Tucker Carlson: Vom CNN-Moderator zum Sprachrohr der extremen Rechten

Tucker Carlson beim Scherzen mit Maga Donald Trump. Foto (Juli 2022): L.E.Mormile / Shutterstock.com

Wolf im Schafspelz: Die gefährliche Radikalisierung eines ehemaligen Mainstream-Journalisten und sein Einfluss auf die US-Politik.

Donald J. Trump liegt in den Umfragen für die Präsidentschaftswahl im November weiterhin vor Amtsinhaber Joe Biden. Doch der unangefochtene Präsidentschaftskandidat der Konservativen ist derzeit ausschließlich mit seinen juristischen Problemen beschäftigt und verbringt die meiste Zeit in einem New Yorker Gerichtssaal.

Die liberalen und konservativen Medien in den USA sind so damit beschäftigt, jede noch so kleine Neuigkeit über Trumps aktuelle Gerichtsverfahren zu verbreiten, dass der Einfluss anderer einflussreicher Sprecher der konservativen Rechten leicht übersehen wird.

Die meisten prominenten Rechten haben sich inzwischen der Trump-Doktrin unterworfen - zumindest so weit ein solches Programm überhaupt existiert.

Perfekt an die neue Zeit angepasst

Vielleicht ist der neue Rechtsruck aber auch ein konservativer Backlash auf Jahrzehnte der kulturellen Liberalisierung. Fest steht jedoch, dass prominente Vertreter der konservativen Bewegung in den letzten Jahren wieder vermehrt offen rechtsextreme und rassistische Positionen vertreten.

Ein Paradebeispiel für einen konservativen Meinungsführer, der sich perfekt an die neue Zeit angepasst hat, ist der ehemalige Fox News-Moderator-Star Tucker Carlson.

Wer Tucker Carlson in letzter Zeit oder gar in den vergangenen Jahren zugehört hat, mag kaum glauben, dass der Parade-Prep-Boy mit der Fliege seine Karriere einst bei dem von ihm heute so verhassten liberalen Powerhouse CNN begann.

Carlson heuerte 2001 bei der Talkshow Crossfire an, in der wöchentlich liberale und konservative SprecherInnen miteinander über tagespolitische Themen diskutierten.

Die oberste Position in der Propagandamaschinerie

Dort war er lange Zeit fester Bestandteil der wöchentlichen Debatten. Zumindest so lange, bis Daily-Show-Moderator Jon Stewart 2004 mit einem heute legendären Gastauftritt einen frühen Schlussstrich unter Tucker Carlsons Karriere zog. Vielleicht auch deshalb scheint Tucker Carlson nach seiner Zeit bei Crossfire die Lust an einer ausgewogenen Debatte gründlich vergangen zu sein.

Bei Fox News zeichnete sich Carlson jedenfalls bald durch seine unversöhnliche Kritik an den Demokraten im Besonderen und den Liberalen im Allgemeinen aus, die vielleicht nur noch von Sean Hannity übertroffen wurde.

Als Hannity später trotz mehrerer Schweigegeldzahlungen im Zuge der MeToo-Affäre dennoch von Fox News gefeuert wurde, übernahm Tucker Carlson die oberste Position in der Propagandamaschinerie der konservativen Rechten in den USA.

Im Exil der privaten Internetmedien

Vielleicht ist Carlson die Position etwas zu Kopf gestiegen. Jedenfalls stolperte er über einige Textnachrichten, die er an andere Fox News-Co-Hosts geschickt hatte und in denen er gegen das oberste Gebot der heutigen republikanischen Partei verstieß.

Darin sprach er im Privaten offen aus, was einige konservative Eliten insgeheim sicherlich denken. Möge Donald Trump die Wahl 2020 verlieren, damit er nicht noch einmal mit diesem ungehobelten Bauunternehmer zu tun haben muss.

Diese Nachrichten kosteten Tucker Carlson seinen Job bei Fox News und so trieb es den ewigen Fratboy ins Exil der privaten Internetmedien. Heute hat Tucker seine eigene Medienplattform und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit.

Auch wenn seine Einschaltquoten nicht mit denen seiner Zeit bei Fox News vergleichbar sind. Auf seiner Website Tucker Carlson Network zelebriert er sein Verständnis von Meinungsfreiheit und lässt sich in letzter Zeit zu immer offeneren faschistischen Äußerungen hinreißen.

Interview mit Aleksandr Dugin und Vorwürfe der Russlandnähe

Vor etwa einer Woche interviewte Tucker Carlson den umstrittenen ultrarechten Kreml-nahen "Philosophen" Aleksandr Dugin. Nun, von einem Interview kann man eigentlich nicht sprechen. Denn Carlson schien nicht nur bereit, für den Putin-Freund extra nach Moskau zu fliegen, er überließ Dugin auch relativ widerstandslos die Bühne.

Zu Dugins Gestammel "Gender-Politik sei das Ende der Menschheit" trug er wesentlich bei, indem er sich als "klassischer Liberaler" von den liberalen Werten des Westens distanzierte und Dugin für seine Opposition zum kommunistischen System lobte.

