Nach einer anvisierten Regierungsübernahme der AfD sollten maßgeschneiderte Gesetze erlassen werden. Mit ihnen sollten erst Geflüchtete und Eingewanderte, dann deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund und dann unliebsame Deutsche ausgewiesen werden, wenn sie sich beispielsweise für Flüchtlinge einsetzen. Ziel der Ausweisung könnte demnach ein Land oder eine Region in Nordafrika sein.

SWR, 4. Februar 2024

Anlässlich des nun ergangenen Beschlusses des Landgerichts Hamburg (324 O 465/24) erklärt die Kanzlei, die einen Teilnehmer des Potsdamer Treffens vertritt:

Das alles ist falsch! In Potsdam wurde keine Regierungsübernahme der AfD anvisiert. Erst recht gab es keinen Plan, mit maßgeschneiderten Gesetzen, deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund auszuweisen. Und auch ein Plan "unliebsame Deutsche" auszuweisen, wenn sie sich bspw. für Flüchtlinge einsetzen, ist pure Erfindung. Der SWR hat damit ein Verbot zu gleich drei Falschbehauptungen kassiert.

Rechtsanwaltskanzlei Höcker

Das damit zutage getretene journalistische Problem ist grundsätzlich nicht neu und auch im Kontext der Correctiv-Geschichte schon mehrfach gerichtlich verhandelt worden (etwa zu einer Berichterstattung des ZDF oder einer des NDR, der sich sogar danach noch weigerte, eine Korrektur vorzunehmen).

Das Problem entsteht, wenn Journalisten nicht exakt zitieren, oder, genauer gesagt sich nicht auf die Darstellung von Tatsachen beschränken, sondern stattdessen in eigenen Worten und ggf. mit eigener (unbemerkter) Phantasie wiedergeben, was sie vernommen zu haben meinen.

Rechtsanwalt Carsten Brennecke aus der Kanzlei Höcker sagt dazu gegenüber Telepolis:

Auch der SWR hat die irreführenden Wertungen des Correctiv-Berichts missverstanden und sich dadurch zu einer Falschberichterstattung verleiten lassen.

Gerichte können allerdings nicht von sich aus oder auf Antrag von irgendjemandem ermitteln, was Wahrheit und was Erfindung ist, was Tatsachen und was Meinungen sind – anders als bei den neuen "Trusted Flaggern".

Klageberechtigt (bzw. bei einstweiligen Verfügungen korrekt: antragsberechtigt) sind zivilrechtlich nur von der Berichterstattung Betroffene. Und hierbei ist immer wieder strittig, ab wann jemand persönlich betroffen ist, zum Beispiel, ob er namentlich in unmittelbarem Zusammenhang genannt sein muss, oder ob sich auch anderweitig eine Verbindung ergibt, die seine Rechte betreffen.

Der SWR hatte in seinem Bericht einige Teilnehmer namentlich benannt, darunter den Rechtsanwalt und früheren Staatsrechtslehrer an der Universität Köln Ulrich Vosgerau, der deshalb gegen die Darstellung mit der Kanzlei Höcker vorgegangen ist.

Der SWR hat vor der Veröffentlichung der Falschbehauptungen keinerlei Nachrecherchen zu den irreführenden Wertungen Correctivs vorgenommen. Herr Vosgerau wurde nicht angehört, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, ihn über die auf seiner Webseite verfügbaren Kontaktdaten per E-Mail oder telefonisch kurzfristig anzuhören.

Carsten Brennecke

In den Pressemitteilungen des SWR findet sich bisher nichts dazu, eine leicht zugängliche Seite mit Korrekturen zu seinem umfangreichen Programm hat der SWR nicht, anders als etwa der HR oder – international immer wieder beachtet – die New York Times.

Auch Telepolis orientiert sich an diesen Standards. Hier eine Erklärung von Chefredakteur Harald Neuber dazu, hier die entsprechende Dokumentation der redaktionellen Korrekturen.