UKIP und Grillo-Partei bilden gemeinsame Fraktion
Vier von acht Lagern im Europaparlament werden zukünftig von Deutschen angeführt
Vielleicht wird der inhaltslos gewordene Traditionsgegensatz Links/Rechts im Europaparlament bald von einem neuen Oppositionspaar abgelöst: Auf der einen Seite dieses Oppositionspaares stehen Politiker, die den Begriff Europa wie eine Monstranz vor sich hertragen - auf der anderen welche, die sich eher einen humorvollen Umgang damit erlauben. Letzteres wäre auf jeden Fall ein gemeinsamer Nenner der Fraktion Europa der Freiheit und der Demokratie (EFD), deren zahlenmäßig stärkste Teilnehmer zukünftig Nigel Farages United Kingdom Independence Party (UKIP) und Beppe Grillos Movimento 5 Stelle (M5S) sind.
Der englische Politiker und der italienische Kabarettist gaben fünf Tage vor Fristablauf die erfolgreiche Fraktionsbildung bekannt und betonten dabei erneut, man werde viel Spaß dabei haben, Brüssel zu ärgern. Vorher hatte Grillo ein Angebot der Grünen-Fraktion für eine Teilnahme dort ausgeschlagen. Neben UKIP-Abgeordneten wie Amjad Bashir und 17 M5S-Mandatsträgern gehören der insgesamt 48 Abgeordnete starken EFD auch die tschechische Partei der freien Bürger, die litauische Partei Ordnung und Gerechtigkeit (TT), der lettische Bauernverband (LZS), die Schwedendemokraten und die Französin Joëlle Bergeron an, die für den Front National (FN) gewählt wurde, aber dort austrat.
Ob die vom Front National angeführte Europäische Allianz für Freiheit (EAF) die beiden Mindestanforderungen für eine Fraktionsanerkennung erfüllen kann, steht noch nicht fest: Auf die geforderten 25 Abgeordneten kommt die Partei zwar fast im Alleingang, aber statt Teilnehmern aus mindestens sechs weiteren Mitgliedsländern haben sich bislang nur solche aus vier gefunden: die österreichische FPÖ, Geert Wilders PVV, die italienische Lega Nord und der Vlaams Belang. Nun hofft man, dass sich bis zum 23. Juni noch die polnische Neue Rechte und bulgarische Abgeordnete anschließen. Eine Aufnahme der rechtsextremen Parteien Jobbik (Ungarn), Goldene Morgenröte (Griechenland) oder NPD (Deutschland) lehnt die FN-Parteivorsitzende Marine Le Pen so explizit ab wie Nigel Farage eine Aufnahme des FN in die EFD.
Dass Sondierungen mit anderen Parteien eher unbefriedigend verliefen, liegt auch daran, dass Marine Le Pen ein Problem hat, das viele Mittvierziger kennen: Der Vater (Jean-Marie, 86) ist körperlich noch zu fit, um ins Heim gesteckt zu werden, redet sich aber um Kopf und Kragen, wenn man nicht ständig auf ihn aufpasst. Anfang Juni erregte er mit dem im Zusammenhang mit dem jüdischen FN-Kritiker Patrick Bruel geäußerten Satz "On fera une fournée la prochaine fois" ("Da machen wir das nächste Mal eine Ofenladung") den Verdacht einer Anspielung auf den Holocaust (was der Greis jedoch als böswillige Interpretation von sich wies und meinte, er habe nicht gewusst, dass Bruel Jude ist, und der Antisemitismus sei "das scheußlichste Verbrechen der Welt").
Die Alternative für Deutschland (AfD) hat sich im Europaparlament der Fraktion Europäische Konservative und Reformisten (EKR) angeschlossen, die von den britischen Tories angeführt wird und sich etwas weniger euro-euphorisch gibt als die christdemokratische Europäische Volkspartei (EVP). In der nächsten Legislaturperiode gehören ihr auch die Wahren Finnen und die Dänische Volkspartei an, die vorher in der EFD waren. Außerdem die flämischen Separatisten von der N-VA, die in der letzten Legislaturperiode zu den Grünen gehörten. Andere Teilnehmer sind die polnische Kaczyński-Partei, die ODS des tschechischen Ex-Präsidenten Václav Klaus und weitere acht konservative Abgeordnete aus acht weiteren Ländern.
Von den fünf weiteren Fraktionen im neuen Europaparlament werden zukünftig vier von Deutschen angeführt: Der in seinem Habitus sehr deutsche Martin Schulz, dessen Deutschtum die SPD im auch Wahlkampf betonte, steht den Sozialdemokraten vor. Der Niederbayer Manfred Weber von der CSU führt die Christdemokraten an. Die Linksfraktion wird von Gabi Zimmer geleitet. Und Rebecca Harms ist weiter in der gender-quotierten grünen Doppelspitze vertreten. Lediglich bei den Liberalen konnte sich der Belgier Guy Verhofstadt durchsetzen.
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