Triumph des Nerds

Der pubertierende Streber im Netz der Identitätskrisen: "Spider-Man 3"

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Spider-Man ist zurück! Im dritten Teil der Kino-Saga ist der Superheld gleich mit drei Gegnern auf einmal konfrontiert: Einem "Sandmann" von unklarer Gestalt, einem fiesen Alter-Ego, der all seine Superspinnenfähigkeiten kopiert, und natürlich seinem alten Jugendfreund Harry Osborn, der den Tod seines Vaters Norman Osborn in Teil 1 rächen möchte, für den er Spider-Man/Peter Parker verantwortlich macht. Dabei hätte der schon genug mit sich selbst zu tun, seiner Sehnsucht nach einem normalen Leben, seinen wechselnden Identitätskrisen und nach seiner geliebten "MJ". So ist auch "Spider-Man 3" wieder Psychoanalyse im Comic-Gewand und voller politischem Subtext. Liberale Mythologie? Nein, eher sachter "caring conservatism".

Bild: Sony Pictures

"You are such a nerd!" - wer, wenn nicht Mary Jane Watson ("MJ") könnte es besser auf den Punkt bringen? In "Spider-Man 2" hatte Parkers ihm intellektuell fraglos überlegene Freundin noch neugierig ausgerufen "You're such a mystery!"; der Dialogsatz im dritten Teil zeigt, dass das Mysterium nur halb befriedigend aufgelöst ist und bringt nun den Kern der Spider-Man-Geschichten ebenso auf den Punkt wie die aktuelle Gesamtsituation im Beziehungsleben der beiden. Die "Spider-Man"-Filme erzählen vom Triumph des Nerds, Allmachtsphantasien down to earth aus dem Kopf eines gedämpft sympathischen pubertären Außenseiters.

Der dritte Teil beginnt, scheinbar mit einem Happy-End: In einem der ersten Bilder dieses Films sehen wir, wie Peter Parker mit seiner Angebeteten "MJ", die er erst in den letzten Filmsekunden von "Spider-Man 2" wirklich erobert und von einer Hochzeit mit einem anderen, falschen abgehalten hatte, unterm Sternenhimmel liegt und Sternschnuppen guckt. Romantik pur, ein bisschen 50er-Jahre pelzig auf den ersten Blick, aber dann doch mit dem hippen Flair des Besonderen, liegen die beiden doch auf einem frisch hingeworfen Spinnennetz - es hat schon seine charmanten Seiten, wenn man ein Superheld ist.

Peter Benjamin Parker alias Spider-Man ist scheinbar angekommen auf seiner Reise von der Kindheit in die Erwachsenenwelt. "City is safe" resümiert der gute Junge aus der Nachbarschaft, freut sich darüber zu Star der Massen und Medienphänomen geworden zu sein und zielt doch zu keiner Sekunde nach Höherem, nach Ausbruch aus dem Schrebergarten seines Daseins. Seine Doppelexistenzen - netter Kleinbürgerstreber und Superheld - hat er brav miteinander versöhnt, sein Privatleben ist auch in Ordnung. Jetzt zielt er aufs Spießerglück, denkt an Heirat, Studienabschluß und feste Stelle beim Boulevardblatt "Daily Buggle". Da ist Mary Jane schon anders drauf, sie will als Schauspielerin ein Star werden, legt Wert auf gute Presse und lässt sich von schlechten Kritiken mehr als nur den Tag verderben.

Am Anfang das Ende: Idyll

Was kommt eigentlich nach der Ankunft im Paradies, nach dem Happy-End? Diese Kernfrage aller Sequels, die diese dann zumindest mit einem Glücksaufschub beantworten, bildet auch ein Zentrum von "Spider-Man 3". Die Bedrohung des Eingangs-Idylls lässt dann gottseidank allerdings nicht lange auf sich warten: In einem wunderbaren Bild zum Auftakt ist alles schon angelegt: Da spielt MJ in einem Broadway-Musical ihre erste Hauptrolle. Ganz glamouröser Star schreitet sie eine Show-Treppe herab, in weißer Robe vor dunklem Hintergrund, selbstbewusst mit dem Wissen spielend, Projektionsfläche zu sein - des Publikums, der Tagträume ihrer Verehrer. Im Publikum mindestens zwei davon: In der ersten Reihe sitzt ihr Boyfriend Peter Parker, mit offenem Mund, jeden Dialogsatz nachflüsternd. In einer Loge weiter oben Harry Osborn (James Franco), rich kid, spoiled kid zugleich, der vaterlose Junge, dessen Blick von MJ, die er einst anbetete, die ihm vom Vater aber ausgeredet wurde - "aus zu kleinen Verhältnissen" halt, man weiß ja, wie das so läuft, Prince William und Kate Middleton lassen grüßen - zu Peter Parker wandert, was Harrys düstre Miene noch weiter verdunkelt.

