U-Boot-Streit: "Brutal ausgetrickst"
Biden und Macron suchen einen neuen Lack für die Beziehung. Frankreichs Naval-Group: "Unsere U-Boote sind die besseren"
Alles wieder gut nach dem "Jahrhundert-Schock"? Künftig werde mehr miteinander abgesprochen, haben Joe Biden und Emmanuel Macron am Telefon vereinbart. Im Statement zum Anruf geht es vor allem darum, dass beide ihr Gesicht wahren, dass Geschlossenheit demonstriert wird und der Prestigeverlust wieder gut gemacht wird.
Das französische und europäische Engagement im Indopazifik sei wichtig, so der US-Präsident. Dazu lobte Biden:
Die Vereinigten Staaten erkennen auch die Bedeutung einer stärkeren und leistungsfähigeren europäischen Verteidigung an, die einen positiven Beitrag zur transatlantischen und globalen Sicherheit leistet und die NATO ergänzt.
Gemeinsames Statement der Präsidenten Biden und Macron, Weißes Haus
Zuvor hieß es in den Medien: Europa spielt keine wichtige Rolle mehr in der neuausgerichteten geopolitischen US-Strategie, Australien und Großbritannien sind wichtiger, die französischen U-Boote sind überholtes, altes Gerät wie auch der "Jahrhundert-Vertrag" zwischen Australien und Frankreich und Loyalitäten zwischen Nato-Partnern - so lässt sich die Kränkung plakatieren, an der sich die Regierung in Paris und die französischen Medien in den letzten Tagen abarbeiteten. Aber auch hierzulande hieß es, dass die Ohrfeige nicht nur Frankreich traf, sondern Europa.
Das Telefongespräch hat da nur ein paar Lackschäden notdürftig repariert. "No Sympathy" für die französischen Waffendeals, so eine Stimme aus dem patriotischen US-Think-Tank American Enterprise Institute (AEI), die bei Defense One veröffentlicht wird. Sie spricht im Namen der europäischen Nachbarn aus, was in US-Militär- und Rüstungszirkeln Mainstream sein wird. Es geht schließlich ums eigene Geschäft und die eigenen Ziele.
Die nuklearangetriebenen U-Boote mit US-amerikanischen und britischem Know-how, die nun statt der mit Diesel angetriebenen französischen U-Booten Australiens Marine verstärken sollen, stehen am Anfang einer Strategie, die Australien zu einer US-amerikanischen Militärbasis für den neuen Kalten Krieg im Indopazifik ausbauen.
Offiziell sind solche Pläne nicht, aber es gibt Hinweise, die eine solche Absicht plausibel untermauern. Offenkundig ist, dass die Umsetzung der US-amerikanischen und britischen Technologie zum Bau atomgetriebener U-Boote Australien sehr viel länger dauert als die Fertigstellung der U-Boote mit französischer Technologie. Der politische U-Turn ist auf einen längerfristigen Horizont ausgelegt.
Auch der Chef der Naval-Group, Pierre Éric Pommellet, bestätigt in einem Interview, dass sich Australien nun auf U-Boote einstellen muss, die erst zehn Jahre später, 2040, einsatzbereit wären. Er spricht von einem brutalen Schock, da man am Tag der Aucus-Ankündigung noch Versicherungen seitens Australiens bekommen habe, wonach man den Vertrag mit der französischen Gruppe weiterführen wolle.
Am Morgen des 15. September waren alle Voraussetzungen gegeben, um nach fünf Jahren technischer Arbeit an den Booten und in der neuen Werft in Adelaide in die nächste Phase des Programms einzutreten. Das erste U-Boot sollte 2023 in Produktion gehen, und wir waren dabei, eine australische Zuliefererbasis aufzubauen.
Pierre Éric Pommellet
Nach dem für ihn plötzlichen Kurswechsel, der seines Wissens nach "innerhalb eines kleinen politischen Kreises" vorbereitet worden war, habe er 350 Mitarbeitern der Tochtergesellschaft in Australien und 650 Mitarbeitern in Frankreich sowie den etwa hundert Unterauftragnehmern, die an dieser "Australisierung" der französischen Marineindustrie beteiligt waren, die schlechte Nachricht mitteilen müssen.
Doch nicht nur die Arbeitsplätze sind nun weg, sondern es gab auch über die letzten Jahre hinweg einen Technologietransfer, der nicht rückgängig zu machen ist. Sowohl Pommelet wie auch der Sprecher des französischen Verteidigungsministeriums, Grandjean (auf Englisch hier), widersprechen dem Narrativ von der rückständigen Technik der französischen U-Boote. Im Gegenteil behaupten sie, dass diese auf einem weltweit erstklassigen Stand seien - Grandjean streicht auch die Vorteile des Dieselantriebs heraus.
Nun fallen diese Äußerungen aus einem geschäftlichen Interesse heraus, sie sind nicht "objektiv". Aber sie zeigen deutlich, wie tief die Wunden sind, die hier geschlagen wurden - zumal Australien bei Abschluss des "Jahrhundert-Vertrages" darauf bestand, dass die U-Boote konventionell angetrieben werden. Laut Pommelet sei seine Gruppe auch Weltspitze, wenn es um nuklear angetriebene Sous-Marines gehe.