Trump setzt auf Eskalation und Repression
Mit einem Western-Drehbuch will der US-Präsident die Wahl gewinnen, die Militarisierung der Polizei, die den Feind im Volk verortet, hat spätestens mit Bush begonnen
Das konnte Donald Trump nicht auf sich sitzen lassen. Er, der Präsident der USA, musste am Sonntagabend in einen Bunker wie ein Feigling flüchten ("Bunker Boy"), während Proteste vor dem Weißen Haus stattfanden, die der Secret Service wohl als bedrohlich betrachtete. Es waren nur noch ein paar Hundert Demonstranten, aber es flogen Flaschen, ein Auto wurde angezündet und ein Feuer griff auf die St. John’s Episcopal Church über, die so genannte Kirche der Präsidenten.
Trump, obzwar in Fehde mit Twitter, hatte es zuvor nicht lassen können, die "Antifa" als Terrororganisation zu bezeichnen, die er hinter den Aufständen vermuten will, und mehr Härte zu fordern, von Dialog ist von dem Präsidenten nichts zu hören. Er schürt den Konflikt, schüttet weiter Öl ins Feuer und will als der starke Mann dastehen, der kam, sah und siegte.
Es dauerte nicht lange, bis Trump am Montag sich mit dem großen Aufgebot der Nationalgarde, die wie üblich martialisch auftreten mit Tränengas, Blendgaranten und Gummigeschossen gegen Demonstranten vorhergehend, Platz schaffen ließ, um den unerschrockenen Cowboy zu spielen, der trotz aller Bedrohungen durch die Terroristenorganisation demonstrativ zu der Kirche ging, um dort vor Medien mit seiner brav mitspielenden Frau aufzutreten und dann mit grimmigen Antlitz alleine eine Bibel hochzuhalten, um so unerschrocken den Gott-sei-bei-uns oder dem Bösen zu drohen. Übrigens ohne den zuständigen (afroamerikanischen) Bischof zu fragen, der von einem Missbrauch der Kirche sprach. Zuvor hatte Justizminister William P. Barr die städtische Polizei aufgefordert, vor Trumps "Ausritt", den Lafayette Park beim Weißen Haus zu räumen.
Militär gegen den Terror
Trump hatte zuvor angekündigt, das Militär in die Städte zu schicken, wenn die zuständigen Gouverneure und Bürgermeister dort nicht mit aller Härte mit einer "überwältigenden Polizeipräsenz" und der Nationalgarde gegen den "domestic terror" vorgehen. Er werde die "Aufstände und die Gesetzlosigkeit" beenden, auch gegen den Willen der Gouverneure. Er habe "tausende und tausende schwer bewaffnete Soldaten, Militärpersonal und Polizeioffiziere" eingesetzt, "um den Aufruhr, die Plünderungen, den Vandalismus, die Angriffe und die Zerstörung von Eigentum zu stoppen". Es gebe nur ein Gesetz, und die USA hätten ein "schönes" Gesetz. Ja, und schließlich sagte ausgerechnet Trump, dass man niemals dem Ärger und dem Hass nachgeben dürfe.
Das Militär aufzubieten, um Proteste gegen Polizeigewalt, gegen die öffentlich zur Schau gestellte kaltblütige Ermordung eines schwarzen Mannes durch weiße Polizisten, zu ersticken, ist Eskalationsstrategie. Die scheinen Polizeieinheiten und Nationalgarde auch selbst umzusetzen, auch gegen friedliche Demonstranten, was wiederum zu Angriffen auf Polizisten und zu Gewalt und Vandalismus, aber auch zu Verletzten und Toten bei den Protestierenden führt. Manchmal, wenn es nicht zu vermeiden ist, werden auch Polizisten wie gerade in Atlanta angeklagt und entlassen, weil sie zur Durchsetzung des - nicht wegen Covid-19 - verhängten Ausgehverbots ein Auto mit zwei schwarzen Studenten stoppten. Diese wurden mit Taserwaffen traktiert und aus dem Auto gezerrt - dokumentiert durch ein Video.
Man kann vermuten, dass unter den Sicherheitskräften mitunter Angst vor Revolten umgeht, weil man lange genug teilweise tödlichen Rassismus praktiziert hat und in der Regel das Gesetz nicht fürchten musste. Die Neigung der (weißen) Sicherheitskräfte zu rechten Bewegungen gibt es nicht nur in den USA, wie man immer wieder auch in Deutschland feststellen muss. In den USA fürchten Weiße den Verlust ihrer Überlegenheit, die Angst wird von vielen Polizisten geteilt.
"Wir müssen das Schlachtfeld dominieren"
Trump nahm Verteidigungsminister Mark Esper und - im Kampfanzug! - General Mark Milley, den obersten Militär, demonstrativ mit auf dem Weg zur Kirche, um militärische Gewalt anzudrohen. Beide machten brav das Spiel mit, was frühere Verteidigungsminister und Generäle erzürnte. Esper hatte schon vorher gesagt: "Wir müssen das Schlachtfeld dominieren." Und: "I think the sooner that you mass and dominate the battlespace, the quicker this dissipates and we can get back to the right normal."
Das lässt die Unruhen im Land zu einem inneren Krieg, zu einem Bürgerkrieg werden. Das könnte man eine "Strategie der Spannung" nennen. Trumps Sprecherin Kayleigh McEnany erklärte am Montag verschärfend auch, es werde ein "Kommandozentrum" eingerichtet. Der "Feind" ist nun nach China, Nordkorea, Iran etc. rechtzeitig vor den Präsidentschaftswahlen in den USA angekommen. Trump ließ allerdings auch die Konflikte mit anderen Staaten eskalieren, mit dem Ziel, zu neuen Vereinbarungen zu kommen, die US-Interessen besser durchsetzen. Das hat bislang aber nicht wirklich zu einem Erfolg geführt, siehe Nordkorea.
Aber die Aufrüstung gegen das Volk - und die Angst vor ihm - geht zumindest auf George W. Bush und 9/11 zurück. In dessen Präsidentschaft, die den langen und globalen Krieg gegen den Terror ausrief, wurde die Polizei im Land militarisiert, mit Material des Militärs (Schusswaffen, gepanzerte Fahrzeuge, Kampfhubschrauber etc.) ausgestattet und in paramilitärischen Taktiken geschult ("Jedes Polizeiauto sollte eine Mini-Antiterroreinheit mit schweren Waffen, Schusswesten und Helmen sein").
Damit wurden oppositionelle Bürger zunehmend zu Feinden, die mit Gewalt bekämpft werden müssen, während die Sicherheitskräfte in Angst vor Protestierenden sich mit militärischen Mitteln vor Gewalt schützen und Gewalt anwenden, wenn eine angebliche Bedrohung vermutet wird. Das in einem Staat, in dem der Besitz von Schusswaffen als Selbstverteidigungsmittel propagiert wird, die dann auch häufig verwendet werden. Mit der Militarisierung der Polizei stieg auch die Zahl der Toten durch Polizeigewalt.