Harry dürstet weiter nach Rache für den Tod seines Vaters Norman, von dessen Schurkenolle im ersten Teil er nichts weiß. Hinzu kommen bald noch zwei weitere Super-Schurken: Da ist der Fotoreporter Eddie Brock (Topher Grace), beruflich Peters schärfster Konkurrent, der sich, nachdem er als Fälscher entlarvt wird, in das schwarzschmierige Ungeheuer "Venom" verwandelt, Peters Erzfeind, der Spider-Mans übermenschliche Fähigkeiten perfekt kopiert und sich an Peter rächen will. Und da ist Flint Marko, ein entflohener Sträfling, der sich durch unglückliche Zufälle in "Sandman" (Thomas Haden Church) verwandelt, eine Mutation, die aus Mensch und Sand ihr Antlitz fortwährend verändert und auch mal zum Sandsturm wird - und doch eigentlich, weil liebender Familienvater, ein Monster mit gutem Herz ist, "I am not a bad man, but I had bad luck." King Kong und "Hulk" schwingen in dieser amorphen Masse mit, aus der erst (und nur) Wille und Bewegung einen Körper machen. Peter freilich, da spiegelt er Harrys Hass, will sich an Marko rächen, da der einst seinen Onkel Ben umbrachte...

Bild: Sony Pictures

Das Ganze spielt in der Gegenwart und - kein Internet, aber Computer, Handy, aber Telefon im Gang und Wohnung als schmuddelige Steinbeck-Arthur-Miller-Bühne - metaphorisch zugleich auf der nostalgischen Folie der späten 50er Jahre, als der Comic entstand, in der Zeit großer Broadway-Träume und kleiner Leute, Kazanschem "On the waterfront"-Spätproletariertum und früh-Rebellion. Parker freilich ist kein Rebell, auch nicht with a cause.

Pubertätskrise: Im Körper unheimisch gewordener Normalo

Hier ist es nun aber höchste Zeit, noch mal zwei, drei Schritte zurückzugehen. Denn "Spider-Man 3" ist, und man muss das wohl einen Nachteil nennen, ohne Kenntnis der ersten beiden "Spider-Man"-Teile nur sehr unvollständig zu verstehen.

"Spider-Man" der Film wie der ihm zugrundeliegende in den frühen 60er Jahren entstandene Marvel-Comic handeln von der Pubertät. Vielleicht ist es dies, was den besonderen Charme dieses von Stan Lee und Steve Ditko erfundenen Pop-Mythos ausmacht: Das romantische Grundmotiv eines in seinem Körper unheimisch gewordenen, letztlich schwachen und von der Umwelt gering geschätzten Normalmenschen, der eine Doppelgängerexistenz als Superheld führt. Der zwar dem von "Superman", "Batman" "Blade", "Wonder-woman" und vielen anderen Comic-Helden ähnelt, doch im Gegensatz zu diesen ist der zum Spinnenmensch mutierende Peter Parker eben anfangs noch Gymnasiast. Dadurch werden Identitätskonflikt, Liebeskummer, Allmachtsphantasie und anderes sofort verständlicher und glaubwürdiger, als wenn es sich um Erwachsene handelte.

Es gehört zu den großen Vorzügen von Sam Raimis bisher dreiteiliger "Spider-Man"-Verfilmung, dass sie zu Beginn nichts voraussetzt: kein Vorwissen, keine Vertrautheit mit den Comics oder den Figuren. Im Gegenteil: Genau genommen charakterisiert der erste Film über lange Strecken vor allem seine Hauptfigur, den pubertierenden Waisenjungen Peter Parker mit Pickeln, Hornbrille und Angst vor Mädchen und erzählt, wie aus diesem kleinbürgerlichen Langweiler dann irgendwann trotz all dem der Superheld Spider-Man wird, ein Spinnenmensch im Dienst der Menschheit. Dies ist spannend und Sam Raimi, der sich zuvor durch einige Horror-B-Movies und Thriller ("Ein einfacher Plan") zum Hollywood-Geheimtip und Intellektuellenliebling gemausert hat, ist genau der richtige dafür, aus "Spider-Man" über den gut unterhaltenden "Popcornmovie" hinaus mehr zu machen, die abgründigen und düsteren Seiten seiner Story, und damit dann doch das Erwachsene in ihr zu betonen.

