Trumps rechter Anhang rastet aus
Tote und viele Verletze bei rechtsextremistischen Gewaltexzessen in US-Stadt Charlottesville
In der beschaulichen ostamerikanischen Universitätsstadt Charlottesville spielten sich am Wochenende Szenen ab, die aus einer Neuauflage des amerikanischen Bürgerkriegs zu stammen scheinen. Fahnen der Konföderierten Staaten von Amerika, dem Symbol des ungebrochenen Rassismus im Süden der USA, flatterten im Kampfgetümmel, während mit Schlagstöcken und Schildern bewaffnete Rechtsextreme sich mehrstündige Straßenschlachten mit antifaschistischen Demonstranten lieferten.
Eine 32-jährige Frau wurde getötet, 19 weitere Menschen verletzt, nachdem ein Auto in eine Gruppe von Gegendemonstranten hineinraste. Fünf der verletzten antifaschistischen Demonstrationsteilnehmer befinden sich im kritischen Zustand, wie ein Sprecher des University of Virginia Medical Center gegenüber der Washington Post erklärte.
Hierbei handelte es sich offensichtlich nicht um einen Unfall, wie Videoaufnahmen des Vorfalls belegen. Das Fahrzeug hat voll beschleunigt, bevor es in die Gruppe der Demonstranten hineinraste, um anschließend im Rückwärtsgang noch einmal Menschen zu rammen. Der als "einsamer Wolf" agierende Fahrer, der zuerst Fahrerflucht beging, befindet sich inzwischen in Polizeigewahrsam.
"Blanker Hass"
Bei den Straßenschlachten wurden zusätzlich insgesamt 14 Menschen verletzt, zudem sind zwei Polizeibeamte bei einem Hubschrauberabsturz während der Proteste ums Leben gekommen. Am Samstag verhängte Terry McAuliffe, der Gouverneur von Virginia, den Ausnahmezustand in der Region, wobei die weiteren geplanten Aufmärsche der Rechtsextremisten in der Stadt verboten wurden. McAuliffe erklärte auf einer Pressekonferenz, dass all die "Nazis und die weißen Rassisten, die nach Charlottesville gekommen sind", hier nicht willkommen seien.
Mausice Jones von der Stadtverwaltung Charlottesvilles sprach von "blankem Hass, der in unsere Stadt in einer Art und Weise kam, wie wir es befürchteten, aber dennoch nicht wahrhaben wollten". Die Polizeikräfte in der Stadt sind überdies für ihre Zurückhaltung gegenüber den rechtsextremen Randalierern kritisiert worden. Die Polizisten hätten zugesehen, wie die Angriffe rechtsextremer Gruppierungen auf Gegendemonstranten eskalierten, ohne einzugreifen, hieß es in etlichen Zeitungsberichten.
Streit um ein Denkmal für Robert E. Lee
Dabei ist der Ort der Ausschreitungen keineswegs eine rechte Hochburg. Charlottesville ist eine demokratisch geprägte Universitätsstadt von rund 50 000 Einwohnern im US-Bundesstaat Virginia, deren Wählerschaft bei den letzten Wahlen zu 80 Prozent für die Demokraten stimmte. Ins Fadenkreuz der extremistischen US-Rechten geriet die Kleinstadt aufgrund der Entscheidung des Stadtrats, ein Denkmal für den Bürgerkriegsgeneral Robert E. Lee aus dem Stadtzentrum zu entfernen.
Lee war Oberbefehlshaber der konföderierten Army of Northern Virgina von 1862 bis 1865. Durch sein unbestrittenes taktisches Geschick konnte Lee immer wieder den überlegenen Unionstruppen schmerzhafte Niederlagen bereiten - etwa bei seinem Triumph in Chancellorville - und so den mörderischen US-Bürgerkrieg um Jahre verlängern. Er fungiert folglich immer noch als eine wichtige Identifikationsfigur der rassistischen Rechten, insbesondere im Süden der USA.
