Türkei: Wie die AKP mit Mafia, Söldnern und Dschihadisten kooperiert

Seite 2: Die Söldnerfirma Sadat

Die türkische Söldnerfirma Sadat wurde 2012 von Tanrıverdi, einem ehemaligen General und bekennenden Islamisten, gegründet. Mit von der Partie waren aktive und ehemalige Offiziere der türkischen Armee. Ihre Vision war es, die "Abhängigkeit der Türkei von westlichen, kreuzfahrerimperialistischen Staaten zu verhindern". Laut Michael Rubin von der US-Denkfabrik "American Enterprise Institute" scheint es so, "als sehe Erdogan Sadat in gleicher Weise, wie der Oberste Führer des Iran die Iranischen Revolutionsgarden sieht: als Streitkraft, um politische Loyalität zu Hause zu sichern und um terroristische Aktivitäten im Ausland durchzuführen", berichtet das t-online-Nachrichtenportal. In der Türkei gilt Sadat als Schattenarmee des türkischen Präsidenten.

Die Rede ist von einer Truppenstärke von bis zu 40.000 Söldnern. Ihre Existenz bestreitet im Land niemand, trotzdem sprechen Militärs nur hinter vorgehaltener Hand darüber. Schon 2012 soll Sadat in der Marmara-Region und im Südosten Ausbildungscamps für sunnitisch-arabische Kämpfer gegen die syrische Zentralregierung von Baschar al-Assad eingerichtet haben. Bei der Niederschlagung des Putschversuchs von 2016 hätten die Söldner von Sadat eine zentrale Rolle gespielt, berichtete im vergangenen Jahr ein pensionierter, hochrangiger General im Gespräch mit der Welt. "Die Söldner sollten die Menschen anheizen, sie in die richtige Richtung treiben, um sich zum Beispiel mit nichts als einer Türkeiflagge vor Panzer zu stellen", erklärte der General.

Türkische Sicherheitskreise dementieren das nicht. Tanrıverdi wurde nach dem Putschversuch in Erdogans Beraterstab befördert. 2020 musste Tanrıverdi von seinem offiziellen Beraterposten zurücktreten, nachdem es aus der Opposition zunehmend Proteste gegeben hatte. Schon während ihrer Gründungszeit fragte man sich in der Türkei, wie die Firma ihr Equipment finanziert. 2016 hatte das Unternehmen nach Angaben des türkischen Handelsregisters nur 880.000 Türkische Lira (ca. 264.000 Euro) Eigenkapital. Nach der Selbstdarstellung von Sadat bietet die Firma Trainings für "Hinterhalte, Razzien, Straßenblockaden, Rettungs- und Entführungsoperationen und zusätzlich für die Verteidigung gegen solche Situationen, die in den Ländern, in denen operiert wird, vorkommen."

Das bedarf eines teuren Equipments und hört sich wie ein Killer-Unternehmen im Dienste des türkischen Präsidenten, an. Zu ihren "Operationspartnern" scheint auch die Hamas in Gaza zu gehören, wie t-online berichtet. Sadat soll auch an der Ausrüstung der libyschen Übergangsregierung beteiligt gewesen sein, sowie an der Unterstützung von Aserbaidschan im Bergkarabach-Konflikt. Diese Beispiele passen zu den politischen Zielen Erdogans. T-online stellt die These auf, das Umgehen beispielsweise des libyschen Waffenembargos mithilfe von Sadat sei für die türkische Regierung offenbar ein Weg, trotzdem im Verborgenen zu agieren, "ohne dass Präsident Erdogan politisch haftbar gemacht werden kann".

Sadat soll in folgenden Ländern aktiv sein: Syrien, Libyen, Katar, Tunesien, Somalia, Äthiopien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo sowie Albanien. Die Söldner der Firma sollen außerdem in den kurdischen Gebieten der Türkei und im Nordirak an den Kämpfen gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK beteiligt sein. Beim türkischen Geheimdienst, beim Militär und bei der Mafia ist Sadat nicht beliebt: Das noch immer kemalistisch geprägte Militär möchte Kompetenzen und Macht nicht an eine paramilitärische Miliz abtreten, die von einem radikalen Islamisten geleitet wird.

Auch Erdogan scheint langsam misstrauisch zu werden, denn es gibt Berichte, dass Tanrıverdi Waffen und militärische Ausrüstung für Sadat abgezweigt haben soll. Da seine Privatarmee keinen staatlichen Institutionen und Kontrollen unterstellt ist, könnte sich Sadat auch auf die Seite seiner Gegner schlagen - sie wollen ja als Unternehmen Geld verdienen. Die türkische Mafia will wiederum ihre Unterweltgeschäfte nicht an das Unternehmen verlieren.