In Spider-Man mischen sich die Melancholie eines Batman, die Empfindung des eigenen Außenseitertums, mit der immer wieder unverhohlenen freudigen Überraschung über die eigenen Fähigkeiten. Tobey Maguire, vor seinem ersten "Spider-Man"-Auftritt in Film-Kammerspielen wie Ang Lees "Der Eissturm" - wo er bereits ein Marvel-Comics lesender Jüngling war - und Curtis Hansons "Wonder Boys" hervorgetreten, erscheint als Idealbesetzung für die Rolle: Im Prinzip jungenhaft und verschmitzt, aber doch mit einem ständig präsenten ernsthaften Zug ausgestattet, drückt sein Spiel all jene Facetten differenziert aus, die Spider-Man/Parker haben muss. Wunderbar auch Kirsten Dunst in ihrer Rolle als das ebenso schöne wie allerweltshafte rothaarige Nachbarsmädchen MJ, die große Liebe Peters, deren Erfüllung er sich - vorerst - noch versagte.

Bild: Sony Pictures

Die ganze Anlage des ersten Films machte klar, dass es sich hier nur um den Auftakt mehrerer Spider-Man-Folgen handelte. Oft war spürbar, dass bestimmte Szenen vor allem den Zweck hatten, Motive anzulegen, etwas vorzubereiten, was dann erst im nächsten oder übernächsten Film entfaltet werden sollte. So wirkte Teil 1 mitunter wie ein ständiger Aufschub, ein Versprechen, auf das (noch) keine Erfüllung folgte. "Spider-Man" war bei allem, was hier Spaß machte, gut unterhielt, in manchen Momenten begeisterte, ein Film, der über weite Strecken nicht ganz bei sich war, der sich anstatt auf das Hier und Jetzt auf das konzentrierte, was erst noch kommen sollte.

Identitätskrise: "I am Spider-Man no more"

Im zweiten Teil bewies Spider-Man/Parker dann, dass er der alltäglichste Held unter den Superhelden ist. Als Parker versuchte er ein ganz normales Leben als Student zu führen, der sein Geld im Nebenjob als Pizzafahrer verdient - und sich schon mal kurz als Spider-Man durch die Straßenschluchten New Yorks schwingt, um die Pizza noch rechtzeitig zum Kunden zu bringen. Er musste dabei mit den gleichen Problemen kämpfen, wie seine Fans: Flexible Arbeitszeiten, böse Chefs, die ständig Druck ausüben, finanzielle Probleme, eiskalte Bankiers, fehlender Kündigungsschutz, unnachgiebige Lehrer und Vermieter, falsche Freunde und eine Geliebte, die sich für jemand anderen interessiert - einer von uns. Spiderman ist älter, erwachsener geworden, und doch der gute Junge geblieben, der Sonntags bei der Tante May zu Mittag isst. Aunt May Darstellerin Rosemary Harris kennt man hierzulande zwar aus der TV-Serie "Der lange Treck", ein bisschen sieht sie aber auch aus, wie Mutter Walton aus den "Waltons", was wiederum Peters John-Boy-Wirkung verstärkt.

Doch Peter war im Stress, denn immer wieder kam ihm im normalen, ohnehin schon anstrengenden Arbeits- und Studientag seine Heldenrolle dazwischen. Er muss Kinder retten und Verbrecher jagen - daher kann er nicht leben wie alle anderen. Spider-Man musste überdies mit einer mehrfachen Lüge leben. Die Schlimmste: Er wollte sich seiner Angebeteten M.J. nicht offenbaren - Fortsetzung der Pubertätskrise unter neuen Voraussetzungen. Man kennt dieses Motiv des Superhelden mit Identitätskrise und heimlichem Doppelwesen auch aus Batman. In diesem Fall führte das innere Dilemma so weit, dass Spider-Man sein Heldendasein sogar aufgab, um wieder normal leben zu können. "I am Spider-Man no more." Dies hatte dann freilich schnell ein Ende, als ein böser Schurke auf den Plan trat. Zunächst hatte Parker seine Fähigkeiten schon nicht mehr unter Kontrolle - er wollte wieder Held sein und konnte es nicht. Erst als seine Traumfrau gefährdet war, weckte dies wieder die verborgendsten Kräfte.