"Unite the Right"
Die unter Trump rasch erstarkende extremistische Rechte sah die Proteste gegen diese geschichtspolitische Entscheidung des Stadtrats als eine Möglichkeit, ihre Kräfte zu bündeln und in die Offensive zu gehen. Charlottesville sollte ein Fanal werden, das den Kampf um die Straßen einleiteten solle. Die mehrtägigen Aufmärsche wurden unter dem Motto "Unite the Right" organisiert, um die unterschiedlichsten Gruppierungen der gewaltbereiten, extremistischen Rechten zusammenzuführen.
Neben der "größten Naziorganisation" des Landes, so das Southern Poverty Law Center, nahmen an den Umzügen auch bewaffnete Milizionäre aus der großen amerikanischen Waffennarrenszene, der Ku-Klux-Klan oder sezessionistische Gruppierungen wie die League of the South teil.
Diese traditionellen Gruppierungen haben sich inzwischen mit der neuen Generation der extremistischen Rechten verbündet, mit der größtenteils im Internet und sozialen Netzwerke geformten Alt-Right-Bewegung. Gerade in Charlottesville sollte die Kooperation zwischen den "alten" Neonazis und dem berüchtigten KKK-Lynchmob einerseits und der neuen Generation der Alt-Right-Extremisten andrerseits, die sich auf die Steuerung des rechten Hassschwarms im Netz spezialisierten, manifest werden.
Etliche prominente Führungsfiguren dieser neuen US-Rechten liefen in Charlottesville auf, berichtete Newsweek, um das Mobilisierungspotenzial des "Unite the Right"-Aufmarsches zu erhöhen.
Am Freitag wurden die rechtsextremen Umzüge stilecht mit einem abendlichen Fackelmarsch eröffnet bei dem hunderte Rassisten und Nazis provokativ durch das Universitätsgelände zur Statue von Thomas Jefferson, dem Autor der Unabhängigkeitserklärung der USA, zogen.
"Wendepunkt für eine Weiße Geschichte der USA"
Die Aufmärsche in Charlottesville sollten unter dem Motto des Kampfes für eine "Weiße Geschichte der USA" stehen. Man wolle sich die USA "zurückholen", hieß es von Seiten der Rechtsextremisten. Ein Teilnehmer der rechten Umzüge, der sich selbst als einen Nazi bezeichnete, erklärte gegenüber der Washington Post, dass es darum gehe, "unsere Geschichte, unsere Überlieferung unsere Rasse" zu verteidigen. Die gewalttätigen Demonstrationen hätten ihn "stolz gemacht, weiß zu sein", da er nach Charlottesville gekommen sei, um "für die weiße Rasse einzustehen". Die Wahl Trumps habe ihn und die Volksgenossen seiner Nazigruppe "ermutigt", endlich zu handeln.
Der ehemalige Ku Klux Klan Führer David Duke, nun eher dem ordinären Nationalsozialismus zuneigend, warnte anlässlich der Zusammenstöße Donald Trump davor, seine treue Anhängerschaft nun fallen zu lassen: "Ich würde dir raten, einen genauen Blick in den Spiegel zu riskieren und dich zu erinnern, dass es weiße Amerikaner waren, die dir die Präsidentschaft ermöglichten", empfahl er Trump.
Duke behauptet weiter, die Amerikaner europäischer Abstammung würden derzeit in Amerika einer "ethnischen Säuberung" unterworfen. Man werde die Versprechen Donald Trumps erfüllen, so Duke, und sich Amerika zurückholen. Die Ausschreitungen und Gewaltexzesse in Charlottesville seien hierbei ein wichtiger "Wendepunkt".
Trump: Keine eindeutige Distanzierung
Tatsächlich spielten die rechtsextremen Unterstützer Trumps insbesondere in der heißen Wahlkampfphase eine wichtige Rolle und Trump weigert sich weiterhin, sich eindeutig von diesem Milieu zu distanzieren. Seinen Wahlsieg hat der Rechtspopulist eindeutig dem überdurchschnittlichen Wähleranteil weißer Männer zu verdanken.