Seine Russlandnähe hat Tucker Carlson auch schon einigen Ärger eingebracht. Nach der umstrittenen Verabschiedung des Ukraine-Hilfspakets ließ Mitch McConnell, der Minderheitsführer der Republikaner im Senat, verlauten, er mache Tucker dafür verantwortlich, dass sich viele von McConnells Parteifreunden gegen die Ukraine gewandt hätten.

Der Seitenhieb auf den ehemaligen Fox News-Moderator kann natürlich auch anders verstanden werden. Vielleicht suchte der Senator aus Kentucky einen Weg, die außenpolitische Haltung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten zu kritisieren, ohne ihn direkt anzugreifen, denn das kann Trump bekanntlich gar nicht leiden.

Unterstützung der White-Supremacy-Ideologie

Vielleicht wäre es für Tucker Carlson sicherer, seine mediale Plattform zunächst ausschließlich der Ultrarechten zu Hause in den USA zur Verfügung zu stellen.

Im April interviewte der Talkshow-Moderator den Autor des Buches "The Unprotected Class, How Anti-White Racism is Tearing America Apart", Jeremy Carl, der sich offen als Eugeniker bezeichnet. In seinem Vorwort zum Interview mit Carl gewährt Carlson tiefe Einblicke in sein eigenes Weltbild.

Laut Tucker Carlson wird die weiße Bevölkerung in den USA seit etwa dreißig Jahren zunehmend diskriminiert und intrigiert. Carlson behauptet weiter, dass weiße US-Bürger generell beschuldigt würden, "nicht so gut", genauer gesagt "moralisch defekt" zu sein.

Als Beweis für diese angebliche Diskriminierung der weißen Mehrheit reicht Tucker eine Sammlung von Joe Biden-Clips, in denen sich der amtierende Präsident gegen Rassismus ausspricht. Vorwürfe, die laut Tucker schon deshalb hinfällig sind, weil die USA von Weißen gegründet wurden.

Der Zusammenhang bleibt hier etwas unklar. Aussagekräftiger sind die folgenden Bemerkungen von Tucker Carlson, der Kritik an der White-Supremacy-Ideologie mit einem Angriff auf die weiße Bevölkerung der USA gleichsetzt.

Im Gespräch mit Autor Jeremy Carl empört sich Carlson darüber, dass in einem angeblich so antirassistischen politischen System wie den USA der Rassismus gegen Weiße überall verankert sei, von der Gesetzgebung über die Sitten bis hin zur Kultur.

Die Debatte zwischen Carl und Carlson dreht sich dann darum, wie ein "Ruanda" verhindert werden kann und ob die USA sich wie Südafrika oder Brasilien entwickeln werden.

So entsteht der Eindruck, die USA hätten die Wahl zwischen Rassenkrieg und Genozid. Beide Gesprächspartner beteuern dann noch, wie sehr sie andere Bevölkerungsgruppen um ihren Aktivismus beneiden. Alles Aussagen, die man auch aus der amerikanischen Neonazi-Szene kennt.

Die Karriere von Tucker Carlson zeigt, wie weit sich die einst angeblich so gemäßigten Konservativen auf die Seite von Faschisten, White Supremacists und anderen Rechtsextremen geschlagen haben.

Randfiguren der alternativen Rechten

Tucker ist in erster Linie Opportunist und vertritt vor allem die Ansichten, die seiner Karriere förderlich sind. Zunächst war dies eine gewisse Nähe zu den Liberalen, später, während seiner Zeit bei Fox News, eine unversöhnliche, konservative politische Haltung.

Jetzt, da ihn seine mangelnde Loyalität gegenüber Trump diesen Posten gekostet hat, ist er in einer Internetsphäre gefangen. In einer Echokammer, in der nur der extremistischste, lauteste und unangenehmste Redner gehört wird.

Dieses verzerrte Verständnis von Öffentlichkeit lässt Tucker Carlson bisweilen sogar gegen die politischen Interessen des republikanischen Establishments agieren, während er sich selbst mit immer obskureren Randfiguren der alternativen Rechten herumschlägt.

Wohin treibt die Radikalisierung?

Die politischen Akteure am rechten Rand können die mediale Aufmerksamkeit kaum fassen, wie ein Posting des Eugenikers Jeremy Carl zeigt:

In weniger als 24 Stunden wurde mein Interview mit Tucker Carlson über mein Buch "The Unprotected Class, How Anti-White Racism is Tearing America Apart" mehr als 34 Millionen Mal gesehen. Mehr Zuschauer hatte nur sein Interview mit Putin im Jahr 2024. Warum?

Gute Frage eigentlich, illustriert das "Phänomen Tucker-Carlson" die Radikalisierung eines gemäßigten Konservativen, der aus den Hallen der Macht verbannt wurde, oder steht er eher für eine Radikalisierung des konservativen Mainstreams?

Fest steht, dass Tucker Carlson auch nach seinem Rauswurf bei Fox News und trotz seiner Nähe zu den Fringe-Elementen der rechten politischen Sphäre weiterhin eine beachtliche mediale Reichweite und Interviews mit prominenten Gästen vorweisen kann.