Tunesien will Todestrafe für Terroristen einführen
Ein neues Anti-Terrorgesetz gehört zum Maßnahmenkatalog, der das Vertrauen in die Sicherheit des Landes wieder herstellen soll
Die tunesische Regierung steht unter Beweisdruck. Sie muss den Nachweis führen, dass das Land sicher ist. Nach den beiden Terroranschlägen auf Touristenziele, im März auf ein berühmtes Museum in Tunis und ihm Juni am Strand und in einer Hotelanlage am beliebten Küstenort Sousse, hat sich der Blick auf das Land verändert, wie Großbritanniens Reaktion vor zwei Wochen dokumentierte. Die britische Regierung forderte ihre Landsleute auf, Tunesien zu verlassen.
Die Risikoabwehrmaßnahmen seien "nicht ausreichend", kritisierte das britische Außenministerium. Die tunesische Regierung hat es nun mit der Lösung der nicht einfachen Frage zu tun, wie man das Risiko abwehren kann, dass darin besteht, dass schon ein zu allem bereiter, selbstmörderischer Attentäter mit einer Kalaschnikow menschliche, politische und wirtschaftliche Katastrophen herbeiführen kann.
Derzeit berät das Parlament über ein neues Anti-Terrorgesetz, am Samstag soll darüber abgestimmt werden. Es sorgt schon jetzt für Diskussionen im Land, weil zum Beispiel vorgesehen ist, dass Polizisten gegen juristische Verfolgung abgesichert werden.
In einer durch wirtschaftliche Nöte politisch aufgeheizten Situation, in der gewalttätige Polizeiübergriffe keine Seltenheit sind, wachsen Befürchtungen, dass die Immunität der Polizei zu einem innenpolitischen Instrument gegen unliebsame Oppositionelle wird. Tunesien kennt solche Erfahrungen.
Die irreführende Angst vor der Polizei
Sicherheitsexperten sehen in der von politischen Interessen bestimmten Polizeipolitik der Vergangenheit - auch der jüngeren - einen Hauptgrund für die Sicherheitsmängel. Die Polizei war nie so gut, wie sie sein sollte, folgert ein Lagebericht der International Crisis Group.
Zu Zeiten des Autokraten Ben Ali bewahrte sie die Angst der Bevölkerung vor einem Imageverlust, davor, dass auf die Professionalität der Uniformierten geschaut wurde. Später als die Angst vor den Polizisten mit den Aufständen verschwand, war auch der Ruf weg. Dazu kam, dass mit jedem Regierungswechsel auch die Schaltpositionen im Sicherheitsapparat ausgewechselt wurden - auf Kosten einer konstant durchgeführten, durchdachten Reform.
Für die wichtigen Posten war die politische Zugehörigkeit wichtiger als das Können, so der ICG-Experte Michaël Béchir Ayari. Dies verhinderte den Aufbau einer funktionierenden Sicherheitspolitik, die auf die Drohungen der Dschihadisten effektiv hätte agieren können. Die anstehende Reform der Sicherheitskräfte wird wohl noch einige Zeit dauern.
Abschreckung und Bedenken
Die hat die Regierung aber nicht. So setzt man in einer ersten Reaktion auf politisch harte, aber im Kampf gegen Dschihadisten wohl nicht besonders effektive Mittel wie die Verhängung des Ausnahmezustands, auf Erfolgsmeldungen, die hartes Durchgreifen vermitteln sollen - und auf Abschreckung, wie eben mit dem Anti-Terrorgesetz.
So wurden gestern drei Artikel daraus vorgestellt, welche die Todesstrafe für Vergehen im Zusammenhang mit Terrorismus vorsehen.
Zwar gibt es in Tunesien die Todesstrafe, aber sie wurde seit 1991 nicht mehr ausgeführt. Umso größer ist das Unbehagen der zivilgesellschaftlichen Gruppen darüber, dass mit dem neuen Anti-Terrorgesetz eine Tradition fortgesetzt würde, die man aus Ben Alis Zeiten kennt, dass harte Strafen gegen innenpolitische Gegner in Anschlag gebracht werden.