Bislang ist es nicht gelungen, Trump zu einer eindeutigen, expliziten Verurteilung der extremen Rechten zu bewegen. Auch bei der Reaktion auf die tödlichen Gewaltexzesse seiner rechtsextremen Basis unterließ es der Präsident, seine ehemaligen Wahlkampfhelfer explizit zu verurteilen. Trump kritisierte die Gewalt "aller Seiten" in Charlottesville, ohne sich von den Rechtsextremisten zu distanzieren.
Laut Washington Post wurde der Präsident bei einer Visite in New Jersey von einem Reporter explizit gefragt, ob er die Unterstützung der Rechtsextremisten wolle, die in Charlottesville unter Trumps Parole "Make America Great Again" randalierten - der Präsident habe darauf eine Antwort verweigert, so die Zeitung.
Das wichtigste Bindeglied zwischen der extremen Rechten und dem Weißen Haus bleibt - trotz etlicher Rückschläge - der ehemalige Breitbart-Herausgeber Steve Bannon, der immer noch als "Chefstratege" des US-Präsidenten agiert. Etliche der umstrittensten Entscheidungen Trumps, wie der Ausstieg aus dem Klimavertrag von Paris, werden gerade auf den Einfluss dieser durch Bannon prominent verkörperten rechtsextremen Kräfte im Weißen Haus zurückgeführt.
Trump-Vertraute mit rechtsextremer Schlagseite
Nur: Bannon ist nicht der einzige Trump-Vertraute mit einer rechtsextremen Schlagseite: Nur wenige Tage vor den Gewaltexzessen und tödlichen Angriffen rechtsextremer Gruppen in Charlottesville hat beispielsweise der Trump-Berater Sebastian Gorka die Gefahr rechtsextremer Gewalt heruntergespielt.
Es gebe keine Angriffe "einsamer Wölfe" seitens der amerikanischen Rechten, beteuerte Gorka in einem Interview mit dem rechtsextremen Radio Breitbart News Daily. Solche Anschuldigungen stellten nur "Ablenkungsmanöver" dar, erklärte kurz vor der Amokfahrt von Charlottesville ausgerechnet derjenige Trump-Berater, der wegen evidenter Kontakte zu ungarischen Neonazis in der Kritik steht.
Die Untätigkeit gegenüber rechter Gewalt scheint inzwischen System zu haben im Weißen Haus: Das Newsportal Salon berichtete Ende Juli über die neue Ignoranz der Ermittlungsbehörden gegenüber der extremen Rechten, wie auch die zwiespältige Haltung in den offen faschistischen Milieu gegenüber Trump. Einerseits sei der aufstrebende rechte Rand nicht "gänzlich zufrieden" mit den ersten Monaten der Präsidentschaft Trumps, da dessen Wahlversprechen (Mauerbau und Internierungslager für "illegale" Migranten) nicht schnell genug umgesetzt würden.
"Raum zum Atmen, Raum zum Zerstören"
Andrerseits erklärten die Rechtsextremisten freimütig, dass Trump und Bannon ihnen "Raum zum Atmen, Raum zum Zerstören" geben würden, indem der Verfolgungsdruck durch das FBI von der extremen Rechten genommen werde. Nun sei die Zeit gekommen, "Heu zu machen, solange die Sonne scheint", erklärte ein Nazi gegenüber dem Nachrichtenportal: "Wir müssen diese vier Jahre nutzen, um zu etwas anzuwachsen, dass nicht mehr zerstört werden kann."
Während eine informelle Einflussnahme seitens des Weißen Hauses auf das FBI, wie von den Rechtsextremisten behauptet, nicht verifiziert werden kann, sind die haushaltspolitischen Schritte der Trump-Administration eindeutig: Im Februar wurde ein zehn Millionen US-Dollar umfassendes Programm zur Bekämpfung von Extremismus in den USA umstrukturiert: Die auch für die Bekämpfung von Rechtsextremismus vorgesehenen Gelder wurden nun ausschließlich für den Kampf gegen Islamismus umgeleitet.
Er hoffe, dass Trump rückblickend "in der Geschichte als das Vehikel angesehen wird, dass die Alt-Right-Bewegung, die weiße identitäre Bewegung in den Vereinigten Staaten, an die vorderste Front der politischen Szene zurückbrachte", erklärte ein von Salon zitierter rechtsextremer Medienaktivist.