Der Mafiapate Peker empörte sich in einem seiner Videos, die Firma Sadat habe eigene LKW in den von Peker organisierten Hilfskonvoi an die Turkmenen in Nordsyrien geschmuggelt. Pekers Organisation wollte demnach in Absprache mit einem AKP-Abgeordneten, dessen Namen er nicht nannte, militärisches Material, einschließlich Drohnen zur Unterstützung der "konservativen Opposition" (unter anderem gegen die demokratische Selbstverwaltung in Nordsyrien) an die syrischen Turkmenen schicken.

Peker belastete - was seine Enthüllungen glaubwürdig macht - sowohl sich selbst als auch die türkische Regierung: "Es wurden jedoch weitere Lkw unter meinem Namen nach Syrien geschickt. Wir dachten, dass sie an die turkmenischen Rebellen in einer anderen Region geschickt wurden. Wir wussten, dass sie Waffen transportierten, wir sind keine Kinder. Das war angemessen". Dann erfuhr Peker durch arabischsprachige Dschihadisten in den sozialen Medien, dass die Waffenlieferungen für die Al-Nusra-Front gedacht waren, die er nicht unterstützen wollte. Der Konvoi wurde nahe der Grenze gestoppt und der Waffenschmuggel flog auf. Der ehemalige Chefredakteur der Cumhurriyet, Can Dündar, veröffentlichte das Videomaterial über die mit Waffen beladenen LKW.

Nach einer Hetzkampagne und einem Mordversuch floh Dündar nach Deutschland ins Exil. Peker bestätigte letztendlich die Enthüllungen Dündars, wonach der türkische Geheimdienst (MIT), die türkischen Streitkräfte (TSK), lokale Behörden, Gemeinden und Organisationen, die sich als NGOs ausgeben, die bewaffneten Islamisten in Syrien unterstützt haben. All diese Akteure waren und sind wahrscheinlich immer noch an Verbrechen gegen die Menschlichkeit, an Kriegsverbrechen, an der Unterstützung von Terrororganisationen und an ethnischen Säuberungen mehr oder weniger beteiligt. Letztlich bedeutet dies, dass die Türkei den Krieg in Syrien und somit zunächst auch die Flucht der Zivilbevölkerung nach Europa forciert hat.

Da die meisten Syrer über die Türkei flüchten, hat Erdogan ein lukratives Geschäft eingefädelt: Er verhindert die Flucht von Syrern in die EU und kassiert dafür Milliarden Euro von der EU. Den syrischen Geflüchteten bietet er die Häuser der in Afrin, Serekaniye und Gire Spi von seinen islamistischen Söldnern vertriebenen Kurden, Christen und Eziden an. Damit ist er sie in der Türkei los. Gleichzeitig trägt es zum von ihm angestrebten demographischen Wandel in Nordsyrien bei.

Illegaler Handel mit Al-Nusra

Peker berichtete auch, wie der Schwiegersohn Erdogans, Berat Albayrak unter anderem den illegalen Rohölhandel mit der radikal-islamistischen Organisation Al-Nusra, organisiert hat: "Ich spreche nicht von Lieferungen, die aus mehreren Lastwagen bestehen. Ich spreche von solchen im Wert von Milliarden von Dollar, einschließlich Rohöl, Tee, Zucker und Gebrauchtwagen", sagte Peker und wies darauf hin, dass man sich an den Verwaltungschef des Präsidenten wenden müsse, um Handel mit Syrien zu betreiben: "Sie gehen zunächst zu Herrn Metin Kıratlı, dem Präsidialdirektor für administrative Angelegenheiten in der Külliye." "Külliye", oder "Campus", ist der Name, den der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan für seinen Palast mit den 1.000 Zimmern verwendet.

Kıratlı würde den Schmugglern Kontakte zur "MT Group" verschaffen. Ist man handelseinig, sind die engen Verbündeten Erdogans, Murat Sancak und Ramazan Öztürk, der Sohn von BMC-Vorstandsmitglied Talip Öztürk, die nächsten Ansprechpartner. Den Rest organisiert dann nach Pekers Aussagen der Finanzverantwortliche von Al Nusra, Abu Abdurrahman, auch unter dem Namen Abu Sheima bekannt.

Der russische Verteidigungsminister beschuldigte vor einiger Zeit ebenfalls Erdogan und dessen Familie, in den illegalen Ölhandel verwickelt zu sein. Albayrak wurde lange von Erdogan als potentieller Nachfolger präsentiert. Aber durch Albayraks undurchsichtige Geschäfte mit der Çalik-Holding, die auch in den ‚Malta Files‘ https://www.heise.de/tp/features/Tuerkei-Mit-wem-verhandelt-die-EU-eigentlich-3209846.html?seite=2 Erwähnung fanden, und den verschwundenen 128 Milliarden Euro aus der Staatskasse hat sich das Thema erledigt. Albayrak und die 128 Milliarden sind verschwunden, wobei Peker erwähnt, dass Albayrak sich in einem Haus verstecke, das Murat Sancak, ein enger Verbündeter Erdogans, in Istanbuls westlichem Stadtteil Beylikdüzü besitzt.

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