Leidenschaftlich steigerte sich "Spider-Man 2" zu einem großen Finale. Eine Weile wirkte der Film noch wie eine Teeniekomödie, ein Stück für kleine Jungs, dann verließen die Bilder den Boden der Banalität. Spektakel pur, Action und Romantik, die mit zwischenzeitlichem Auf-der-Stelle-treten fast versöhnten. Einerseits erzählte der Film seine Geschichte straight und cool, andererseits knüpfte er unabgeschlossene Erzählstränge weiter und verwies in manchem bereits auf den dritten Teil: Kino als unendliche Geschichte. Denn bereits der Vorspann mit Danny Elfmans excellenter Musik und seiner rapiden comichaft-schlaglichtartigen Rekonstruktion der bisherigen Ereignisse zeigt: Jeder Spider-Man-Film webt in erster Linie an der Biografie seines Superhelden als einer endlosen Coming-Of-Age-Story. Durfte Parker/Spider-Man im ersten Teil MJ immerhin küssen (musste dabei aber lügen), durfte er nun noch weit mehr: Er offenbarte ihr sein wahres Ich.

Narzisstische Krise: Eitelkeit, Arroganz, Hybris

Konsequent greift Regisseur Sam Raimi die Motive dieser ersten beiden "Spider-Man"-Teile nun auf, erzählt offen gebliebenes zuende und führt sie weiter auf neue Wege: Denn die größte Bedrohung für den Helden liegt nicht in äußeren Feinden, sondern einmal mehr in ihm selbst. "Spider-Man" ist Psychoanalyse im Comic-Gewand, ein Superheldenfilm, der vom Drama des begabten Kindes ebenso erzählt wie von den Leiden der Durchschnittexistenz, von Schüchternheit, wie von der Schwierigkeit, sich selber anzunehmen. Diesmal nun steht im Zentrum die narzisstische Krise. Waren Parkers Identitätsprobleme im zweiten Teil in Überforderung begründet, und in der Weigerung, sich auf sich selbst einzulassen, und aus besonderen Begabungen auch - gut protestantisch - einen Auftrag, eine besondere Verpflichtung abzuleiten, kreist "Spider-Man 3" eher um das Problem der Unfähigkeit, sich auf andere einzulassen. Parkers neues Problem ist Eitelkeit, Arroganz, Hybris - visualisiert durch eine bösartige schwarze Substanz, ein Symbiont und Parasit, der - wortwörtlich - vom Himmel fällt und zu seiner äußeren Haut wird, die Eigenschaften seines Wirts verstärkt, besonders Aggression. Mit sichtbarem Genuss spielt Tobey Maguire diese Passagen - hier scheint er, der auch selber runder und selbstgefälliger geworden ist, noch mehr bei sich selbst, als zuvor.

Bild: Sony Pictures

Wenn Spider-Man nun ein paar Mal mit Lust am Böse-sein und am engen dunklen Gummi-Fetisch-Outfit, mit Haartolle in der Stirn - Hitler? - über die Hochhäuser hüpft, zum amüsanten Arsch wird, so schöne Sätze sagt, wie: "You want forgiveness? Get religion!", und nicht mehr nur der grundgute Junge von Nebenan ist, dann sieht man das schon deshalb gern, weil er hier stellvertretend sehr alltägliche Allmachtsphantasien auslebt. Zudem ist dieser schwarze Spinnenmann nur ein arroganter Schnösel, aber nicht wirklich böse. Insofern möchte man das Gerede von "der dunklen Seite des Helden" auch nicht mehr hören. Hat nicht jeder seine dunkle Seite? Und so auch der Superheld. Und wenn wir uns mal die "schlimmen" Dinge, die er tut, die kleinen Gemeinheiten und Zynismen und Peter Parkers angeblichen "Abgrund" anschauen: der ist allenfalls so tief wie ein Tümpel und entspricht einem ganz gewöhnlichen Arbeitstag von Batman. So bleibt die "dunkle Seite" eher relativ und behauptet und Spider-Man auch hier immer ein harmloser Spießbürger.

An allem sind übrigens wieder mal die Frauen schuld: Die bösen Eigenschaften in Spider-Man werden durch Zurückweisung durch die Geliebte geweckt, die bösen Eigenschaften im Kobold auch. Dann allerdings macht dieser Böse indirekt sein Gegenüber stärker.

Bildungsroman über die "Importance of beeing earnest"

Inhaltlich interessant ist an allen diesen Geschichten das ihnen Gemeinsame, das Rachethema, und die Frage, wie einer sich selbst abhanden kommen und zu sich selbst zurückfinden kann. Dazu passt die Eltern- besonders Vaterlosigkeit aller Hauptfiguren - ein starker Kontrast zu vielen Superhelden, wenn wir uns nur einmal an die geradezu manische Vaterbessenheit von Batman und Superman erinnern. Parker dagegen ist Waise, MJ scheint gar keine Verwandten zu besitzen, außer wenn sie von ihnen erzählt - und dann ist der Vater der, der ihr ihre Schauspielkarriere nie zutraut. Harry ist von seinem Vater besessen, aber von dessen falschen Schein und im denkbar schlechtesten Sinn.

