Trump will Reiche stärker besteuern

Was sich im US-Vorwahlkampf tut

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Gestern Nacht fand die zweite Fernsehdebatte zu den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen 2016 statt - diesmal nicht bei Fox News, sondern bei CNN. An ihr nahmen neben dem Umfrageführer Donald Trump (aktuell 27 bis 35 Prozent) und dem Zweitplazierten Ben Carson (12 bis 23 Prozent) noch neun republikanische Bewerber teil. Ursprünglich waren nur zehn Teilnehmer geplant - aber nachdem die ehemalige HP-Chefin Carly Fiorina (die äußerlich etwas an die Mutter von Tony Soprano erinnert) nach der Katzentischdebatte bei Fox News zeigte, dass eine Tabellenführung in der Zweiten Liga mehr Aufmerksamkeit bringen kann als ein Platz im letzten Drittel der Ersten Liga, änderte CNN die Teilnahmeregeln.

Vom Unterhaltungsstandpunkt aus gesehen war diese Entscheidung alleine schon deshalb zwingend, weil Trump mit der Äußerung, er könne sich nicht vorstellen, dass jemand mit einem Gesicht wie Fiorina gewählt wird, schon im Vorfeld hohe Erwartungen geweckt hatte. In der Debatte meinte Trump dann, die durch eine Entmachtung der Ingenieure und Massenentlassungen aufgefallene ehemalige HP-Managerin sei eine "schöne Frau" - aber sie habe den IT-Konzern "zerstört" und würde in seinen Firmen keine Führungspolition bekommen.

Fiorina, die sich offenbar eher auf Angriffe auf ihr Äußeres eingestellt hatte, konnte das nur bedingt wirksam parieren. Das galt auch für Rand Paul, der meinte, Debatten über körperliche Defizite gehörten in die Schulzeit und nicht in eine Präsidentschaftsdebatte - worauf hin Trump konterte, er habe den (eher klein gewachsenen) Senator bislang ja noch gar nicht wegen solcher körperlichen Merkmale angegriffen - aber es würden ihm schon welche einfallen.

Jeb Bush (dem Trump in der Vergangenheit unter anderem Schlappheit vorgeworfen hatte) versuchte den Umfrageführer damit zu diskreditieren, dass Hillary Clinton auf dessen dritter Hochzeit war - was ihm die Erwiderung, als Geschäftsmann müsse er halt mit allen Leuten auskommen, und das spöttische Kompliment einbrachte, heute habe er wohl "mehr Energie". Und die Ergänzung: "Ich mag das". Beim Verweis Trumps auf den von George W. Bush begonnenen Irakkrieg verteidigte Jeb Bush seinen Bruder mit der Behauptung, dass dieser dort die "Sicherheit" Amerikas verteidigt habe - worauf hin der Milliardär meinte, ob sich der Kandidat des Establisments denn heute so viel sicherer fühle als damals.

Scott Walker probierte es mit einer Anspielung auf Trumps Fernsehshow The Apprentice und meinte, man brauche keinen Lehrling im Weißen Haus - was nicht ganz passte, weil Trump in der Show ja derjenige war, der die Lehrlinge einstellt und feuert. Huckabee verglich die republikanischen Bewerber dagegen mit dem A-Team und Trump mit Mr. T. - auch dieser Vergleich dürfte eher den Tycoon als dem Prediger genutzt haben.

In der insgesamt dreistündigen Debatte, bei der auch die bekannten (und mehr oder weniger klaren) Positionen der Bewerber zu Einwanderung, Innere Sicherheit, Steuern und Marihuana, Putin, Iran-Atomdeal und Abtreibung ausgetauscht wurden, trat keiner der Kandidaten in einer Weise auf, die erwarten lässt, dass er Trump demnächst die Führung streitig machen könnte.

Dass der exzentrische Milliardär viele Wähler anspricht, dürfte auch daran liegen, dass er sich nicht nur um Medien und Elitentabus, sondern auch um republikanische Denkverbote wenig schert: Ende August kündigte er an, dass er die Steuern nur für Normalverdiener und Unternehmen senken, aber für Reiche - und vor allem für Manager - erhöhen würde. Damit will er die Staatsverschuldung in den Griff bekommen.

Die Obamacare-Gesundheitsreform (die einigen Amerikanern Krankenversicherungsschutz ermöglichte, aber immer noch viele unversichert lässt und ein Rotes Tuch für Republikaner ist) möchte Trump zwar abschaffen - aber er kündigt ein eigenes Krankenversicherungsrezept für Geringverdiener an. Wie das aussehen wird, überlässt er weitgehend der Phantasie der Wähler. Dass er sich vor 15 Jahren für eine Einheitskasse nach kanadischem Vorbild aussprach und unlängst meinte, in Schottland funktioniere das NHS sehr gut (auch wenn es nicht auf die USA übertragbar sei), lässt sowohl Spekulation zu, dass das, was dabei herauskommt, eher Bürgern als Versicherungen nützen könnte, als auch die umgekehrte Erwartung.

Dass der sehr ruhig auftretende schwarze Neurochirurg Carson inzwischen Zweiter ist, zeigt nicht nur, dass Hautfarbe 2015 auch bei Konservativen kein Karrierehindernis ist, sondern auch, dass Teile der religiösen Wählerschaft auf der Suche nach einer Alternative zum inzwischen zum dritten Mal verheiratete Trump sind. Mike Huckabee (3 bis 6 Prozent) und Rick Santorum (1 bis 2 Prozent) haftet dazu möglicherweise der Geruch des Scheiterns in früheren Vorwahlen zu sehr an.

Katzentischdebatte ohne Perry

An der Katzentischdebatte nahmen diesmal der katholische Fundamentalist Rick Santorum, der indischstämmige Louisiana-Gouverneur Bobby Jindal, der Außenpolitikfalke Lindsey Graham und der ehemalige New Yorker Gouverneur George Pataki teil. Der ehemalige texanische Gouverneur Rick Perry hatte kurz vor der Debatte das Handtuch geworfen, weshalb sein größter Spender jetzt 5 Millionen Dollar zurückhaben will. Bei Jim Gilmore, dem ehemaligen Gouverneur von Virginia, waren die Umfragewerte so niedrig, dass sie nicht einmal für die Teilnahme an dieser Debatte reichten.

Santorum versuchte mit einer Anhebung des Mindestlohns und (wie Huckabee in der Hauptdebatte) mit einer Verteidigung der Wahlbeamtin Kimberly Davis zu punkten, die wegen ihrer Weigerung, Schwulen Ehedokumente auszustellen, zeitweise eingesperrt war (vgl. Beamtin aus Kentucky lässt sich lieber einsperren). Pataki hielt dagegen und meinte, er hätte sie aus dem Amt entfernt, weil sie sich nicht an Gesetze hält: "Es gibt ein Land, in dem die Religion über dem Gesetz steht, und dass heißt Iran".

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