Für einen Blockbuster ist "Spider-Man 3" erstaunlich offen und erstaunlich gesellschaftskritisch in der Aussage: "Revenge turns us into something ugly"/"Rache verwandelt uns in etwas Hässliches" wie es einmal heißt - das ist eigentlich schon kein Subtext mehr, sondern eine klare politische Aussage, offen gemünzt auf die politisch-sozialen Verhältnisse im Bush-Country.

Alles in allem aber ist dieser Bildungsroman über die "Importance of beeing earnest" etwas zu brav und gut gemeint und viel zu unironisch, um irgendein subversives Potential zu entfalten. Von liberaler Mythologie muss man hier nicht reden - es ist nicht alles neoliberal, was grinst -, eher von sachtem, caring conservatism. "I do my homework" sagt boyscout Peter Parker schon früh, und es läuft dann auf die gute alte, uraltamerikanische Einsicht und Ideologie hinaus: "I guess, one man can make a difference." Nicht falsch, auch auf Bush gemünzt, aber doch etwas dünn, wenn dies das letzte Wort sein soll.

Bild: Sony Pictures

Und der Zynismus: "You want forgiveness? Get religion!" wird dadurch zurückgenommen, dass Spider-Man im Moment der schlimmsten Krise dann zur Kirche geht. Seine Rückkehr zur guten Seite der Macht wird dann durch bimmelnde Kirchenglocken markiert und Regen auf ihr, also eine Art Taufe, eine Wiedergeburt, Saulus wird Paulus, christliche Metaphern also, gesteigert zum Showdown-Schlussakkord: "I forgive you".

Konservativ sind die Sprüche der Tante, die eigentlich in Teil 2 schon einen Herzinfakt hätte bekommen müssen, der Verlobungs-Ring, den Parker von der Tante bekommen hat und an den er noch im schlimmsten Kampf eher denkt als an die eigene Sicherheit. Konservativ ist schließlich auch die erwähnte 50er-Nostalgie, ist aber vor allem, dass ethnische Vielfalt, dass Rassen weitgehend ausgeblendet werden. Fast alle sind Weiß, es gibt wenig Schwarze und nur am Rand, keine Asiaten.

Nicht nur Jungskino, sondern auch was für Mädchen

Stilistisch ist "Spider-Man 3" so souverän gemacht wie seine beiden Vorgänger, wobei die Perfektion der Computertricks die entsprechenden Szenen zwar körperlicher und "perfekter", weniger flächig aussehen lässt als in den beiden ersten Teilen, aber darum auch weniger comichaft. Das Gute: Raimi verliert keine Zeit, in 2 wie 3, obwohl beide Filme spürbar Anlauf brauchen: Der Film ist sehr schnell, abwechslungsreich und darin überaus ökonomisch inszeniert. Manchmal möchte man freilich schon wissen, warum Regisseur Raimi eigentlich so gern das Outfit seines Helden zerreißen mag? Mitunter wirkt alles aber etwas überladen, fast zuviel scheint in diesen Film gepackt. Darunter leiden manche Actionszenen am meisten: Die Regeln der Kämpfe bleiben unklar und wenn der Zuschauer nicht weiß, warum hier wer mit welchen Waffen kämpft, schleicht sich eine gewisse Distanz und Kühle der Betrachtung ein.

Ein Glück dass es auch noch MJ gibt: Kirsten Dunst ist einmal mehr die Beste im Ensemble, sie sorgt für Emotion und füllt die nostalgische Spät-50er-Folie der Geschichte mit Aktualität und Leben: Wenn MJ am Anfang bei ihrer Bühnenshow Treppe hinunter kommt, wenn sie in der Küche Twist tanzt, dann begreift man den phänomenalen Erfolg der "Spider-Man"-Filme: Intelligente Unterhaltung sind sie, nicht nur Jungskino, sondern auch was für Mädchen.

Am Ende bleibt allerdings die Erfahrung prägend, dass einem zu Spider-Man, auch wenn man die Filme mag, nicht wirklich viel einfällt, dass dies Filme sind, die man schnell vergisst, die nicht in einem nachhallen, weiterarbeiten, die einen nicht wirklich bewegen.